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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 01.09.1922
Umfang: 8
. Ohne Sensationen geht es in der Erlerftraße einfach nicht.) Pelle der Eroberer. Roman von Marlin Andersen Itexö. Lasses Füße traten so unsicher in der Dunkelheit, immer häufiger mußte er die Last niedersetzen. Er ward müde und atemlos, die lichten Worte erstorben ihm auf den Lippen. „Ach. wie schwer sie is!" seufzte er, „wieviel Dreck scharrt man nich' auch zujarmnen im Lause der Zeit." Und dann saß er auf der Kiste und rang nach Atem — er konnte nicht mehr. ,Ahütte ich man bloß 'ne kleine Stärkung gehabt

," sagte er matt. „Wie dunkel und traurig «s auch über Nacht is!" „Hilf mir di« Kiste auf den Nacken!" sagt« Pelle, „denn will ich sie ein Stück wagen." Lasse wollte nicht, gab aber schließlich nach, und es ging wieder vorwärts; er lief voran und meldete, wenn Grä ben und Erdwälle kamen. „Wenn Bruder Kalle uns nu nich haben kann!" sagte er plötzlich. „Das kann er gewiß — da is ja Großmut ters Bett, das !5 breit genug für uns beide." „Wer, wenn wir nu keine Arbeit kriegen? — denn lie gen

wir ihm ja zur Last!" „Wir werden schon was kriegen — es fehlt überall an Arbeitskraft." J3a, dich nehmen sie schon mit Kußhand, aber ich bin «oll zu alt, um mich auszubieten.". Lasse hatte alle Hoff nung verloren und untergrub nun auch Pelles »Nu kann ich nich' mehr!" sagte Pelle und ließ die Kiste fallen. Sie standen mit herabhängenden Armen da und starrten aufs Geratewohl in die Dunkelheit hin- ain; Laste verriet kein Der langen, wieder zuzkMeife», vnd Pelle war jetzt erschöpft. Die Nacht lag dunkel rnn

* sie her und Mächte alles jo verlassen, als flössen sie allein im Weltraum umher. „Denn müssen wir woll sehen, daß wir weiterkommen," rief Pelle aus und wollte die Kiste wieder aufnehmen; als Lasse sich nicht rührte, gab er es auf und setzte sich hin. Sie saßen mit dem Rücken gegeneinander und konnten Las rechte Wort nicht finden — es entstand eine immer grö ßere Kluft zwischen ihnen. Lasse kroch schaudernd in der Nachtkälte zusammen. Wäre er nur zu Hause in seinem guten Bett! seufzte er. Pelle

war kurz davor zu wünschen, daß er allein ge wesen wäre, er wollte sein Vorhaben schon ausführen. Der Alte war ebenso schwer mitzuschleppen wie die Kiste. „Ich glaub', ich geh wieder zurück, du!" sagte Lasse end lich kleinmütig, „ich tauge woll nich' dazu, die losen Wege zu treten. — Und du wirst auf diese Weise ja auch nie kunfirmiert! Wenn wir zurückgingen und Kongstrup bäten, daß er ein gutes Wort bei dem Paster für uns ein legt." Laste stand da und faßte an den einen Henkel der Kifte. Pelle blieb

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 28.05.1923
Umfang: 8
im Tarisgebiet II auf K 1500.—; im Tarisgebiet III auf K 2400.—. Die Fahrpreise ohne Einheimischen-Legitimation wer m ’ Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen Rexö. -Genossen!" rief er warm — „vielleicht werden wir hier das Neue nicht erleben, aber durch uns soll es einstmals zur Wirklichkeit werden. .Die Vor sehung hat bei uns haltgemacht und hat uns aus ersehen, dafür zu kämpfen — ist das nicht eure Ehre! Seht, wir kommen ja vom Grunde des Gan zen, — : ganz nackend; das Alte haftet

uns nicht an den Kleidern, denn -wir haben teine — wir können uns in das Neue kleiden! — Den alten Gott m.t seinen Tausenden von Pfosten als Schutz gegen die Ungerechtigkeit kennen wir nicht; die Moral des Krieges Hab wir niemals gespürt — wir, die wir immer feine Opfer waren. Wir glauben an das Gute, weil wir wissen, daß es ohne den Sieg dos Guten keine Zukunft gibt. Unser Sinn ist licht uno kann das Licht aufnehmen, wir wollen unser klei nes Land emporheben und zeigen, daß es eine Mis sion auf Erden

hat. Wir, die wir selber klein sino, wollen zeigen, wie sich die Kleinen aufrecht halten und sich geltend machen durch das Prinzip der Güte. Wir wollen niemand etwas Böses, darum ist das Gute auf unserer «Seite. Nichts kann uns auf die Tauer Niederhalten! — Und jetzt geht nach Hause — eure Frauen und Kinder sitzen vielleicht da und sind m Sorge um euch!" Sie standen einen Augenblick schwerfällig da. »ls lauschten sie noch. Dann zerstreute sich die Menschenmenge in aller Stille. Als Pelle vom Wagen sprang, kam Morten

