Zweites Blatt der Meraner Zettung Nr. 94 vom 25. October 1881. Kleine Parallele». Dem »Berliner Tageblatt' vom 20. Oktober, No. 492, entnehmen wir folgenden tür uns Oesterreicher, speziell die Wiener, schmeichelhaften Bericht: „Kleine Parallelen zwischen Deutsch land und Oesterreich zu ziehen — dazu fühlt sich wohl Jeder angeregt, der vor einigen Wochen den Schriftkellertag is Wien mitgemacht hat. . Die deutschen Buchhändler wissen eS längst, daß in Oesterreich ein sehr günstiger Büchermarkt
ist und die meisten deutschen Schriftsteller, welche an dem Schriststellertage in Wien theilgenomwen, werden die Ueberzeugung gewonnen haben, daß der Schriftsteller in Oesterreich und namentlich in Wien, eine ganz andere Stellung als bei un6 einnimmt. Man kennt ihn, sacht sich ihm zu nähern, interessirt sich für ihn und ist in jeder Weise bemüht, sich ihm gefällig zu erweisen. War doch daS Interesse an dem Schriftstellertage selbst bis in die breiteren Schichten der Wiener Bevölkerung gedrungen. Man brauchte
deS Mo.» genS in den Kaffeehäusern nur zu beobachten, wer und Wie viele nach den Zeitungen griffen, um dir Belichte über den Schriststellertag und über die den Schriftstellern bereitete» F'ste zu lesen. Wir schätzen die Intelligenz der Berliner sehr hoch, dennoch erfaßt? unö ein unangenehmes Gefühl, als wir unS auszumalen versuchten, welche Rolle der deutsche Schnfistellertag in Berlin ge- spielt haben würde, selbst wenn eiu Verein wie die Wiener Concordia die Vorbereitungen in gleich umfassender Weise
mit einem Schristsetzertag ver wechselt haben . . . ES liegt unS wahrlich fern, die Deutschen auf Kosten der Wiener herabzusetzen, wir geben auch willig zu, daß in dem gemüthlichen und freundlichen Entgegenkommen, der Wiener unge- mein viel Bestechendes liegt, aber bei aller Ein genommenheit für unsere norddeutschen StammeS- Genossen und ihre Vorzüge, dürfen wir unS doch nicht verhehlen, daß wir von den Oesterreicher» Manches lernen können, waS sich nicht allein auf die Verschiedenheit der Nationalitäten-und Cha raktere
, dem flotten kaum annäherndes Tempo hinaus, weil der Kutscher nicht will, daS Pferd nicht kann und weil an jeder Ecke «in Schutzmann steht, und in Leipzig schläft selbst während der Fahrt der Autscher, daS Pserd und meistens auch der Beförderte. ES ist ja richtig, daß in Leipzig die Droschken auch an daS Ziel gelangen, aber Zeit muß man haben und Geduld muß man ? haben und grob darf man auch nicht werden. AuS dem flotten und gemüthlichen Charakter der Wiener erklärt sich viel: Leben und leben lassen