28. September 1925 Seite 3 Ungarn hatte deshalb auch gar keine Eile, einen Handelsvertrag mit Oesterreich abzuschließen. Trotz -des Drängens von Oesterreich schob es die Verhand lungen auf die lange Bank und als es in diesem Jahre endlich Ernst damit machte, Zeigte es sich so hartnäckig, «daß die Verhandlungen sehr bald auf den toten.'Punkt gerieten. Da änderte sich Plötzlich die Lage. Ungarn erkannte, daß es in diesem Jahr eine sehr gute Obst-, Trauben- und Ge müseernte zu erwarten
hatte, eine Freude, die ihm allerdings die Tatsache verkümmerte, daß auch Den anderen Agrarländern der nördlichen Halbku gel eine Äche Ernte beschicken ist. - Im eigenen Lande kann Ungarn seinen Erntesegen nicht un terbringen. Die ungarische Landwirtschast rief da her nach Oeffnun g der österreichischen Gre nze n, die niemand anders als Ungarn sel ber gesperrt hatte. Oesterreich, namentlich Wien, war. in den Zeiten der österreichisch-ungari schen Monarchie immer der Abnehmer des Über schusses der ungarischen
keine Zollermäßigungen zulassen, weil die ungarische Regierung sich dafür eine eigene Industrie heran züchten will, deren, Interessenten jede Zollherabset zung schroff ablehnen. Außerdem hätte dieses Pro visorium nur d rei Mo n ä t e dauern sollen, ge rades o lang e, als die ungarische Landwirt schaft sur den Absatz ihres Ueberschusses in ' Oesterreich gebraucht hätte, so daß die österreichische Industrie von den sogenannten ungarischen Zuge ständnissen gar nichts, gehabt hätte, weil drei Mo nate für industrielle
Unternehmungen nicht hinrei chen, um Bestellungen aufzunehmen, die Herstellung durchzuführen.und den Msatz zu bewerkstelligen. Dieser letzteren Einwendung versagten die un garischen Unterhändler schließlich die Berechtigung nicht. Sie wären deshalb bereit gewesen, die Dauer des Provisoriums zu verlängern^ wenn auch von ei ner einjährigen Dauer kaum die Rede war. Aber damit hätte Oesterreich bei der Herabsetzung der Zölle nur für Waren, die für die österreichische Man sagte mir drüben, daß die Überwa chung
Gegenleistung erhalten. Schließlich war Ungarn bereit, auch für die wenigen von Oesterreich bezeich neten Waren Nachlässe zu bewilligen, aber in so geringem Ausmaße, daß Oesterreich keinen nen nenswerten Vorteil davon gehabt hätte. Denn die ungarischen Tarifsätze sind so hoch, daß nur sehr kräftige Herabsetzungen einen merkbaren Einfluß auf den Absatz haben könnten. Keinesfalls war das Anerbieten eine vollwertige Gegenleistung. Daher wurden die Verhandlungen von Oesterreich abge brochen, bis Ungarn geneigt