21.909 Ergebnisse
Sortieren nach:
Relevanz
Relevanz
Erscheinungsjahr aufsteigend
Erscheinungsjahr absteigend
Titel A - Z
Titel Z - A
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/01_01_1937/ZDB-3091117-5_1937_01_01_9_object_8512442.png
Seite 9 von 12
Datum: 01.01.1937
Umfang: 12
15. Bo« Fanny Wibnrer-Pedit. Das gleiche Schiff, das sie am Abend her gebracht hat, bringt sie am frühen Morgen wieder hinaus. Helene schaut in die Fluten. „Gotthard, Wenns anders gekommen wär', ich würde heute da drunten liegen." Er schaut sie seltsam verloren an. Von den Hängen des Karwendelgebirges säuselt der Morgenwind nieder. Tief zieht Helene den frischen Brodem ein, sie ist noch schöner ge worden diese Nacht. Er aber hat einen aus fallend fremden Äug in sein! Gesicht bekom men, — seit

gestern. Ottilie erkennt eS auf den ersten Blick, sie grüßt ruhig und gibt beiden die Hand. Gotthard muß die Augen schließen, als möcht' ihn eine Aebelkeit befallen. Helene hinkt und ihr Fußknöchel ist aufs neue verschwollen, es ist allen klar, daß sie gestern nicht mchr kommen konnten. Gotthard zieht sich um und geht ins Feld hinaus. Helene liegt unter den Nußbäumen und träumt. Frau Haslmeier kann wenig von ihr erfahren, so nichts und so nichts. Helene lächelt nur und sagt, daß es sehr schön

, doch ihr Mund schweigt und bekommt eine Falte, ihre Augen werden noch etwas trüber. In zwei Tagen sind die Wiener Frau und daS blonde immer wieder auf die NachkvMmenden be zieht, der war doch ein Narr!" Da springt Gotthard auf. „Du, nenn' mei nen Ahn nicht leinen Narren, ich weiß, daß du an dieses Wunder der Seele und der Heimat liebe nicht glaubst, ich weiß, oah du überhaupt nicht an Wunder glaubst, — ich weih — o ich weiß." Ganz leise werden seine Wortei und ganz fern sein Blick. Da schluchzt Helene

auf voll Schmerz und Leidenschaft. „Go beginnst du unser neues Leben!" Nun reißt er sie mit einer grimmigen Gier an sich, die ihn schon wieder heimlich peinigte. „Nun, wenn schon, denn schon, alle Brücken nieder hinter mir, ich bin dir verfallen, He- lene, aber ich bin ein Nimmersatt, merk' dir das, ich komme von unendlichem Neichtum her!" „Komm, Gotthard, mir ist nicht bange!" jubelt seine Obsiegerin. And sie beginnen das Leben der Freude, der unbekümmerten Jugend, das Leben des Augenblickes

zu einer WöchnerM müffen. Nie mand fragt nach ihr. Gotthard führt Hie Frauen zur Bahnstation, sie reden von all PALMERS Haus-Strumpf aus Doppdgarn 1.- Sefinjlor . . . . - 1.50 Winter-Strumpf ungcrrtöhnliche Haltbarkeit. . . 2*80 Grünring-Strumpf aus feiner Kunftfdde 2.80 Allroetfer>Strumpf mit Zmirnfutter 3.90 Zimm ermann, Eitenz, Messinggasse 1. täglichen Dingen. Der Frau Haslmeier sind beide ein Nätfel, die Helene kommt ihr so ruhig und so über alles zufrieden vor. Wie sie die Tante glücklich verstaut

3
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/11_12_1936/ZDB-3091117-5_1936_12_11_10_object_8512401.png
Seite 10 von 14
Datum: 11.12.1936
Umfang: 14
und Sturm verträgt, schnäbelt sein Bub her um, der letzte WsceShofer. Die Blonde, ja — wenn's ihm die mit aus dem Haus gefegt hätt', dann Hätt' er sich gern vom Sturm das Dach vertragen lassen und möcht' gern ein Äahr lang bloß Erdäpfel essen statt Brot und über das verwüstete Weizenfeld lachen, als wär's nicht mehr wie eine verreckte Henne. Go schleicht der Tag herum und sie Weichen sich aus und lauern sich an. — Am Abend, wie Gotthard aus Gnaden- wäld zurückkvmmt, will er zuerst ins Mesner

