Domweihefeste und in den Tagen, die ihm vorausgingen. Das rote Linzer „Tagblatt" brachte die unflätigsten Artikel zur Geschichte des DombaueZ und er goß seinen wohlfeilen Spott über alles, was damit zu sammenhangt. Die Feinde des Christentums fühlen es eben, daß ein Volk, das treu und mit inniger Liebe an der Gottesmutter hängt, für die Sozialdemokratie nicht zu gewinnen ist. Ein Trupp Sozialdemokraten mit einer roten Fahne und ein Kainpflied singend, suchte sogar die Lichterprozession
. Gerade diese vielen Gegensätze, die ohne Unterlaß miteinander ringen, geben Wien seinen gegen- tvartigen sehr interessanten Charakter, indem es sich von jeder anderen Großstadt, ja von jeder anderen Stadt unterscheidet. Wien ist also mehr als je eine lebendige Stadt, keine Minute ohne Bewegung. — An keinem Tag des Jahres treten die Gegensätze deutlicher hervor als am 1. Mai. An diesem Tage zeigt die Stadt ein dreifaches Gesicht. Einmal das rote. Schon am frühesten Morgen sind die roten Agitatoren
an der Arbeit; sie sind keine Siebenschläfer. Hunderte ziehen in den Stra- ßen herum und verkaufen rote Nelken, tausend Kronen das Stück, im Vorjahr haben sie noch 500 K gekostet. Besonders begeisterte Parteigänger hängen rote Fahnen zu ihren Fen- stern heraus. Knallroter Schmuck in Kränzen, Fahnen, Schleifen ist in den Arbeiterbezirken häufig zu beobachten. Große Plakate in roten Buchstaben künden das Losungswort des Tages: Heraus mit der Altersversicherung! Hände tveg vom Achtstundentag! Um 8 Nhr sammeln
sich die Teilnehmer am großen Zug in den Prater, alles festlich geschmückt, die Arbeiterwehren in ihren Monturen, Kommandorufe und Mu sik erinnern an militärische Paraden der Vergangenheit. Das rote Wien! — Ein anderes Gesicht bietet der „bessere" Teil der Stadtbewohner, der den roten Klimbim wenigstens per sönlich nicht mitmacht, aber sich der Faulenzerei des Staats feiertages erfreut. Diese füllen, da das Wetter kalt, stürmisch und regnerisch ist, die Kaffeehäuser, Kinos und Theater. Ihnen ist „rot
Marien°Altä° ren aller Kirchen. Zahlreiche Pfarr- und Klosterkirchen halten feierliche Gottesdienste. Am Abend aber strömt alles zu den Maiandachten. In 97 Kirchen finden Mai-Andachten statt, in vielen ist täglich Predigt. Besonders feierlich ist die Andacht am 1. Mai. Was da cur Blumen- und Lichterschmuck ausge bracht wird, ist unübertrefflich. Und alle Kirchen sind zum Erdrücken voll, auch ganze Familien mit roten Nelken sind unter den andächtigen Besuchern. Alles singt zu Ehren der Himmelskönigin