hu: und reichte ihm dre Hand. „Du bist stark, Pelle!" sagte er ruhig. „Woher kommst da denn?" fragte Pelle froh | überrascht. „Ich bin heute nachmittag mit dem Dampfer ge kommen -und ging gleich ins Geschäft Brnn '-e- > den betragen: für das Tarifgebiet I K 2000.—; für Tarifgebiet II K 2200.—; für Tarifgebiet III bleibt der Fahrpreis auf K 3000.—. Sommerfahrplan der österreichischen Bundes bahnen ab 1. Juni. Mit 1. Juni 1923 tritt auf den österreichischen Bundesbahnen ein neuer Fahrplan in Kraft.' Tie

mit harter Hand begegnet," sagte Pelle ernsthaft. „Gut, daß es dir gelang, sie umzustimmen. Ich habe inr Süden diese Kundgebungen gesehen, wo Polizei und Soldaten elende Arbeitslose nicder- reiteu — das ist ein trauriges Schauspiel." Sie gingen über die Felder nach der „Morgen dämmerung" hinaus. „Daß du wieder heimgekehrt bist!" sagte Pelle nochmals kindlich. „Du hast ja nicht ein Wort davon geschrieben!" „Es war auch meine Absicht, noch ein paar.Mo nate sortzubteiben; aber dann, eines Tages, sah

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 18.04.1923
Umfang: 8
, sondern waren auf der Stelle wie äbgehanen. Die Maschinen kosteten Geld. Pelle konnte es von Brun erhalten, der Alte hatte ihm oft genug Kapi tal angeboten. um irgend etwas anzusangen. Aber er schuldete ihm bereits Geld, und wenn nun das Kapital sein Unternehmen niederrannte? Es war aus seinem Posten und duldete dergleichen Wirk samkeiten nicht neben sich. Es war eine Unsicherheit über ihn gekommen, er hatte nicht den Mut, den «Einsatz zu wagen. Der alte Philosoph kam fast täglich, Pelle war ein Teil seines Lebens

mit allerlei Sticheleien, um Pelle aus seinem schlaf artigen Zustand zu reißen. Dann schüttelte sich Pelle ungeduldig. Don allen Seiten stichelten sie an ihm herum und wollten, daß er eine Wahl treffen sollte — und er konnte seinen Weg nicht sehen! Ja, wohl lag er im Schlummer — er merkte es selbst recht gut. Er fühlte sich wie jemand, der dem allem entrückt war. und verlangte Ruhe — sein Wesen arbeitete für ihn da draußen im Ungewissen. „Ich weiß ja nichts," sagte er halb gereizt, „was kann es da nützen

. „Lasten Sie uns jetzt sehen, ob es auch Sie befriedigen kann." Es war Darwins „Kamps ums Dasein". Pelle las wie in einem Nebel. Hier war ja der Punkt, das Ganze mächtig zusammengefaßt zu einem einzigen Satz. Es kochte in seinem Gehirn, er konnte das Buch nicht wieder hinlegen, sondern fuhr die ganze Nacht fort, darin zu lesen, verzaubert und entsetzt über die unbarmherzige Aussicht. Als Ellen verwundert mrt dem Morgemaffee herunter kam. war er mit dem Buch fertig; er antwortete

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 14.05.1923
Umfang: 8
versäumte er, selbst die reichste Ernte erschien ja lächerlich klein neben seinen gol denen Träumen — da konnten seinetwegen die Felder brachliegen und Unkraut tragen. Ellen war ebenso bestürzt wie Pelle bei dem Ge danken, die „Morgendämmerung" verlassen zu sol len; dies war ihr Heim, ihr Nest; all ihr Glück und Gedeihen hing im Grunde mit diesem Fleck zusam men. „Sie können ja das Haus kaufen", sagte der Bauer. „Ich habe ein Angebot von fünfzehntau- send — dafür will ich es hergeoen." Nachdem

er gegangen war, saßen sie da und überlegten. „Das ist sehr billig", sagte Brun. „In ein paar Jahren zieht sich die SMdt bis hier hinaus, und dann ist es mindestens das Doppelte wert!" „Ja, das mag gern sein", erwiderte Pelle, „Aber diese Summe soll beschafft und auch verzinst wer den." „Es stehen ja achttausend als erste Hypothek, und der Hypothekenverein leiht die Hälfte — das macht zwölf. Dann fehlen nur noch dreitausend, und die als dritte Hypothek hineinzustecken, bin ich nicht bange", sagte Brun