- haus einbiegen, da kommt ihm schon Helene in den Weg. „Herr Gotthard, so viele Stunden hatte noch kein Tag in meinem ganzen Leben!" Cr reicht ihr lächelnd die Hand. „Sie sind halt noch fremd, aber das wird sich bald geben und meine Eltern hatten heute wohl sonst den Kopf voll." Jetzt sieht er Ottilie drüben unter die Türe treten. Er geht ihr mit Helene entgegen und reicht auch ihr die Hand hin, ein etwas be klommenes Schweigen macht ihn unsicherer als er schieinen will. „Grüß Gott, wirst Wohl müde

sein?" Er nickt und wendet sich an Helene. „Hätten Sie doch Ottilie einmal ausgesucht, da wäre Ihnen die Leit, gleich schneller vergangen." „Das sagen Sie nun aus eigener Erfah rung, nicht wahr. Herr Gotthard?" Ein gäches Not schießt in Ottiliens Wan- gen und ihre Augen messen ein wenig dis schöne Wienerin. Gotthard ist eS peinlich. — Da ihrer Anzüglichkeit keine Antwort wird, meint sie, „ach, wer weiß, ich wär' dem Fräu lein gewiß recht ungelegen gekommen." „Sie sind ein Fräulein

fett werden. „Ist alles nur für den Stall mehr, nit für den Tennen." Die Wieshofer werden leiden, aber ein Nückschlag ist'S und das „Soll" stimmt dies Jahr nicht, bis auf ein halbes Jahr kann sich's der Wieshofer immer ausrechnen,' und wegen dem Schaden um Steuernachlaß herumbetteln, das geht ihm nicht herauf. Da sagt er ein wenig ungut zu Gotthard. „Na, jetzt sag' mir, was tun sie drunten dawider, wenn der Schauer den Schnitt er spart?" l „Nichts, Vater, halt rechnen und einen Ausgleich suchen

mit der Dante. Die alte Frau hat einen Strickstrumpf in der Hand. Das steht ihr wenigstens gut an, denkt sich der Wieshofer,- aber was die andere! da über der Achsel trägt, ist eine dumme Ko mödie, die braucht mir das ehrsame Bauern^ Handwerk nit verspotten. Entweder peinigt sie die Langweil oder sticht sie der Haber und beides wirös sein und ein Drittes dazu. Dis Knechte schauen auf und Gotthard lacht ihr entgegen. „Darf ich helfen, Herr Gotthard?" Er sagt gleich ja, so kann der Vater.nicht mehr gut unsern

4
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/01_01_1937/ZDB-3091117-5_1937_01_01_10_object_8512443.png
Seite 10 von 12
Datum: 01.01.1937
Umfang: 12
Die Mutter bekreuzigt sich. (Der Ottilie tanzt die Stube vor den Augen und Gotthard meint, er müsse vor ihr versinken. Der Augen blick ist eine Gwigkeitsmarter. Da wankt der Junge, als ob ihn ein Sturm umreißen wollt'. „Vater, laß mir Seit, etliche Machen zum Besinnen."— „Jetzt lügst, bist feig auch noch. Pfui!" Da — Ottilie fällt Gotthard in den Arm und hindert, daß er den Vater anspringt. Gr umfaßt sie wild und furchtbar ist sein Ge sicht. „Ottilie!" Ihre Augen sind starr in Tränen, die fie

sie heim und auf dem WieShof geht ein jedes in seine Kammer. Das Gesinde hat sich heut schon früher verlaufen, M hat eine gute Witterung, wenn etwas in der Luft liegt. ES ist acht Tage hernach, der Tag!, an dem Gotthard wieder nach Wien fährt. Ottilie will in aller Morgenfrühe in die Kapelle zum brennenden Dornbusch! hinaus. Da ist schon der Gotthard dort, haut mit der Haue um den toten Schlehdorn herum, er will ihn ausrotten samt der Wurzel. So fällt ihm die Ottilie wieder in den Arm

