Seite 2 So hat die christlich soziale Partei eS selbst gewollt und selbst verschuldet, daß die kirchliche Aner kennung als katholische Partei die Geltung ver loren hat, dadurch, daß die Partei deren Grund lage, den katholischen Charakter, selbst preisgegeben hat. Ein Mensch, der einst gut war und später auf Abwege gelangt ist, kann doch die Lobsprüche und Anerkennungen, die er einst erhielt, nicht auch für seine bösen Tage beanspruchen und gelten lassen. Auch die „Brixner Chronik' selbst läßt
das Lob, das sie einst gewissen Männern gespendet hat, sür jetzt nicht mehr giltig sein, wenn diese ihre Stellung zur „Chronik'-Partei geändert haben. Die „Brixner Chronik' schreibt ferner: „Wie bekannt ist, hat derselbe Papst, der in Italien die christlich-demokratische Bewegung scharf beobachtete und wiederholt durch Enun- ziation korrigierte, nicht ein einzigelmal Anlaß genommen, die christlich-soziale, unanfechtbar und für die katholischen Interessen in Oesterreich segensvoll wirkende Bewegung
oder Partei irgend wie zur Revision ihrer Taktik oder ihres Programmes zu ermahnen oder auch nur die leiseste Verwarnung zukommen zu lassen. . . . Auch der österreichische Episkopat hat in seinen Konserenzbeschlüssen und andern Kundgebungen oder sonst irgendwo M der christlich-sozialen Partei und ihrer Bewegung yie- mals Kritik geübt.' Also gibt eS aus dem weiten Erdenrund kein makelloseres Lämmlein als die christlich-soziale Partei, nichts böswilligeres als unsere katholisch- konservative Partei: Fürwahr
, diese Logik ist herr lich! Ein von hochstudierten Professoren so reichlich bedientes Blatt sollte doch unterscheiden können zwischen direkt und indirekt. Wir geben zu, daß der Hl. Vater und der österreichische Episkopat, d. h. die Gesamtheit der österreichischen Bischöfe, nie direkt an die christlich-soziale Partei Mahnungen und Ver warnungen adressiert haben. Das ist auch sehr be greiflich. Denn es wurde von den christlich-sozialen Führern wiederholt feierlich erklärt, ihre Partei fei eine rein
politische und lasse sich deshalb weder vomPapste, noch von den Bischöfen dreinreden. Lueger erklärte einmal, daß die chrjsilich.soziale Partei ihre volle Selbständigkeit gegenüber den Bischöfen zu wahren entschlossen ist, und „Wir haben uns noch von keinem Fürsterz bischof Befehle erteilen lassen, was wir tuy sollen oder nicht;wir hätten die Befehle auch nicht befolgt, weil wir unsere eigenen Herren sind und solche auch bleiben wollen. (Stürmischer Beifall.) Wir sind gute Katholiken, dulden eSabernicht