. Der Nazarener wurde mit Hohn und Läste rungen überschüttet. „Haha! Bist du der König der Juden, so steige herab vom Kreuz!" rief einer. Die übernatürliche Finsternis beängstigte Esther wie viele andere. Zwei-, dreimal sprach sie zu ihrem Vater: „Laß uns nach Haufe gehen! Es ist der Zorn Gottes. Wer weiß, was sich noch alles ereignen wird! Ich fürchte mich." Simonides hörte sie nicht. Er sprach nur wenig und war sichtbar erregt. Als er nach der ersten Stunde de- merkte, daß stch die Menge in der nächsten
Nähe des Kreuzes lichtete, begaben sie sich auf feine Veranlassung etwas näher 'hinzu. Von ihrem neuen Standpunkt aus konnten sie oen Nazarener dunkel sehen; hören aber konnten sie ihn deutlich. Die zweite Stunde verging wie die erste: der Nazarener wurde gelästert und verspottet. Nur einmal während dieser Zeit tat er seinen Mund zur Rede auf. Einige Frauen 'kamen und knieten unter dem Kreuz nieder. Unter diesen erblickte der Gekreuzigte seine Mutter und den Jünger, den er liebte. „Weib," sprach
er, seine Stimme erhebend, „siehe, dein Sohn!" Und zum Jünger: ,/Siehe, deine Mutter!" Es kam die dritte Stunde, und noch drängte sich die Menge um den Hügel, wie von einer unsichtbaren Macht dahin gebannt; ohne Zweifel trug die unerklärliche Fin sternis dazu bei. Die Leute waren ruhiger als zuvor; den noch konnte man 'tomn und wann Ausrufe hören. Wenn sie aber an das Kreuz des Nazareners kamen, schwiegen sie still, blickten hinauf und gingen lautlos hinweg. Wenn Wechsel dehnte sich sogar auf die Soldaten
der Stadt, kamen und blieben vor dem mitt- leren Kreuz stehen. In der Stille, welche folgte, sprach der Schächer, welcher zuletzt geredet hatte, zum Nazarener:' „Herr, gedenke meiner, wenn du in dein Reich kommst!" Simonides erbebte. „Wenn du in dein Reich kommst!" „Hast du gehört?" sprach Den Hur zu ihm. „Das Reich kann nicht von dieser Welt sein. Dieser Zeuge sagt, der König gehe erst in sein Reich, und das stimmt mit dem Überein, was ich im Geist sah." „Horch!" sprach Simonides. „Still- ich bitte
ihn die Erinnerung an die ausgestandenen Qualen niemals verlassen — er hatte ein neues Leben kennen ge- lernt, ein Leben n a ch dem gegenwärtigen, Paradies ge- nannt! Dort würde er das Reich finden, das er sich ge- träumt hatte — das Reich und den König. Ein süßer Friede kam Wer ihn. Drüben beim Kreuz aber herrschte Staunen und Be- stürzung. Die listigen Priester sahen sich in einer schlim- men Lage; sie hatten den Nazarener zum Tod verurteilt, weil er sich für den Messias ausgegeben hatte, und siehe, am Kreuz