, — aber von 'oben herab steigen, — da geht man nur der Nacht zu, — der Thll Eulenspiegel hat das ganz gut verstanden, nur die g'schei- ten Leut' lachen drüber." Dann geht er zur Tür, besinnt sich, geht wieder zurück, tappt Gotthard über den Nücken hin, — „du, — wenn du mich a mal brauchst — und wenn'S gar zur Hochzeit oder KinöStauf wär', — ich bin da, — ich Hab' es ihr versprechen müs sen — und dann, ich dank' es ja doch dir. Saß ich aufwärts, zur Aussicht geh'." — Da reißt eö Gotthard Stark noch mehr zusammen

, der steirische HieSl geht traurig! fort. — Diesen Abend sperrt sich! Gotthard ein, er müsse arbeiten und habe Kopfweh. Helenej bettelt vergebens an der Tür, Sann macht sie ihm zwei Fäuste : „Du starkischer Dickschädl, du!" Er schließt die Rechnung ab mit seinem alten Leben. ES ist eine gar bittere Differenz zwischen Soll und Haben, aber er nimmt den Kopf aus, er ist ein Stark. Tief in der Nacht noch brennt das Mal im Gesicht, das ihm Gott geschlagen,- das wischt ihm keiner mehr ab. Am Morgen brennen

wieder HelenenS Küsse darauf, aber auch die wischen das Zei chen nimmer weg. Zwei Tage darauf kommt ein Brief aus dem Bergdorf, vom Josef. Gotthard reißt ihn fiebernd auf. „Auch gut, wenn alles zusammen kommen muß." Er ist aber nicht sonderlich lang, das wundert ihn. „Lieber Bruder! Muß nun doch einmal schreiben, was nützt das Grübeln und Schweigen. Es hat mich bitter enttäuscht, daß das Nest leer gewesen,- Hab' mich gar so gefreut auf die zwei Tage und konnte früher nicht genau berichten, wann ich los' komm

5
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/08_01_1937/ZDB-3091117-5_1937_01_08_9_object_8512454.png
Seite 9 von 12
Datum: 08.01.1937
Umfang: 12
hat die Mutter Startin dem Gott hard nach Wien schicken dürfen, kein Stücklem. — „War' er geklommen, wenn ihn gelüstet darnach." — Lind gekommen ist er nicht. — An jenem Abend sitzt Gotthard mit Helene in den letzten Neihen des Wiener Burg theaters beim „Peer Ghnt". Helene meinte, das wäre eigentlich so der würdigste Ab- Eltern herangewachsen, hätte sie frühzeitige icmif sich selbst gestellt, dem modernen Typ sich unterwerfenö, nicht ihr innerstes, heiliges Weibtum verkrüppeln lassen, es wäre so man ches

anders. Aber sie kann ja nichts dafür, sie ist das Opfer der neuen Zeit, des Lleber- tzangeS, des Versuches und er mit ihr. Llnd so wie er ihre Liebe hinnimmt, muh er sie verstehen und auch würdigen lernen. So bereitet sich Gotthard auf den neuen Menschen vor, während er Ostern entgegen harrt und sich dennoch heimlich immer wieder nach der Heimat sehnt. Der heurige Fasching ist ein stiller, sie wol len sparen und eine neue Sorge hat sich zu ihnen gesellt. Helene hat es geraume Zeit für sich behalten, dann glaubte

sie doch die Pflicht zu haben, es ihm vorher mitzuteilen, daß sie sich in den nächsten Tagen einer allerdings etwas peinlichen und gewagten Sache unterziehen müsse. Er starrt sie an, kann im ersten Moment gar nicht begreifen, in seinem Bauernhirn kreist etwas. Dann preßt er ihr Handgelenk, daß sie ausstöhnt. „Keinen Schritt, st»nst sind wir geschiedene Leute!" „ES ist doch kein anderer Wieg möglich, bedenk, Gotthard,!" „Da gibt es nichts zu bedenken, wir werden die Hochzeit zu Ostern durchsetzen

es nicht schon zur Hälfte die Sünde? Weib, das du eigentlich noch nicht bist, — — aber das, — das allein gibt dir die erste Weihe, wenigstens vor mir! Furchtbar — und du wolltest es- töten! Llnd wenn ich tag- werken gehn muß, es kann sein, daß der Vater hart bleibt, und wenn ich betteln müßt', du und mein Kind, ihr braucht nicht hungern! Helene, denk nie mehr an das, was du tun wolltest, es befleckt dich mehr wie alles an dere, was uns arme Menschien beflecken kann, versprich es mir!" „Ja, ja, Gotthard

