blieben ihm versagt. Da war niemand, der ihn lieb hatte. Er besaß weder Eltern, noch Geschwi ster. Nur ich war ihm zugetan, weil er ein guter, braver Kerl war. Doch auch ich habe ihn bitter enttäuschen müssen. Und dennoch war er noch in letzter Stunde bereit, mir Gutes zu erweisen. Tausend Dollar! Viel Geld. Aber ich kann es nicht nehmen. Was würde auch Otto dazu sagen! Sie besann sich auf dre erste leidenschaftliche Auseinandersetzung, in ihrer Ehe. Sie waren noch nicht ein Jahr lang verheiratet
, um ihm gebührlich antworten zu können?" „Otto!" „O freilich! So muß es sein'. Nun bist du mit mir verheiratet, und da wirst du plötzlich daran erinnert, daß noch irgendwo in der Welt sich ein seiner, guter Mensch befindet, mit dem ich mich nicht vergleichen kann." „Wie magst du so reden!" „Ich mag nicht so reden, ich muß so reden! Die Tatsachen zwingen mich dazu. Dieser Bursche wagt es, dich aus seine Sehnsucht aufmerksam zu machen. Und was tust du? Du sagst mit einer Stimme, die vor Rührung und Verlangen bebt
: er ist ein feiner, guter Mensch." „Meine Stimme hat nicht gebebt." „Ja," schrie er, „sie hat gebebt! Und den ganzen Nachmittag hast du hier gesessen und mit verklär tem Blick die Karte betrachtet." „Das habe ich nicht getan!" i „Natürlich hast du es getan. Eine alte Neigung ist in dir aufgewacht, und es tut dir von Herzen leid, daß du einen Kerk wie mich geheiratet hast, während deine Neigung dem feinen, guten Men schen in Amerika gehörte." „Otto — du weißt recht gut, daß ich dich hei ratete
, weil ich dich liebte." „Weiß ich das? Nein — ich weiß es nicht mehr, seitdem ich diese Karte da gesehen habe. Du wur dest meine Frau, weil die Zeiten schlecht sind und du einen Mann brauchst, der dich ernährt." „Otto — du beleidigst mich!" „Ich bin eben kein feiner, guter Mensch, wie dein ^treuer Freund Karl, der jetzt so viel Geld verdient, daß es sich für dich wohl gelohnt hätte, auf ihn zu warten. Es geht dir natürlich sehr nahe, daß du nun erfahren hast, wie voreilig es war, mich zu heiraten. Was macht
es dir aus, daß ich — daß ich ohne dich nicht leben kann, daß ich vor Qual vergehe, wenn deine Erinnerung sich einem ande ren zuwendet." „Otto," sagte sie, „sei doch nicht so töricht! Ich liebe nur dich. Sieh mich an. Nur dich liebe ich." Er atmete tief auf. „Wenn ich doch wüßte, ob das Wahrheit ist!" „Es ist Wahrheit, Ich beweiset dir." Sie nahm die Karte und zerriß sie. Da strahlte sein Blick, und er küßte sie stür- misch. Sie fürchtete sich ein wenig vor dem, was nach ihrer Berechnung nun kommen mußte. Es wird ihn mißtrauisch machen, dachte