. Aber das wollte Pelle nicht. „Für Ihr Geld be.ornmen wir noch Verwendung genug in unserem Betrieb", sag e er. „Ja, ja, aber wenn ihr das Haus instand seßet und es tarieren laßt, so bin ich überzeugt, daß ihr die ganzen sünfz.'hnlqufcnd von den D e 'ehnever- einen erhalten könnt", sagte Brun. .Ich q uu;c, ihr werdet euch gut dabei'stehen!" Ellen hatte Papier, und Bleistift geholt und saß t nun da und rechnete. „Wie viele Prozente rechnet ! man für Zinsen n«L Abzahlungen?' fragte sie. > messenheit (her Kaminfeger

du nicht auch, Pellet" „Nein, ich finde, es ist ein ganz wilder Gedanke." erwiderte Pelle. „Wir laden uns da eine Haus- miete von siebenhundertundsünfzig Kronen auf." Ellen war nicht bange vor der Hausmiete. Die konnten das Haus und der Garten wohl tragen. „In ein paar Jahren können wir den Grund und Boden als Bauplätze verkaufen und viel Geld ver dienen", sagte sie. Ihre.Wangen glühten. Pelle lachte. „Ja, die Spekulation — geht denn der Hügelbauer nicht daran zugrunde?" Er hatte genug um die Ohren und empfand

kein Bedürfnis, sich auch noch die Beschwerden, die ein eigenes Haus verursachte, aufzuladen. Aber Ellen wurde immer erpichter darauf. „Dann kauf du es doch!" sagte Pelle lachend. „Ich habe keine Lust. Millionär zu werden." Ja, das wollte Ellen gern. „Aber dann soll das Haus mir auch gehören", erklärte sie. „Und wenn ich Geld darauf verdiene, will ich auch das Recht haben, es ganz so zu verwenden, wie es mir paßt. Es soll nicht in eure bodenlose Genossenschastskasie gcP.n." Die Männer lachten. „Brun

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 04.07.1922
Umfang: 8
); Schweiz und übriges Ausland 1200 Kronen (früherer Abo nnem entspreis 2400, jetzt 3600 Kronen). Wir ersuchm, den Differenzbetrag in einem eingeschriebenes Briefe baldigst zu über mitteln. Die Verwaltung. 821 Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen Rexö. „Was für Einfälle du auch immer hast! Dü kannst gut werden, wenn man dir nicht beizeiten einen Stopper davorsetzt! Ich glaub', weiß Gott, du bist nich' recht bei Trost, so unverschämt, wie du bist!" Lasse murmelte noch eine Weile allerlei

vor sich hm, aber dann blieb er stehen und beugte sich über den Jungen. „Na, denn faß mal an, du dummer Jung', aber vor sichtig, hörst du! Und daß du mir keinen Schritt damit machst!" Pelle klemmte die Flasche mit den Armen gegen den Körper, er wagt« nicht, sich auf seine Hände zu verlosten; der Magen schob sich weit vor, um mit zu tragen. Lasse stand da und hielt di« Hände unter der Flasche bereit, sie aufzufangen, wenn sie fiel. „So, nu is es genug," sagte er fieberhaft erregt und nahm die Flasche. „Sie ist schwer

!" sagte Pelle bewundernd und ging be friedigt weiter an der Hand seines Vaters. „Aber warum will er sich eigentlich losschwören?" fragte er. „Weil man ihn beschuldigte, einem Mädchen ein Kind gemocht zu haben. Hast du das denn nich' gehört?" Pelle nickte. „Hat er es denn nich' getan? Alle sagen es doch?" „Das kann man doch woll nich' gut glauben; das würde ja die sichere Hölle für Per Olsen fein. Aber das Mädchen sagt ja, daß e r es is und kein anderer, weiht >n. Ach ja, die Mädchen

und der Sohn und der Heilige Gefft. Aber wenn er falsch schwört, kann der Landeshauptmann es gleich sehen, denn denn sind da rote Blutflecke auf den Blättern der Schrift." „Und was denn?" fragte Pelle gespannt. „Ja, denn welken seine drei Finger hin, und es frißt sich ihm weiter in den Körper 'rein. Solche Leute leiden schrecklich, sie verfaulen ganz und gar." „Kommen sie denn nich' in die Hölle?" „Jo, da kommen sie auch hin. Wenn sie sich nich' selbst melden und ihre Strafe hinnehmen

.) Dann schildert Redner an Hand reichen Materials das Wir ken der „Techn. Nothilfe", welche, da sie keine Arbeiter bekommt, sondern nur Studenten, Bürgersöhne, früher« „Nee, denn kämen sie ja um die Hölle weg. Und das is 'ne abgemachte Sache mit dem Satan, daß er alle die haben soll, die sich nich' selbst angeben, verstehst dul" Pelle schauderte. Eine Weile ging er schweigend an des Vaters Hand dahin. Aber dann hatte er das Ganze ver gessen. „Der Oheim Kalle is woll reich?" fragte er. „Reich is er woll nich

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 27.09.1922
Umfang: 8
vor dem Schwurgericht. • Gestern um 9 Uhr vormittags begann der auf drei Tage anberaumte Mordprozeß gegen Alois Saxinger unter dem Vorsitze des Hofrates Dr. Ratz. Die Verteidi gung hat Rechtsanwalt Dr. Klimofch übernommen. Staatsanwalt Dr. Haupt vertritt die Anklage. Alois Saxinger wird beschuldigt, am 38. November 1921 beim Gramartboden die Kellnerin Maria Fe der er, die zuletzt in einem Bozner Hoiel bedienster war, ermordet und beraubt zu haben. 731 Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen Nexö. Der Hof