, aber die Schande, es ist doch peinlich." Da schaut er sie unverständlich an. „Die Schande? Wir lebten ja schon die ganze Zeit her in der Schwände, — das war doch jedem klar — wie wir Zueinander standen?" „pfui, Gotthard, du tust mir Weh, wir lieb ten uns doch, aber nun, wenn Hie Leute das feh>en, — werden sie mich verlachen." „blnd das Lä:eln, — über das andere, was die Leute sahen, das hat dir nie etwas ge macht?" Sie ist verwirrt und beschämt, sie kann seinen sittlichen Begriffen nicht mehr rechk folgen

6
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/26_02_1937/ZDB-3091117-5_1937_02_26_9_object_8512546.png
Seite 9 von 12
Datum: 26.02.1937
Umfang: 12
erledigt und Gotthard fährt mit den zwei Frauen im Auto nach einem Gasthof. Leute winken den Ein steigenden, es kommt fast zu einer Kundge bung. „Losfahrcn!" Gotthards Stimme ist heiser. Helene dankt ein wenig lächelnd für die Grüße. Dann aber sagt sie fast vorwurfsvoll zu Gotthard : „Warum hast ihr wieder das Kind gelassen?^ „Es wäre ganz deine Sache gewesen dies zu verhindern, Helene!" „Gotthard!" fleht sie bang, „siehst du es denn gar nicht ein, daß ich einmal Nahe brau che, daß ich am Ende

mein Verdienst, wenn sie aber verurteilt werden sollte, dann ist es der schmvchvottste. „Gut, ich will das alles gerne einsehn, wenn auch du es einsiehst, daß dieses Kind die eine Mutter nicht entbehren kann, so lange sich die andere 'noch zu schwach fühlt, ihr schweres Amt anzutreten. So lassen wir Einsicht gegen Einsicht gelten und wollen zur Tagesordnung übergehn." „Bist du Mir böse, Gotthard?" „Nein, Helene, ich bin dir schon lange nicht mehr böse, ich will dich verstehen lernen." 2m Gasthof Qngekvmmen

, fällt Helene in einen stundenlangen Erschöpfungsschlaf. Gott hard bespricht indessen mit Tante Haslmeier und dem Freunde das Weitere. 2n wenigen Tagen verläßt Gotthard Mit Helene und Tante Haslmeier die Heimat. Der stelrlfche Hiesl geleitet die kleine Gesellschaft bis Salzburg. Dort lassen sich Gotthard und Helene trauen. Es ist ein trüber Märzmorgen, schwerer Nebel, kaum daß- bis Mittag die Sonne durchbrechen kann. Keines von ihnen achtet auf die Schönheit der kleinen, verträum ten, wundervollen

, ja, die alte Macht, die 2ugenö ist nun Wohl vorbei. Sie sieht zwar wieder viel besser aus, die wenigen Tage an der Seite Gotthards haben ihr schon viele Narben geheilt. Ein schlich es Neisekleid, von gutem Geschmack zeugend, hebt ihre blasse, etwas leidvolle Schönheit,- sie ist wieder ge pflegt und sich selber bewußt. 2hr ganzes Wesen ist ein stilles Werben um Gotthard. Manchmal läßt sie ein Wörtlein, ein ganz leises, vom Sephi fallen, dann Mlen sich ihre Augen mit Tränen, ihre Hände beginnen zu Kittern

, daß Gotthard beruhigend darüber- streichen muß, sein Erbarmen ist immer hilfs unglücklichste Tag meiner beruflichen Tätig keit." Der Verteidiger setzt sich erschöpft, er hat aus ehrlichem, bewegtem Herzen, gesprochen, ih'm war es wirklich um das junge Geschöpf zu tun, nicht um seinen Erfolg. Nuhig und ernst verlassen nach der Nechts- belehrung die Menschen den Schwurgerichts saal während der Pause vor der Arteilsver- künöigung. Das Stimmengewirr verläuft sich in den Gängen. Arber Helenens Wangen stürzen

