man gestern eintrat, ist natürlich nur denkbar bei der geradezu unübertrefflichen österreichischen Vergeßlichkeit. Wo könnte, würde kritischer Sinn und Erinnerung die Fakten unseres politischen Lebens festhalten, es beispielsweise die nationalverbändlerische und christlichsoziale Presse wagen, in der Frage der Fleischversorgung eine Mache zu entfachen, die geradezu ein Attentat auf die Tatsachen der unmittelbaren Vergangenheit ist. „Nachrichten" wie „Anzeiger" äußerten sich im tiefsten Tone
des für die Not des Volkes warm empfindenden Biedermannes zornentbrannt gegen den Einspruch Ungarns, heult, bellt, tobt und schreit nach Repressalien. So begehren die „Innsbrucker Nachrichten" am vorigen Donnerstag, daß den Ungarn „Daumenschrauben angelegt werden sollen, daß ihnen Hören und Sehen vergeht". Sicherlich findet eine so radikale Schreibweise den Beifall der Öffentlichkeit, die eben darauf verges sen hat, daß gerade die Schreier von heute g e st e r n ihr Bestes dazu beigetragen haben, den Triumph
der Ungarn zu ermöglichen. Was soll man zum Beispiel sagen, wenn der Nationalverbändler Dr. Stölzl unmittelbar nach dem Scheitern der Ver handlung mit der ungarischen Regierung wegen der Fleischeinfuhr in seinem Salzburger Leibblatte einen Artikel veröffentlicht — der im Auszuge die Runde durch die nationalverbändlerische Presse machte und selbstverständlich auch in den „Inns brucker Nachrichten" zu lesen war —, worin der Mann kühnen Mutes die Regierung aufforderte, aus der Tatsache, daß Ungarn
, Schwindler und ähn liche Kosenamen, welche in den Redaktionen a la „Innsbrucker Nachrichten" stets am Lager sind und wir verlangen Unmögliches, Undurchführbares, täuschen also das Volk, so hieß es damals. Heute bekennt sich der Abgeordnete Stölzl, mit ihm viele andere Nationalverbändler, die den An trag des Teuerungsausschusses, die Grenzen unge achtet des ungarischen Einspruches zu öffnen, nie der st i m m t e n, zu der Auffassung, daß Oester reich Ungarn wegen der Fleischcinfuhr gar nicht zu Es brannte
, daß Ungarn nicht gefragt werden müsse, ungeachtet, daß sie früher diese Anschauung als „demagogisch", als „Schwin del", „Lüge" und „Volksbetörung" brandmarkten. Die „Innsbrucker Nachrichten" wagen sich sogar noch weiter und schimpfen auf die Sozialdemokra ten, daß diese nicht durch einen Generalstreik die Öffnung der Grenzen erzwingen, für deren Schlie ßung die Herren Nationalverbändler im Parla mente so mutig zu streiten wußten. Man kann so eine schändliche Kampfesweise, eine derartige aus geprägte