Zweiter Bogen zum „Pustertaler Boten' Nr. 4. Bruueck, Freitag den 27. Jänner iWs. — 35. Jahrgang. Die Vorgange in Rußland. ^(Fortsetzung aus dem dritten Bogen.) Unter dem 23. Jänner wird aus Petersburg gemeldet: Der gestrige Versuch, dem Zaren eine Bittschrift zu überreichen, ist gescheitert; der Zar ist in ZarSkoje Sselo geblieben. Das Militär verhinderte das Vordringen der Arbeiter« schaft zum Winterpalais und beschoß die Volks» menge mit scharfen Salven, wodurch ei» schreck liches Blutbad
sollen sich die Arbeiter der Dynamitfabrik in Petersburg bemächtigt haben. Sie wollen mit aller Gewalt versuchen, die Wasserwerke in ihre Hände zu bekommen, um sie zu zerstören. Dann wollen sie die Stadt an allen vier Ecken anzünden. Die Revolution, die mit so furchtbarer ele mentarer Gewalt am Sonntag in Petersburg auSbrach, weckt die Erinnerung an die Ereignisse, die während des vorigen Jahrhunderts in Frank reich zweimal zum Sturze des Königtum» führten, die Juli-Revolution von 1830
und die Februar Revolution von 1848. Vergleiche find nicht gut möglich; das vage Programm der russischen Arbeiterbataillone hat nichts gemein mit dem, für da« auf den Straßen von Pari» gekämpft wurde. Aber schon heute kann man sagen, daß der Jänner-Ausstand in Petersburg die blutigste der Revolutionen seit 1793 ist. Das Bombardement der Garde-Artillerie gegen die Barrikaden von Wasfilij Ostrow übte ver heerende Wirkung. Auf einer dieser Barrikaden lagen in einem Knäuel 30 Verwundete und 15 Tote. Die Damen
des Roten Kreuze» ersuchten die Führer der Barritadenverteidigung, ihnen die Verwundeten auszuliefern. Sie erhielten jedoch die Antwort: „Nein, lieber hier sterben, als unter den Händen euerer Folterknechte!' Unter den Opfern am 22. dS. befanden sich zahlreiche Offiziere und Soldaten, welche durch Revolverschüsse niedergestreckt wurden. — In einer Versammlung der freien ökonomischen Ge sellschaft in Petersburg wurde beschlossen, daß alle freien Berufsksassen^ streiken sollen. Die Aerzte und Advokaten