7
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/05_03_1937/ZDB-3091117-5_1937_03_05_10_object_8512559.png
Seite 10 von 16
Datum: 05.03.1937
Umfang: 16
Hände in seinen Arm, ihr Leib bebt wie die Buchenblätter im Abendwind. „Nicht, nicht, Gotthard! Es ist furchtbar, dieses arme Kind, sein Anblick würde mich wahnsinnig machen, und wenn ich es leiden sehen müßte, — im mer, alle Tage, fo klein, fb schwach und bleich, ich kann es nicht ertragen! Laß! unser armes Sephi in Ottiliens pflege, sie hat es nicht getan, sie kann es warten mit reinen Händen, mit gutem Gewissen, mir würde sein Weinen das Herz zerreißen. Verschone mich., Gotthard

, es war' mein lebendiger Tod, ich bin ja noch so jung! Gotthard, und wenn es in meinen Armen sterben müßt', ich könnte nicht mehr weiter leben, keine Stunde!" „blnö wenn es nun daheim stirbt, ohne daß sich seine Mutter, sein Vater darum küm mern?" „Das ist nicht wahr, wir kümmern uns immer, immer um das Kind, alle Tage, heim lich, unausgesprochen, und es wiro nicht ster ben, dort in der guten Luft, in der treuen pfle ge, es wird aufblühen und dann zu uns kom men, ich werde diesem Mädchen mein ganzes Leben lang dankbar

sein. Sie ist eine Heilige, o Gotthard, sie ist ja viel, viel besser wie ich, ich weiß es, ich weiß es lange schon!" Sie schluchzt laut auf und beugt sich, das Ge sicht mit den Händen verhüllend, vornüber auf die Knie nieder. Nun sind die Würfel gefallen, die Frage ist getan. Gotthard fühlt sich grenzenlos verlassen und beraubt. Sein Kind, sein armes Kind, das keine Mutter mchr hat. Sein Märthrlein, ja, er möchte es nun auch auf seine Arme nehmen und wandern, wandern, soweit ihin seine Füße tragen, wie der starkische

Landsknecht. And das Märthrlein würde auch auf seinen Armen versterben, weil es keine Mutter mehr hat. Ach, das seine hat ja eine Mutter und eine Heimat und Liebe, ist nicht verlassen wie er. Gotthard läßt Helene sich ausweinen, er hat kein Trostwort für sie, stumm nur ergibt er sich! in ihren Willen, er hat kein Zornwort für sie, >ob er noch jemals ein Liebeswort fin-< die Stadt hat mich ausgenommen, gütiger als es einer verdient, den die Heimat verschmähen muß. An unser Kind Grüße schicken. Grüße

von seinen Eltern, die es noch gair nicht kennt, und die noch kaum eine Nacht gewacht haben bei ihm, das dünkt mich läppisch. Sv> grüßen wir Euch alle, die ihm Gutes tun, auch in un- serm Namen. 2n Dankbarkeit bin ich Euer Gotthard mit Helene." Ottilie läßt die Hände mit dem Brief auf ihren Schleuß sinken, eine Seligkeit um den Wei teren Besitz des Kindes ist in ihrem Herzen und eine Bangigkeit um den Mann, der sei ner nun wieder verlustig geworden ist, denn wenn Sephi erst dann zu seiner Mutter kom men darf

8
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/29_01_1937/ZDB-3091117-5_1937_01_29_9_object_8512490.png
Seite 9 von 16
Datum: 29.01.1937
Umfang: 16
19. Bon Fanny Wibmer-Pe-iL. Die Wischen vergehen, die Nächste sind kurz, öie er beim Steirer in der Wbhnung verschläft. Der schüttelt manchmal bedenklich den Kopf: „Du, wenn ihr euch nur nicht die Suppe versalzt mit dem närrischen Getue." Sv ein hin geworfen es Mort bannt Gotthard wie der für Tage zu den Büchern. Möchte er sich doch schwerer tun mit dem Studieren, so aber ist er wieder ganz in ihrem Bann. Frau Haslmeier kann den Herbst nicht er warten, sie fühlt sich unbehaglich

sie noch einmal nach, ihrer Art. Gotthard kommt sich manchmal geradezu grotesk vor. „Mas bin ich eigentlich? Gin Stu dent, ein Bräutigam? Gin Vater, ein Ehe mann? — Ein Landmann oder Stadtläufer?" Zn Helene steigt auch manchmal die heim- liche Bangigkeit auf,- dieses frohe Wiener Leben, mag es auch mit mancherlei Sorgen und Mühen belastet sein, aber es ganz hinter sich lassen, ihre Welt, ihre Heimat ist es ja doch und diese frohlebigen Menschen, die sich und anderen das Leben so gar nicht schwer machen-. Diese Stadt, deren