hier war auch wie eine große Wiege, die in dem unsicheren Mondlicht ging und ging, und als Pelle sich erst ganz dahineingegeben hatte, wollte alles das, was aus den Kindheitsjahren dort aufstieg, kein Ende mehr nehmen. Das ganze Dasein mußte vorbei und über feinen Kopf hinwackeln wie damals, und die Erde mußte sich überall, wo nur ein dunkler Flecken war, zu Ab gründen auftun. — Und das Weinen sickerte heraus — jchicksalsschwanger — und übergoß das Ganze, so daß Kongstrup wie ein begossener Pudel von dannen schlich

und die anderen böse und unregierlich wurden. Und Lasse — ja, wo war Vater Lasse? Pelle stand mit einem Sprung in der Draustube und klopfte an die Tür zu der Mägde kammer. „Bist du es. Anders?" flüsterte eine Stimme von drin nen, und dann tat sich die Tür auf, und ein Paar Arme umfaßten ihn warm und zogen ihn hinein. Pelle stieß um sich, seine Hände sanken in einen nackten Busen — es war ja wohl die blonde Marie: .Ls Karna noch hier?" sragte er. „Kann ich nich' mal mit Karna sprechen?" Sie freuten

Sommerfrischlerei sind nach seiner Aussage aus seinen „Wo is Vater Laste?" fragte Pelle nun; er hatte einen i Kloß im Halse, wenn er den Vater nur nannte. „Ja, ja, laß dir man Zeit, denn will ich dich hinbeglei ten. — Wie fein im Zeug du doch geworden bist, ich hält' dich beinah gar mch' wiedergekannt. Nich', Marie?" „Er is 'n süßen Jung — das is er immer gewesen", jagte Marie und stieß mit dem hochspannigen Fuß nach ihm — sie war wieder im Bett. „Es is derselbe Anzug, den ich immer gehabt habe", sagte Pelle

. „Ja, ja, aber dann trägst du ihn anders — da in der Stadt sehen sie ja all wie die Grafen aus. Woll'n wir denn gehen?" Pelle sagte der blonden Marie freundlich Lebewohl, es fiel ihm ein, daß er ihr viel zu verdanken habe. Sie sah ihn so sonderbar an und wollte seine Hand unter das Qberbett ziehen „Was is es denn mit dem Vater?" fragte er ungedul dig, sobald sie draußen waren. Ja, Laste, der hatte also Reißaus genommen! Er hatte es nicht aushalten können, als Pelle fort war. Die Ar beit war auch zu schwer

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 11.05.1923
Umfang: 8
und völkischen Kreise, als die wahrhaft echten Deutschen, gerade sie sind es, die ihre Angestellten mit völkischen Phrasen, statt mit anständigen Gehältern befriedigen, sie sind es, die es verstanden haben, durch eigene und anderer „völkische" Aufklärung die Handelsangestellten zu „braven" Deutschen heranzuziehen — und heute, wo es gilt, eine wahrhaft nationale Tat zu 3191 Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen Nexö. Pelle hatte den Kragen über die Ohren ausge schlagen, ihm war so recht wohlig zumute

, daß er so wie die großen Brückenpfeiler sein Eigentliches unter der Oberfläche hatte. So un ansehnlich er auch aufragte, ruhte er auf einer großen Unterlage; die Einsamkeit um ihn her ent schleierte ihm das und bewirkte, daß er sich mäch tig fühlte. Während man sein Unternehmen über sah, wollte er es so stark machen, daß sie mit der Stirn dagegen rannten, wenn sie erwachten. Pelle war glücklich, auf dem Lande zu wohnen, es war sein Traum, daß einstamals auch die Ar beiter wieder hier hinausziehen sollten. Die Stadt

war wie Opium, die elendesten Armen erträumten sich darin das Glück; und wenn sie erst Geschmack daran gesunden hatten, waren sie nicht mehr imstande, wieder hinauszureisen nach dem schlichten Alltag. Es lag rmmer etwas Entsetzliches hinter der Physiognomie der Stadt, als laure sie nur darauf, Menschen in das Netz zu ziehen und sie auszusaugen. Am Tage konnte dres von den vie len Lauten verschleiert werden, aber die Dunkelheit trug es an die Oberfläche. Jeden Abend, ehe Pelle zu Bett ging, mußte er hinaus

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 28.09.1922
Umfang: 8
für die Aermsten, die noch nich' geboren sind!" Dann oer- sank er in Sinnen, wie gewöhnlich, wenn er an Klein- Jörg dachte, der nicht zur Welt kommen und seinen Na men und das Ebenbild seiner Person annehmen und für ihn weitersühren wollte. Da lag nun sein Glaube, da war nichts zu machen. Und die anderen fingen an, leis« zu sprechen, um ihn nicht in seiner Andacht zu stören. Pelle tummelte sich mit allem zwischen Himmel und Erde und hatte seine abstehenden Ohren jedem Wort zu- gewandt, das fiel

