. Wie wär's Frau Hartmann, sollen wir nicht mal ein gebratenes Hühnchen versuchen?" Hartmann ist hinausgegangen. Die Lippen der blassen Frau umspielt ein müdes, gequältes Lächeln. „Es kann nicht viel mehr helfen, Frau Kolling. Ich fühle es, meine Stunden sind gezählt, es kann nicht lange mehr dauern, warum mich dann noch mit dem Essen quälen!" „Na nu, Frau Hartmann, so dürfen wir nicht reden. So lange wir atmen, müssen wir auch den Willen zum Leben haben." „Den habe ich, weiß Gott, redlich genug
sehe ich mal wieder herein. Aber hübsch alles essen, was man Ihnen bringt, Frau Hart mann. Sie müssen essen, auch, gegen die Natur, die Kräfte lassen sonst zu sehr nach." Mit diesem gut gemeinten Ratschlag verläßt sie das Zimmer. In der Küche hantiert jetzt Fränzi, eine kleine, verwachsene Schwester Hartmanns, die auch dem Hofe ge blieben ist. Mit mürrischer Miene schiebt sie an den Töpfen herum, die auf der Herdplatte stehen. Bei Frau Kollings Eintreten wendet sie den Kopf. „Ei, sieh' da, Frau
Kolling, auch mal tvieder hier? Das ist recht. Na, wie steht's da drinnen?" „Die Frau muß kräftiges Essen haben, Fränzi, sonst geht's nicht." ^ „Ja, da haben Sie gut reden, wenn man ihr nur etwas beibringen könnte! Aber nichts schmeckt ihr, wenn man's auch noch so gut macht. So ein bißchen sippelich im Essen war sie immer." „Ja, doch nur immer anhalten, nicht Nachlassen, bis sie etwas nimmt. War der Doktor heute schon hier?" „Ach, der kommt jeden Tag, aber der richtet bei ihr auch nichts aus. Trotz
aller Sanftmut hatte sie immer ihren eigenen Willen." „Ja, ja, es ist ein Kreuz!" Frau Kolling schüttelt ihren dicken, roten Kopf. „Aber wir wollen tun, was wir können. Ja, Adjüs, Fränzi! Ich muß noch nach Hawer- schulte, da hat der Storch vergangene Nacht einen dicken Jungen gebracht." „Allwieder einen Jungen? Na, die haben auch gerade, genug! Adjüs, Frau Kolling! Gucken Sie mal wieder zu." Mißmutig kehrt Fränzi in die Küche zurück. Der ganze große Haushalt liegt nun auf ihren schwachen Schultern
mit Tränen füllte. 'Solch weiches, zart empfindendes Gemüt ist eine schlechte Mitgift für einen Knaben, der als Mann ein mal selbständig-und fest mitten im Leben stehen muß. Solche Naturen verlangen stets nach einem verständnisinnigen, mitfühlenden Herzen, und wehe ihnen, wenn sie es nicht finden, dann gehen sie an der Brutalität und Härte des Lebens zu Grunde. So lange noch ein Mutterauge in alles verstehender Liebe über ihnen wacht, so lange noch der Mutter zarte und doch feste Hand sie hält, so lange