. Im mer und überall, wo sie sich sehen ließ, wich man halb scheu, halb bewundernd vor ihr zurück und schaute der stattlichen, weitaus schreitenden Gestalt nach, die so sicher, so selbstbewußt durch die Straßen schritt. Jeder im kleinen Fabrikort kannte sie; ob reich oder arm, vor Marie Förster, der Frau des Arbeiters Karl Wilhelm Förster, neigte sich feder. Der Mann verdiente mit seiner Hände Arbeit in der großen Fabrik gerade eben das Notdürf tigste für seiner Familie Unterhalt und seine Frau tat
du, Marie?" fragte ihr Mann. „Es ist ein Brief gekommen, Wilhelm!" entgeg- nete sie. „Von wem?" „Von meinem Kind — — —" Der Mann stöhnte auf. Er wußte alles. Nichts hatte sie ihm damals verschwiegen, offen und ehr lich alles gestanden. Genau so war es ihr gegan gen, wie so vielen armen Mädchen in der Stadt, die mit kargem Lohn, der ihnen das Notwendigste nicht gibt, sich durch das harte Leben bringen sollen. Ein sunger Mann hatte sich ihr genaht, viele Verspre chungen waren über seine Lippen gekommen
!" hatte sie dabei gesagt. Und nun war das Wort der Verzweifelten wahr geworden. Wahr, wie alles, was das harte Leben gibt und lehrt. Als Karl Wilhelm Förster mit seinen ehrlichen braunen Augen um sie anhielt, hatte sie ihm alles offenbart. „Das ist vorbei, Marie!" hatte er ruhig ent gegnet. „Nicht ganz, Wilhelm! Das Kind lebt!" „Aber nicht für dich — für — — den — an dern — —" „Aber wenn der Tag käme, wo es sich an mich, an seine Mutter, wendete — —" „Dann — — fa dann — —" Karl Wilhelm Förster hatte den Satz
— entreißen ließ — — Ich habe niemand sonst auf der ganzen, weiten Welt, der sich des Kin des annähme — —" So stand in den: Brief. Und ruhig und bedäch tig, wie es seine Art war, hatte Karl Wilhelm För ster jedes Wort gelesen. „Was wirst du tun, Marie?" fragte er. Da war über die düsteren Züge der Frau ein Sonnenstrahl gehuscht; ihre Gestalt, die seit dem Empfang des Briefes ganz in sich zusammengesunken war, hatte sich aufgerichtet und langsam und fest hatte sie. ent gegnet: „Das Kind holen, Wilhelm
!" Karl Wilhelm Förster aber hatte sein tapferes Weib an sich gezogen und es schweigend geküßt. Sie holte den Knaben. Schon zwei Tage danach war sie mit ihm wieder da. Ein feines, zierliches Kind, blauäugig und blondlockig, so stand der Knabe, der Reinhold hieß, vor dem erwartungsvoll dreinschauenden Karl Wilhelm Förster. „Willst du bei uns bleiben, Reinhold?" fragte er. Scheu und schüchtern sah sich der Knabe in dem bescheidenen Zimmer um. „Hier?" fragte er und aus seinen Zügen sprach eine geheime