; aber wenn die Rede auf den Tod kam, dann gähnte er. Er war selbst nie ernstlich krank gewesen, und seit Mutter Bengta starb, hatte der Tod keinen Ein griff in seine Welt getan — glücklicherweise, denn da hieß ies: Alles oder nichts, Pelle hatte nur Vater Lasse. Für Pelle existierte der hartnäckige Tod gar nicht, er begriff nicht, daß sich die Leute mit der Nase in die Luft hinlegen konntetz, so viel wie es hier zu beobachten gab — die Stadt gab schon genug zu tun. hohen Fahrpreis« — kein Vertreter erschienen

, 100 polnische Mark — 0-6i/s Franken. Papierwucher und Zeikungspreis. Der Preis für Ro- tationspapier war im August mit 1150 K für die ra tionierte Quote der Zeitungen gewiß nicht zu niedrig be messen. Der Septembermdex war 91 Prozent. Das i Gleich am ersten Abend jagte er hinaus und suchte die J anderen Knaben auf, gerade dahinein, wo der Schwarm ! am dichtesten war. Da war nichts, worauf er zu warten brauchte, Pelle war daran gewöhnt, sich Geltung zu ver schaffen. „Was für 'ne Göre

is das?" sagten sie und scharten sich um ihn. „Ich bin Pelle", sagt« «r und stand sicher mitten in der Schar und sah sie alle an. „Ich bin auf Steinhvf ge wesen, seit ich acht Jahr alt war, und das is der größte Hof im Nordland." Er hatte die Hände in die Taschen gesteckt und spuckte gleichgültig aus, denn dies war ja noch gar nichts gegen das, was'er noch im Hinterhalt hatte. „Na, denn bist du ja ein Bauer", sagte einer, und die anderen lachten. Nud war unter ihnen. „Ja," sagte Pelle, „und ich Hab' versucht

zil pflügen — und Mengkorn für die Kälber zu mähen." Sie blinzelten einander zu. „B i st du wirklich ein Bauer?" „Ja woll, bin ich das", antwortete Pelle verwirrt; sie betonten das Wort auf eine eigene Weise, wie er jetzt bemerkte. Da brachen sie in ein Gelächter aus: „Er gesteht es selbst ein. Und er is vom größten Hof — er is der größte Bauer im Lande." «Nein, der Bauer, der hieß ja Kongstrup", sagte Pelle bescheiden, — »ich war nur Hirtenjunge." Sie brüllten vor Lachen. „Er versteht es nich

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 18.08.1922
Umfang: 8
haben die Kinderfreunde unsere Kinder beschäftigt, körperlich und geistig ertüchtigt, im sozialistischen Sinne erzogen. Ihre Bücherstelle hat meinem Jahre mehr als 100.000 Bücher an die Mitglieder abgegeben. Hunderttausend Mitkämpfer M1 Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen iNexö. Mitten in dem dichtesten Schwarm ging ein großer Mann und deklamierte glückselig, die Stirn in den Wol ken. Er war einen Kopf größer als die anderen und sehr breit, aber die Güte leuchtete ihm aus den Augen, er wollte alle umarmen

. Sie wichen schreiend zur Seite, so daß ein breiter Weg entstand, wo er ging. Pelle hielt sich hinter ihm und drang durch die dichteste Meng« hin durch: da drinnen standen Gerichtsdiener und Holzwärter, jeder auf dem ihm angewiesenen Posten, aus dicke Knüt tel gestützt. Sie hielten Wache mit Augen und Ohren, mischten sich aber in nicht» ein. Man sagte, sie hätten Handeisen in der Tasche. Pelle war auf seiner verzweifelten Suche auf den Weg hinurrtergekommen. Wagen auf Wagen arbeitete sich vor sichtig

durch die Dunkelheit unter den Bäumen, dann rollten sie weiter in dem blendenden Abendlicht und bo gen mit lautem Knallen auf die Landstraße ein. Das waren die „Heiligen", die nach Haufe fuhren. Er überlegte, wie spät es wohl sein möge, und fragte einen Mann, wie viel die Uhr sei. Neun! Pelle mußte lausen, um nicht zu spät nach dem Wagen zu kommen. Auf dem Wagen saßen Karl Johan und die blonde Marie und aßen. „Komm herauf und iß auch!" sagten sie. Pelle hatte einen Heißhunger, er vergaß

sich in einer Prügelei. Andere mischten sich dahinein und nahmen Partei, ohne sich um die Cr- klärungen zu kümmern. Dann kam die Obrigkeit und schlug mit Stöcken drein.; wer nicht -davonlief, ward gebunden und in einen leeren Stall geworfen. Pelle war ganz krank und hielt sich dicht an Karl Jo han, es durchzuckte ihn jedesmal, wenn sich eine Bande ihnen näherte. „Wo ist Vater Laste?" sagte er kläglich. „Woll'n wir nich' hin und ihn suchen?" „Ach, halt' den Mund!" ries -der Großknecht, der da stand

Arbeiter bereits entlasten wurden, die neuerliche Entlastung von 1000 Arbeitern angekündigt. Nach einer Schätzung beträgt die Zahl der Arbeitslosen in der Tsche- choslowa-te-i 380.000. Die „Tribuna" weist auf die Arbeits krise hin, die infolge des rapiden Steigens der tschechischen Krone -immer stärker werde. Der Auslandskurs der tsche chischen Krone sei jeder Regelung entglitten und es laste sich nicht bestimmen, wohin dies noch führen werde. Pelle mußte daran, so unheimlich es ihm war, sich un» -ter

