über ihn, wie über ein köstliches Geschenk: über die liebe Handschrift, über den lichten und mutigen Geist und die innige, liebreiche Weiblichkeit, die aus jeder Zeile sprach. Ein eltsames Gefühl von Weichheit und zärt- icher Sehnsucht umfing ihn plötzlich und hüllte ihn ein kaum noch gekannt im Kriegsgetümmel, neu und überraschend, wie das Gefühl erster, scheuer^ Liebe . . . Aus dem Bettrande sitzend, las er immer wieder und wieder diesen Brief, der so gar nichts Wichtiges erzählte
! . . . Hier sprach ein Geist, dem das alles wesensfremd war — der Geist eines spartanischen Heldentums, das seine Kinder dazu gebar und erzog, fürs Vaterland zu bluten und zu sterben ... . Das war der Geist jener Mütter aus fernen Jahrhunderten, die ihren Sohn nur mit dem Schilde oder auf dem Schilde zurück kehren sehen wollten — das war der Geist des alten Preußentums, das gegen eine Welt voli Waffen sich durchbiß. Und wie ergreifend, wie im Innersten erschütternd waren diese Zeilen alter Eltern, denen
der Krieg ihr Licht und ihr letztes Glück ge nommen . . . Keine Klage, kein Jammer, keine ungebärdige Verzweiflung, die doch so natürlich erschienen wäre! Ernst, hal- - tungsvoll und würdig wurde das Furcht bare hingenommen, nicht einmal einen Seufzer entpreßte es dem Vaterherzen. Lothar entkleidete sich vollends, legte sich zu Bett und löschte die Kerze. Aber schlafen konnte er nicht: leidenschaftlich war sein Gemüt mit dem beschäftigt, was er eben erlebt. Bilder bestürmten seinen Geist, wech selnde
Bilder aus den letzten Wochen. Er sah, in dunkler Nacht am Waldpuschsee, den jungen Grafen mit einem kurzen Seufzer vornüber fallen sah Dannebaum von einer Schrapnellkugel zerrissen werden, sah sei nen Hauptmann, den man mit blutender Stirn und zerschossener Schulter aus dem Gefechte trug, sah Lübberstedt, der die Hand nach der Fahne ausstreckte und lautlos in die Knie brach, sah Brandenburger, den Freund aus friedlichen Tagen, der mit den Worten: „Deutschland soll leben!' seinen Geist aufgab — sah
in halbwachen Gedan ken all das Heldentum, das sich auf diesen Schlachtfeldern fürs Vaterland verblutete, all die herrlichen deutschen Eichen, die die ser furchtbare Oftsturm Krachekid nieder stürzte. Und während er seinen Geist den anstürmenden Bildern öffnete, kam ihm. sacht wehend wie Frühlingswind, eine neue Fröhlichkeit ins Herz, grundverschieden von der, die Christinens Brief ihm erweckt — eine Fröhlichkeit, die nichts von Frieden^ wußte und heimischem Glück, die dem TM ins schwarze Auge sah