Singen und Sa gen vom Rhythmus des Frohsinns und der Schönheit durchpulst ist, sie wird ihr sehr feh len unter den kargen Mensch,en, an deren selt sam verschlossenes Herz sie sich heran schmei cheln muh. Wie der milde September ins Land zieht, schickt Helene die Papiere an Gotthard. Der geyr zum Herrn Pfarrer, dem alten würdigen Priester vertraut er sich an, er kann es nicht mehr weiter tragen. Es ist lange stille im Wohnzimmer des Pfarrers, draußen im Gar ten schimmert die Gönne durchs fruchtschwere

ist, muß, fallen. „Gotthard, das wird dein Vater schwer ver winden können, warum habt ihr das getan, den Betrug verzeiht er euch nie. — Ich, kenn' den Stark, es wird ein hartes Hausen wer den." Gotthard weih nichts zu sagen darauf, er schämt sich in die Seele hinein. Der Pfarrer meint: „Wsenn ich den Stark nicht kennen tat’, ich müht sagen, geht zur Stund hin und bekennt wie die Sache steht, so aber — weih nicht, wie du deine Braut wieder zu Ehren bringen wirst. — Auf' mich, Gott hard

, wenn ihr mich braucht." Es ist ein knapper Bescheid, aber er muh ihm vorderhand genügen. — Anfangs Oktober schreibt Helene, sie fei in der Klinik, xm sie vor zwei Tagen ein Knäb- lein geboren habe. Die Schrift ist ton ihrer Hand, matt und zittrig muh sie gewesen sein. Gotthard wollte ihr eben berichten, daß die Hochzeit auf St. Kathrein festgesetzt ist. Er faltet die Hände über den Brief einer fernen Mutter, ein Schauer durchrüttelt seinen Leib. Warum darf er nicht zum Vater gehn, ihm sagen, du halst einen Enkel

9
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/04_12_1936/ZDB-3091117-5_1936_12_04_10_object_8512387.png
Seite 10 von 14
Datum: 04.12.1936
Umfang: 14
hat,- nun ja, wir werden uns halt mehr auf Gotthard verlassen müssen, ich glau be kaum, daß es ihm schwer ankoMImt, den Hofdienst bei dieser armen Ottilie ein wenig einzuschränken unsertwegen, die ist ja sehr zu geknöpft für eine Verlobte." Helene reckt den HalS über die Fensterblu men, unten geht Gotthard vorbei. „Das, liebe Tante, kann man schwer sagen, stille Wasser gründen tief." Da ruft die Feldöirn vior der Kammertür, daß der Kaffee fertig ist, die Frau und das Fräulein möchten hinunterklommen. Auf dem Stubentisch

ist sauber gedeckt, Kaffee, Landbrot, Butter und Honig. Die Mutter Starkin stellt noch einiges zurecht, Gotthard sieht ihr zu und verdeckt dann und wann eine unbeholfene Handreichung. Sein Gesicht ist mehr gespannt wie froh. „Aber, liebe WieShofermutter, so verwöh nen dürfen Sie uns nicht, danke, danke, jetzt auf die Reise hinaus wird es freilich schmek- ken!" Frau Haslmeier setzt sich behaglich hin und schnuppert nach dem Duft öeS braunen Labe- trankeS, sie ist befriedigt, es scheint, hier ver steht

man auch guten Kaffee zu kochen. Helene sagt nur etliche Male: „Danke, o danke!" „Gott geseg'n es! " Wie die beiden aber vom Kaffee zu schlür fen beginnen, geht die WieShoferin rarfch hin aus. Gotthard weiß warum, seine Mutier sieht es nicht gern, wenn sich ein Gast ohne Bittge bet an ihren Tisch setzt. Wohl labt sie !auch manch hausierenden Juden, dem ist eS nach gesehen, auch den hungrigen Landstreichern und sonst einem sichtbaren Galgenstrick ver langt sie kein Gebet ab. Aber wer sich sonst gütlich tut

