„Herr Gott!' Mit geisterbleichem Gesicht starrte sie aus das Bild, und nach dem ersten Ausruf kam es hastend und stammelnd: „Der arme, arme Mensch!' 14. „Ja, aber um Gottes willen, Frau Gräfin, kennen Sie den Mann denn? Vermuten Sie, wer sein Mörder war? . . . Daun müssen Sie doch nähere Angaben machen...' Gräfin Marigold schüttelte den Kopf nnd sah mich mit ihren stahlgrauen Augen, die jetzt etwas merkwürdig Kaltes hatten, starr an. Ihr Verdacht richtet sich auf Gräfin Lolita
Sie ihn?' fragte sie. „Jawohl, ich habe ihn in Sibberton gesehen, wenn ich mich nicht sehr irre!' „Gesehen haben Sie ihn? Das ist unmöglich! Dann wäre es sein Geist. Richard Kien ist vor Jahren gestorben.' „Nein, ich habe Richard Kien in eigenster Person von Fleisch nud Blut gesehen!' „Das ist nicht möglich! Sie wollen mir etwas Vorreden; der Mann zählt nicht mehr zu den Lebenden!' „Woher wissen Sie denn das, Fran Gräfin?' Meine Mitteilung hatte ihr alles Blut aus dem Gesicht ge trieben; aschgran
er sich absichtlich solch reduziertes Äußere gegeben.' „Ja, wenn er also wirklich zurückgekommen ist, dann bedeutet das Unheil!' rief die Gräfin, die noch immer ganz blaß war, ob gleich sie etwas ruhiger sprach; „die Tatsache, daß er nicht tot ist, wie wir alle geglaubt haben, ändert meine Anschannng in betreff des Verbrechens und der Veranlassung dazu vollständig.' „Sie halten deu Maun für den Mörder?' „Nein, das ist unmöglich,' gab sie rasch zur Antwort; „triftige Gründe, sehr triftige Gründe schließen
diese Vermutung ganz ans.' „Ist denn der Mann so achtbar?' Ich fragte es, um mehr von der Gräfin zn erfahren. „Achtbar!' Sie sprach mir das Wort nach. „Nun, daß Sie es nur wissen, es ist der einzige Mensch in der ganzen Welt, der .. . doch nein, sagen Sie, Rndhnse, Sie sind doch Georgs Freund?' „Warum fragen Sie danach? Darf ich darum nicht die Wahr heit wissen?' „Sie dürfen das Geheimnis meiner Schwägerin Lolita nicht wissen. Ich darf ihr Vertrauen nicht hintergehen.' Ganz gefaßt und sicher hatte Marigold
diese Worte gesprochen. Ich empfand unklar, daß der wahre Grund ihrer Weigerung, mir die Wahrheit zu sagen, in der Befürchtung lag, ich würde über sie und nicht etwa über Lolita mit dem Grafen sprechen. Gräfin Marigold nnd ich waren nie gewesen, was man mit „gnt Freund' bezeichnet. All solche genußsüchtige, leichtlebige Fraueu, wie Marigold es war, sah ich nicht für voll an, und die Be mühungen der jungen Gräfin, anch mich unter die Schar ihrer Bewunderer zn zwingen, waren vergeblich