und sozusagen mit einem Satz aus grauem 2lltertum mitten in die modernste europäische Kultur sprang, sind Japan, sein Leben, sein Hof, seine kultu relle und seelische Einstellung den Europäern dennoch ein versiegeltes Buch geblieben. Kaiser Ioschihito, der dieser Tage nach langem, qualvollem Siechtum gestorben ist, stand von frühester Jugend im Mittelpunkt eines grauenvollen Familiendramas. Er stammte aus der Ehe seines Vaters, des Kaisers Mutsohito, mit einer Rebenfrau; dieser ging die Ehe deshalb
ein, weil die Ehe mit seiner rechtmäßigen Gemahlin kinderlos geblieben war. In der Rebenehe wurden dem Kaiser dreizehn Kinder, fünf Knaben und acht Mädchen, geboren, alle aber waren tuberkulös, und im Kaiserhaus folgte Toten feier auf Totenfeier. Von den fünf Prinzen starben alle bis auf den Prinzen Ioschihito, welcher der vierte in der Reihe seiner Brüder war, teils im zarten Kinder-, teils im Jünglingsalter, so daß Ioschihito nach dem Tode seines Vaters nls dessen einziger Erbe auf den Thron gelangte. 2lber
auch Kaiser Ioschihito kränkelte von ! allem Anfänge an, und als man ihn im Mai 1900 mit der Prinzessin Sadako, der reizenden Tochter des Fürsten Kudiso , Fudschimara, vermählte, machte man es ihr zur Hauptsorgc, über seine Gesundheit zu wachen und eine — heitere Note in sein Leben zu bringen. Sein ererbtes Leiden und die 2lngst vor dem schrecklichen Schicksal seiner Geschwister hatten Ioschihito zum Melancholiker gemacht, und man fürchtete, daß der zum Trübsinn Neigende Hand an sich legen könnte. Kaiser
Ioschihito, dessen Geschlecht von Dschinmu Tenno, dein „Sohne des Himmels', iin Jahre 660 vor Christus gegründet wurde und seit damals Japan in ununterbrochener Neihensolge regierte, war der erste Prinz, welcher nach europäischem Muster erzogen wurde. Nach den altjapanischen Uebelliefe- rungen waren die japanischen Kaiser nur Ccheinregenten. Sie galten als höhere, gött liche Wesen, denen göttliche Ehrungen zuteil wurden, während die wirkliche Regierungs macht von dem Shogun, dem Kronfeldherrn, ausgeübt
wurde, dem das Shogunat, in dem die Häupter der Kriegerkaste vereint waren, zur Seite stand. Schon seit dem 12. Jahr hundert war die Macht der Kronfeldherren eine so vollkoinmene, daß die Kaiser nur mehr willenlose Werkzeuge in ihren Händen waren. Palastrevolutionen, mittels.welchen die unterdrückten Kaiser die Macht ihrer Kronfeldherren abzuschütteln suchten, waren nichts seltenes. Um diesen Auflehnungen ein endgültiges Ende zu bereiten, ging man so weit, den Kaisern das Gehen als einem göttlichen