Seite 2. Nr. 1. Dienstag, „Brixener Chronik'. 2. Jänner 1906. XiX Jahrg. ondern nur um die Frage, ob wir es mit den Christlichsozialen noch versuchen oder Sozial demokraten werden sollen. Das sind lauter Dinge, die gleich Sturm vögeln einen gewaltigen Orkan künden — eine Gärung, die niemand besser kennt in Oesterreich als die Regierung. Die Regierung Koerber glaubte, diese ge waltig sich heranwälzende Volksbewegung noch mit den altbewährten Palliativmittelchen nieder halten
eine — Regierungstruppe sei. — Heute sehen wir die Privilegierten, den Adel, im Kampfe mit der Regierung, das Volk auf Seite der letzteren. Was ist geschehen? Sind wir schon mitten in einer Umwälzung? Was geht vor in Oester reich? Das sind bange Fragen, die aller Herzen im ganzen Reiche beschästigen. Die Antwort liegt heute schon klar zutage. Ja, wir sind mitten in einer der folgenschwersten Umwälzungen, die Oesterreich je mitgemacht hat. Die Regierungen selbst sind es, die in Oester reich-Ungarn die Umwälzung
in die Hand ge nommen haben. In Oesterreich wie in Ungarn legte die Regierung die Axt an verjährte Privi legien, in Oesterreich wie in Ungarn ist es die Regierung, die für die Gleichheit der Menschen, für gerechte Verteilung der Rechte, für allge meines und gleiches Wahlrecht eintritt. »5ustilla röAnorum kunäarnenturn« lautet der Wahlspruch des Hauses Habsburg und niemand Geringerer als unser edler Völkervater, der Kaiser selbst, ist eS, der seinen Ministern den Auftrag gab, das allgemeine und gleiche
Wahlrecht den Parka« menten vorzuschlagen, und der wiederholt sich für die absolute Notwendigkeit desselben ausgesprochen hat. Millionen Menschen jubeln in Oesterreich. „Welche Wendung durch Gottes Fügung!' rufen die Massen. „Gott segne unsern Kaiser, Gott segne Oesterreich!' klingt's aas zahllosen Kehlen an der Neige des scheidenden Jahres. Wie war das möglich? fragen sich heute Tausende. Das kann nicht sein, sagen Hunderte; das darf nicht sein, einige wenige, die glauben, selbst dem unwiderstehlich
dahinrollenden Zeiten rad in die Speichen fallen zu müssen. MI Wir wollen hier eine Erklärung des Um schwunges in Oesterreich geben, die ein Vertreter der jüdischen Hochfinanz ausgeplaudert hat und die greifbar richtig ist. Oesterreich und Ungarn find zwei Staaten, die einander wirtschaftlich ergänzen und so zu sammenpassen wie keine anderen der Welt. Was Oesterreich fehlt, Vieh, Getreide, Wein — Ungarn hat es in Urberfluß; was Ungarn braucht, Jn- dustrieartikel — Oesterreich produziert es. Ein paar Z'ffern