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 22.03.1923
Umfang: 8
zur Linken eine Frau wohne, die nähe? Sie sei von ihrem Mann verlassen und 'habe zwei Kinder, drei, verbesserte er sich demütig. , — Wo sie denn geblieben war? Der Vizewirt war neu im Hause und konnte keinen Bescheid geben. Dann ging er wieder ins Haus hinauf und erkundigte sich von Stockwerk zu Stockwerk, aber ohne Ergebnis! Arme Leute pflegen nie lange in einem Hausp zu wohnen. Pelle schleuderte aufs Geratewohl die Straße entlang. Er dachte nicht daran, sich um Ellens Adresse zu bemühen, sondern sank

springend über Hinder nisse. Die Taschen hatten sie auf den Rücken ge schnallt, die blauen Mützenbänder klatschten ihnen um die Ohren wie Wimpel. Pelle setzte sich auf eine Bank und verfolgte zer streut ihr rücksichtsloses Spiel, während die Ge danken zu seiner eigenen Knabenzeit zurückschweis- ten. Ein Bursche von zehn, elf Jahren führte mrt halsbrecherischen Kunststücken an, während er rief und kommandierte; er war der Führer der Bande und hielt seine Stellung mit harter Hand aufrecht. Das Gesicht

mit der Stutznase strahlte von frischer Unverschämtheit, die Mütze ritt aus zwei gehörigen Klappohren. Die Jungen singen an. den Fremden zur Ziel scheibe ihres Uebermutes zu machen. Während sie vorübersausten, taten sie so, als verlören sie die Herrschaft über ihre Maschine, so daß sie seinen Beinen einen Stoß versetzte, und plötzlich riß ihm der Anführer die Mütze ab. Pelle nahm sie ruhig wieder auf, aber als der Junge in vorsichtigen Win dungen zurückgekreist kam, als sinne er auf einen neuen Gaunerstreich

- es* wand sich wie nn Rasender, um frei zu kommen. Pelle ließ ihn ver- Volkswirtschaft. Zürich« Devisen vom 21.März. Berlin 100 Mark«-- 0-0260 Franken, Wien 100 Kronen --- 0‘0074V4 Franken, d.-ö. Noten 0-0075, Holland 100 Gulden --- 213-06 Franken, Newyork 100 Dollar 541-60 Franken, London 1 Pfund Sterling --- 25-40 Franken, Paris 100 Francs 35-85 Franken, Mailand 100 Lire — 26-22 Franken. Prag 100 Kronen = 16-02i/z Franken, Budapest 100 Kronen -- 0-13 Franken, 100 polnische Mark --- 0*0155 Franken

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 15.01.1923
Umfang: 8
| herum und warteten daraus, daß Pelle fertig wer- . den sollte. Sie wollten nicht ohne ihn Weihnach- ' ten feiern. Aber nun machte auch er Feierabend; er warf eine Jacke über, packte die Arbeit ein und ; lief davon. Draußen aus der Plattform blieb er einen Augenblick stehen. Er konnte den Lichtschein aus der'Stadt an dem tief mit Sternen übersäten Him mel ausblinzeln sehen. Die Nacht war so feierlich ^schön. Unter ihm hing das Holzwerk verlosten und seufzte im Frost.; alle Türen waren geschlosten

ein . Paar ftagende Augen empor, um nach dem Weih nachtsstern zu spähen! — Bei Frau Franzen war -Licht. Sie hatte heute ein weißes Tuch vor das Fenster gehängt und es stramm, davorgezogen; die Lampe stand dicht neben der Gardine, so daß der jenige, der sich da drinnen bewegte, keinen Schatten ' darauf werfen konnte. Das arme, alle Wurm! ^dachte Pelle, während er lief — die Mühe könnte sie sich gewiß sparen. Als er die Arbeit abgeliefert chatte, lies er in die Holbergstraße hinüber, um El len

ein fröhliches Fest zu wünschen. In seiner Stube war festlich gedeckt, als er wie der nach Hause kam: Schweinskarbonade, Reisbrei und Weihnachtsbier. Marie glühte vor Stolz über -ihr Werk; sie saß da und nötigte die anderen, aß aber selbst fast nichts. „Solch gutes Esten solltest du jeden Tag machen, ! Deern!" sagte Karl und hieb ein. „Du könntest, weiß Gott, in der königlichen Küche angestellt wer den!" „Warum ißt du denn gar nicht von dem schönen Esten?" fragte Pelle. „Ach nein, ich kann nicht", antwortete

Franzen hinüber — es war ein Jammer, daß sie nicht mit dabei sein wollte. Jetzt brannten da drüben fünf Lichter — sie saßen offenbar auf einem kleinen Tannenbaum in einem Blumentopf. Sie bewegten sich wie ferne Sterne durch den weißen Vorhang, und Frau Franzens Stimme klang dünn und gesprungen: „O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit?" Pelle öffnete das Fenster und lauschte; es wunderte ihn. daß die arme Alle so fröhlich sein konnte. Plötzlich ertönte eine warnende Stimme vou

