in Niederösterreich schreiten das erstenmal die Fünfgulden-Männer zur Wahl, und nach den Novellen zur Landes-Ordnung wird der künftige Landtag nicht mehr 63, sondern 72 Mit glieder zählen. Die Aussichten der deutschliberalen- Partei, welche seit Beginn der konstitutionellen Aera in diesem Landtag über die Mehrheit verfügte, sind diesmal ziemlich ungünstige, da die vereinigten An tisemiten und Clericalen die größten Anstrengungen machen, die Majorität an sich zu reißen, und bei ihrer großen Rührigkeit
beson deres Interesse angesichts des bevorstehenden Er löschens des Socialisten-Gesetzes. Sehr ausführlich wird daher von einer social-demokrati schen Versammlung Notiz genommen, welche am Sonntag in Dresden stattfand und von etwa 15lX) Personen besucht war. Es handelte sich um die Sächsische Arbeiter-Zeitung, welche sich den Führern der Partei unbequem gemacht hat. Bebel hielt eine zweistündige Rede, in welcher er dem Blatte dessen Sündenregister vorhielt und namentlich zum Vor wurfe machte
, daß es zu viel von dem Wesen der Social-Demokratie ausplaudere und dadurch den Spießbürger stutzig mache, daß es ferner die Tak tik der socialdemokratischen Fraction bekämpfe, was schlimmer sei, als ein Vergehen gegen das Partei- Programm. Die Versammlung beschloß nach Bebel's Antrag, daß das Blatt aus dem bisherigen Privat« Besitze in die Hände der Partei überzugehen habe, und als ein Redner, durch diesen Beschluß erbittert, ausrief, die Fraction mißbrauche ihren Einfluß, kam es zwischen ihm und Bebel
, der auf ihn losstürzte, beinahe zu Thätlichkeiten. In einer zwei Tage später in Berlin abgehaltenen großen socialistischen Versammlung richtete nun unter lebhaftem Beifalle und stürmischem Widerspruche Bruno Wille heftige Angrisse gegen Bebel und dessen Fraction, die im Reichsrathe, anstatt nur agitatorisch zu wirken, unnütze Gesetzentwürfe einbringe und durch die neue Organisation unnmschränkte Vollmacht zu erlangen suche. Streber, Heuchler, Geschästs-Socialisten seien in der Partei aufgekommen, die Social
-Demokratie dulde aber keinen' Autoritäts-Glauben. Aehnlich sprachen andere Redner, auch Wildberger. Ein Redner behauptete auch, Bebel sei von Korruption nicht frei. Andere nahmen Bebel und die Fraction in Schutz Schließlich wurde eine Resolution an genommen, daß je 5tXX) Genossen einen Delegirten zum Congresse wählen sollten und die Taktik im Sinne Wille's zu ändern sei. Bis jetzt ist also eine tiefgehende Zerklüftung der Partei der einzige Profit der bevorstehenden Befreiung von den Fesseln