auf den Garten Gethsemam und die Russische Kirche mit ihren goldenen Zwiebelkup peln, schaut hinüber auf die Heilige Stadt, die mit ihren Palästen uno Hütten, mit ihren Mauern und Türmen im rosigen Licht der Abendsonne ruht und träumt. Am Tempelberg, wo heute die mächtige blaue Kuppel der Omarmoschee ins Abendleuchten emporsteigt, stand einst in fabelhafter Pracht der große Tempel Jahves, des Herrn der Heerscharen, des Gottes Israels. Jahrhun derte hatten an diesem Wunderwerk gebaut, bis schließ lich
ihn umdrängen und mit leuchtenden Augen zu ihm emporschauen. Und drunten im strahlenden Sonnenglanz liegt die Heilige Stadt und der wundervolle, mächtige Tempel. Jesus weint. „Jerusalem, Jerusalem, daß du es doch erkannt hättest an diesem deinen Tag, was dir zum Heile dient. Aber es ist vor deinen Augen verborgen! Denn es werden Tage kommen . . Jesus weint; weint über die ber stenden Mauern, weint über die Bäche Blutes, die sich durch die verpesteten Straßen wälzen, weint über die Mütter Jerusalems
, die vor Hunger ihre Kinder schlach ten, weint über die Berge von Leichen, die sich vor dem Heiligtum des Tempels türmen; er weint über den Tempel, der in Flammen steht und der in seinen rau chenden Trümmern das verblendete Iudenvolk für im mer begräbt. In Jerusalem hatte Jesus keine Heimat gefunden; der Tempel war nicht sein Haus, sondern ein Kaufhaus und eine Räuberhöhle; das Volk, das ihm in augenblick licher Begeisterung jetzt huldigt und zujubelt, wird in wenigen Tagen ihn hmausschleppen
aber hat nicht gewollt. Wie es die großen Propheten der Väterzeit verfolgte und er mordete, so tut es jetzt, jetzt in der letzten Stunde, da Gott selbst es heimsucht, es gewinnen und beglücken will, da Gott weinend an seinen Toren steht und um Einlaß in die verschlossenen, versteinten Herzen bittet. „O, daß du es doch erkannt hättest an diesem deinem Tage, was dir zum Frieden ist!" Jesus weint. So ein Jerusalem, ein Tempel ist auch deine Seele. Gottes Gnade hat dich schön gemacht, reich gemacht und heilig
, daß man den Tempel von Jerusalem mit dir nicht mehr vergleichen kann. Und wie viel Wunder hat der Herr in deiner Seele gewirkt, wie viel Liebe und Glück hat er dir geschenkt, wie viel Sorge und Güte hat er dir zugewendet! Wie eine Henne ihre Küchlein sucht, so hat er auch dich gesucht und mit mütterlicher Liebe betreut. Denk einmal nach darüber! Und wenn du eine schwere Sünde begehst, teilst du das Verbrechen und das Los Jerusalems. Wer weiß, ob Jesus nochmals kommt und durch die Gnade einer vollkommenen Reue