?" Ms keine Antwort er folgte, gingen sie. Die alte Franzen ging in ihre Stube hinein und schloß ab; sie war müde und sorgenvoll und wollte zu Bett gehen. Aber nach einer Weile kam sie über den langen Gang gelatscht. „Pelle", flüsterte sie. „er liegt in meiner Stube! Während sie auf den Dächern herumkrabbelten, hat er sich ganz leise über den Boden heruntergeschlichen und in mein Bette geleg:. Großer Gott, seit vier Monaten hat er in keinem Bett gelegen — er schnarcht schon!" Dann schlich sie wieder hinaus

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 5 von 8
Datum: 21.06.1922
Umfang: 8
die Fronieichnamsprozession abgehalten werden und waren die Vorbereitungen dazu schon ziemlich ge troffen, sogar ein paar „Knipser" standen schon bereit, um die Festlichkeit zu. verewigen. Doch man hatte die Rechnung ohne des Pfarrers Laune gemacht. Dem Pelle der Eroberer. Roman von Martin Andersen Rexö, Pelle war ein kleiner, harmonisch gebauter Bursche, er hatte sich eine gewisse Rundlichkeit zugelegt, seit er nach Steinhof gekommen war. Die Haut strammie sich leuchtend über den Körper und hatte eine warme, son- nengebrannte

Farbe. Rud hatte einen dünnen Hals im Verhältnis zu dem Kopf, die Stirn war eckig und voller Narben infolge von vielem Fallen. Es fehlte ihm an einer festen Herrschaft über seine Glieder, er hatte ein eigenes Talent, sich zu stoßen und zu verletzen; rings umher an feinem ganzen Leibe wimmelt« es von blau unterlaufenen Stellen, di« gar nicht wieder Weggehen wollten — er hatte schlechte Heilhaut. Aber er war nicht so redlich in seinem Neid wie Pelle; er prahlte mit sei-, nen Gebrechen

, bis sie wie lauter Vorzüge erschienen, so daß ihn Pelle schließlich aus ehrlichem Herzen be neidete. Rud besah nicht Pelles offenen Sinn für die Welt, aber er hatte mehr Instinkt und in gewissen Punkten ein fast geniales Talent, das zu erfassen, was Pelle erst durch Erfahrung lernen mußte. Er war schon in gewissem Maße geizig — und mißtrauisch, ohne bestimmte Ge danken damit zu verbinden. Er verzehrte den Löwen anteil des Essens und hatte zahlreiche Ausreden, um sich um die Arbeit zu drücken. Hinter ihrem Spiel

lag, in die kindlichsten Formen ge kleidet, ein Kampf um die Uebermacht, und Pelle war bis auf weiteres derjenige, der den kürzeren zog; schlimm stenfalls verstand Rud es immer, zu seinen guten Eigen schaften zu reden und sic gegen ihn zu wenden. dauerten nämlich die Vorbereitungen schon zu lange, und als der „Madlerfuhn" noch aus der Kirche hinausgetra gen werden sollte, verbot er dies mit detz Worten: „Der Fuhn bleibt do!" Dem Kirchprobst und drei anderen Mandern, die den „Himmel" tragen sollten

sichereren Eroberungszuge vom Westen nach Und bei alledem waren sie die besten Freunde von der Welt und konnten einander nicht entbehren. Pelle sah, wenn er allein war, sehnsüchtig nach der Hütte der „Sau" hinüber, und Rud riß von zu Hause aus, sobald es ihm nur möglich war. Es hatte, trotz Lasse, am Margen stark geregnet, und Pelle war bis auf die Haut durchnäßt. Letzt zog der blauschwarze Schauer da draußen über das Meer hin, und die Boote standen mitten darin, alle die roten Segel gehißt, und kamen

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 27.09.1922
Umfang: 8
angezogen; er wollte auf den Markt mit einem Bündle Wäsche, das der Schlachter aus Aaker seiner Mutter nach Hause mit- nehmen sollte, und Pelle ging hinter ihm her und trug das Bändel. Der kleine Nikas begrüßte viele freundliche Dienstmädchen ringsumher in den Häusern, und Pelle fand, daß es ergötzlicher fei, neben ihm zu gehen als hinterdrein — man war doch zu zweien, um zusammen zugehen. Aber jedesmal, wenn er an die Seite des Ge sellen trat, stieß ihn dieser in den Rinnstein. Schließlich siel Pelle

über ein Rinnsteinbrett, und dann gab er es auf. Oben in der Straße stand der verrückte Uhrmacher am Rande seiner hohen Treppe und schwenkte mit einem Ge wicht; es hing an einer langen Schnur; mit den Fingern folgte er den Pendelschwingungen, als zähle er die Zeit. Das war sehr spannend, aber Pelle fürchtete, daß es dem Gesellen entgehen könne. „Der Uhrmacher experimentiert wohl nur", sagte er lebhaft. „Halt's Maul", rief der kleine Nikas kurz angebunden. Da fiel es lfZelle ein, daß er nicht reden durfte

