kann, ist nicht eine solche, daß sie uns momentan in einen Konflikt mit Italien bringen könnte. Man kann unmöglich von unserem Verhältnis mit Italien sprechen, ohne auf die momentane Lage Italiens mit Bezug auf seine Unternehmung in Afrika hinzuweisen. Vielleicht könnte jemand be haupten, daß dieses Unternehmen in irgendwelcher Beziehung für uns Nachteile brächte oder uns un angenehm sein könnte. Nun, meine Herren, wir können ja doch nicht verhindern, daß ein fremder Staat irgendein Unternehmen wagt, welches er für seine Existenz
als notwendig erkennt. Es ist ja sehr bedauerlich — ich gebe das zu — und ich bin gewiß kein Freund dieses Unternehmens in dem Sinne, daß ich glaube, daß, weil Italien die Gewalt hat, es darum auch das Recht besitze, derart ein fremdes Territorium einzusacken. Aber andererseits müssen wir doch auch gestehen, daß das, was Italien im vorliegenden Falle unternimmt, ja schon seit einer Reihe von Jahren nahezu von allen Staaten nach der Reihe ausgeführt worden ist. Man kann da wirklich fagen: Schlechte Beispiele
wahrnehmbar ist, die Kolonien zu erweitern; ich erinnere an Nordamerika — das ist doch ein Land, wo eigentlich nur der Friede Gottes walten sollte — welches erst jüngst Kuba, Portoriko usw. sich angeeignet hat und jetzt im Be griffe steht, Mexiko einzustecken, um die Herrschaft über den Panamakanal sich zu sichern. Wir sehen also, daß nach der Reihe nahezu alle Länder den selben Weg gegangen sind, und darum ist es denn doch zu weit getrieben, wenn wir eine Beschwerde darüber empfinden sollten, daß Italien
sich Tripolis aneignen will, welches unmittelbar vor seiner Nase gelegen ist und wo es wirklich hoffen kann, daß es in volkswirtschaftlicher Beziehung eine besonders günstige Akquisition macht. Ich bitte nur zu be denken: Italien ist ein aufstrebender Staat — das kann doch heutzutage niemand leugnen — ein Staat, welcher alljährlich Hunderttausende von Aus wanderern abgibt. Italien hat in den letzten Jahren auf je 10.000 Einwohner 182 Menschen an fremde Gebiete verloren. Was das bedeutet, zeigt ein Vergleich
mit den Auswanderungsverhält nissen in Oesterreich, wo wir selbst immer klagen, daß unsere Auswanderer viel zu zahlreich sind, was auch der Fall ist, da Oesterreich 45, Ungarn 70 Menschen auf je 10.000 Einwohner jährlich an fremde Gebiete und Erdteile abgibt. Daraus ist wohl zu ersehen, daß Italien sehr viel durch die Auswanderung leidet, und auch das muß man daraus schließen, daß Italien eben Verhältnisse hat, welche dahin drängen, daß ein Teil der Bevölkerung sich auswärts fortzubringen bemüßigt