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Bozner Nachrichten
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Seite 1 von 8
Datum: 01.08.1923
Umfang: 8
den Weg gehen.den ich von jetzt ab viel hundert mal noch gehen sollte — den Weg von der Bank zum Lehrerpult. Ich mußte dabei an dem Jungen vorüber und wagte nicht aufgesehen — da stolperte ich und fiel zu Boden; klirrend zerbrachen meine Tafel und meine Griffel. Im selben Augenblick rie fen die Kinder im Chor: „Herr Lehrer, der Meittingcr hat ihm ein Bein gestellt I' - , „Meittinger, sofort zu mir kommen!' befahl! der Ledrer zornig — „du fängst das neue Schul jahr an, wie du das alte beendigt hast: ,als Tauge

- nichts!' Meittinger war an mir vorüber zum Katheder vorgegangen, um gleichmütig seine Strafe Zu er halten. Ick aber sah mit Schrecken, wie die Schläge auf den Knaben fielen: wie er sie lautlos hinnahm; ^ dann mtt einem Mal die Häiwe vor das Gesicht ' schlug und laut schreiend auf seine Bank zulief. Tat ^ er das Folgende nun absichtlich oder sah er wirklich nicht das offenstehende Fenster — kurz, er rannte mit dem Kopf an die Scheibe — ein Krachen und Klirren, ein Aufschreien aller Kinder — ich sah das blutende

Gesicht Meutingers in dem Fensterrahmen und mein letzter Mut war dahin: uuter Tränen floh ich aus dein 5chulzimmer und lief nach Haufe; alles, was meine erschrockene Mutter aus mir herausbrin gen konnte, war nur immer der Name: „Meittinger! Meittinger!'' — — Es ist erklärlich, wenn seit diesem Tage auch ich der Meinung des ganzen Dorfes beistimmte, daß es auf Gottes weiter Welt keinen unnützeren Jungen gäbe als den Sebastian Meittinger. Freilich kam mir später ein Zweifel, ob mir Meittinger wirklich

ein Bein gestellt hatte oder ob ich über das vor stehende fußende der Bank gestolpert war — aber wie hätten dann die Kinder sofort den Meittinger- beschuldigen können, wenn er es nicht getan? So' blieh ich bei der allgemeinen Ansicht. Und wie ich jetzt als Erwachsener erkenne, hatte sich in Sebastian Meiüingers Seele die gleiche Meinung über sich selbst allmählich festgesetzt: tagtäglich und überall und von jedermann mußte er hören, daß er zu nichts tauge,. bis er endlich selbst daran glaubte

und danach han- delte: er mußte ein böser und unnützer Junge sein, ob er wollte oder nicht — um den Glauben eines Kindes aber ist es die ernsteste Sache auf Gottes weiter Welt „Du bist cm Nichtsnutz uns nimmst einmal ein schlimmes Ende!' rief Zornig der Bürgermeister und Müller Niederreither, der seinerzeit Sebastian Meittinger „aus Gnad' und Barmherzigkeit' in sein Haus genommen harte.

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