; da war hun derterlei zu beobachten — und des Kohlenhändlers Hund mußte einen Fußtritt hinten vor kriegen, während er in gutem Glauben dastand und einen Eckstein beschnüf felte. Ein Leichenzug kam ihnen entgegen, der Geselle ging entblößten Hauptes daran vorüber/ und Pelle tat wie er. Ganz hinten im Zuge kam Schneider Bjerregrav auf seinen Krücken; er folgte bei allen Begräbnissen und ging immer ganz hinten, weil seine Gangart so großen Spiel raum erforderte. Er stand still und sah zu Boden nieder

über die Knie herab. Es war nicht ganz sicher, daß der Geselle das entdeckt hatte. „Bjerregrav hat vergessen " „Halt's Maul!" Der kleine Nikas machte einen Ruck nach hinten, und Pelle duckte den Kopf und preßte die Hand fest gegen den Mund. Aber oben in der Staalstraße war ein großer Auflauf, ein mächtig fettes Frauenzimmer stand da und zankte sich mit zwei Seeleuten. Sie war in Nachtmütze und Umer- rock, und Pelle kannte sie. „Das is die S a u", sagte er aufgeräumt — »sic is ein fürchterliches Frauenzimmer

, so daß er sich aus die Treppe des Bildschnitzers niedersetzen mußte. „Eins, zwei, drei, vier — jo jetzt komm!" Er zählt« zehn Schritte vorwärts und setzte sich in Bewegung. „Aber Gott sei dir gnädig, wenn du nich' den Abstand ein hältst." Pelle hielt redlich den Abstand imie, aber wütend war er, und slugs entdeckte er, daß der kleine Nikas ebenso wie der alte Ieppe ein viel zu großes Hinterteil hatte. Das kam gewiß von dem vielen Sitzen — man wurde krumm m den Leisten. Er streckte den Hintern tüchtig heraus und schlug

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Volkszeitung/Deutsche Volkszeitung
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Seite 6 von 8
Datum: 20.12.1922
Umfang: 8
. Mehrere Kugeln sie verteilt werden, und aus ihrer Mitte wählten sie dann einerr, der denr Ganzen vorstehen konnte. Aus diese Weise ließ sich die Frage lösen — jeder Mann erhielt den vollen Ertrag seiner Arbeit. Als er seinen Plan gründlich durchdacht hatte, ging er damit zu Morten. „Das haben sie ja schon in der Bewegung vor gebracht!" rief Morten aus und zog ein Buch her aus. „Aber es ging sonderbarerweise nicht. Wo hast du die Idee her?" „Die habe ich selbst ausfindig gemacht", erwi derte Pelle

mit Selbstgefühl. Morten sah ein wenig ungläubig aus, er schlug im Buch nach und zeigte Pelle, wie seine Idee skiz ziert war — fast Wort für Wort — als Glied in dem Vorwärtsrücken. Es war ein Werk über den Sozialismus. Nein, Pelle verlor deswegen den Mut nicht! Er war stolz darauf, etwas erfunden zn haben, aus das auch andere gekommen waren — gelehrte Leute obendrein! Er fing an, Vertrauen zu seinen eigenen Gedanken zu bekommen, und besuchte eif rig Versammlungen und Vorträge. Kräfte und Mut

- ten ernsthaft. Pelle sah ihn schnell an. Er konnte Mortens doppelsinnige Art und Weise zu reden nicht leiden. Sie machte ihn unsicher. „Kannst du nicht ebensogut vernünftig spre chen?" sagte er; „ich kann dich nicht verstehen." „Nicht? — Aber es ist wohl Grund genug dazu da. Unmengen von Grund aus alten Zeiten her. Zum Teufel auch! Wozu sollen sie gerade einen Grund von gestern haben! Könntest du dir nicht denken, daß der Arbeiter — der so lange die Tret mühle in dem Glauben getreten

ungläubigen Ausdruck bemerkte. ; „Nein, denn ich habe keinen Größenwahn," er widerte Pelle lachend — „und du bist auch kein Prophet, der so große Dinge weissagen kann. Aber . ich habe Verstand genug, um auszurechnen, daß, - wenn man Lärm machen will, man unbedingt' einen bestimmten Grund haben muß worüber man Lärm macht. Sonst geht die «Sache nicht. Das mit dem hölzernen Pferd ist nicht hinrei chend!" „Es kommt wohl darauf an. wie viele Lärm machen", erwiderte Morten. „Woran sich alle be teiligen, dafür

braucht man wohl keine Gründe anzugeben." * * Pelle grübelte während der Arbeit weiter dar über nach; es ging nicht mit diesen Erwägungen so im allgemeinen; was sich von dieser Art in sei ner Gedankenwelt regte, war durch Generationen festgenagelt und handelte hauptsächlich von Tod und Leben. Er mußte praktisch zugreifen und ging wieder auf seine eigene große Erfahrung zurück —: Pichelmeier war überflüssig, dafür hatte Pelle selbst den Beweis geliefert! Und es lag auch nichts un Wege, weshalb

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