am Segen ihres Hauses und sich einen Ehrist nennen läßt, dem rechnet sie es gar übel an, wenn er sich nicht nach! dem frommen LanöeSbrauch richtet. — „Stadlleut, laue Staötleut," brummt sie vor sich hin, „aber schön ist das Leut — und mit so einer, wohnt der Gotthard Kammer an Kammer, o Dirn, was hast du da getan, die Leute Hergebittel, daß sie uns den schönen Sommer rauben und die liebe Ruh, so fein ist'S gewesen, so frieösam." — Aber ja, wie der Gotthard den bösen Husten gehabt hat, da war die alte

Frau um ihn besorgt wie eine Mutter, — wohl die Junge auch. Äa, wenn die Junge nicht wär', ö!ann fänö' sie sich Wohl zu der andern. Rein, nein, nicht einmal gedankt halt sie für die Mühe öa- malen, das ist aber jetzt schon kein Anstand, wird dem Gotthard hart gewesen sein. War nur die Helle schuld daran, mit ihrem neu gierigen Geschau und dem blondhaarigen Sonnenschein ums Gesicht. Wie die dem Gott hard Augen her macht. Rein, aber zum Dan ken muß sie doch hinein. Da kommt ihr schon Helene

10
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/20_11_1936/ZDB-3091117-5_1936_11_20_9_object_8512360.png
Seite 9 von 12
Datum: 20.11.1936
Umfang: 12
Der Me WO. 9 . Bo« Fanny Wibmer.Pedtt. Nun kann er heute noch mit gutem Gewis sen den Brief Ottiliens lesen. Frau HaSlmeier räumt in der Küche zusam men, es scheint, sie will die beiden absichtlich allein lassen, sie hat noch- lange nicht alle Hoffnung aufgegeben. Gotthard will und muß ihr noch ein gu tes Mott sagen: „Fräulein Helene, sind sie wieder froh, bitte, eS hat uns da der Frühling einen kleinen Schabernack gespielt, wir sind eben auch jung und das ist doch so schön, lassen

Sie uns unsere Kameradschaft aufs neue be siegeln." „Mie wollen Sie das tun?" Nun lacht er froh: „Nun, wieder mit einem Kuß!" „Bitte, mein Herr Kamerad!" sagt sie und muß auch wieder lächeln, läßt sich ein wenig steif und feierlich auf die Stirn küssen. Schein bar kühl bis in die Fingerspitzen, erwidert sie die Zeremonie. „Nun, Gotthard, sind Sie wieder entsühnt! Gute Nacht." Er sieht ihr eine Meile nach-, wie sie lachend in die Küche geht und draußen um Tante Haölmeier herumwirbelt. Nun weiß ich erst

wieder nicht, wie ich mit ihr daran bin, eS scheint, sie ist eine kleine, blonde Hexe. Wenig stens ist der Friede und das europäische Gleichgewicht wiederhergestellt, wunderlich ist dieses Leben, recht wunderlich, oder sind es nur die Menschen? Lieber eine Meile ist er über Ottiliens Brief gebeugt, immer tiefer, sein breiter Nücken bebt, wie eines Mannes Nücken nicht beben sollt. — Lind sie schreibt doch so mild und gut. Das ist es eben. „Gotthard, das sollst Du nie mehr tun. Dei ne Eltern sind alt. Du bist 5er Jüngste

, nur manchmal anschau'n und an die schöne Zeit denken. Ich darf Dir nichts mehr geben diesmal, wenn auch Ostern ist, als tausend Segens- Wünsche für Deine Zukunft. Die Weißen Blü- PALMEBS Olliuetf er - Strumpf mit Zroirn gefüttert, sehr haltbar Zimmermann, Messingg. ten da im Brief sind vom wilden Kirschbaum bei der stattischen Kapelle. Gotthard, alles blüht und prangt auf Wies und Feldern, nur unser Dornbusch ist nackt und bloß geblieben, der blüht nur mehr im Winter, wenn es schneit

für die Aepsel, ich nimm sie ivohl mit, Hab' keist rechtes Vertrauen, daß der Nikl das Men schenfressen sein laßt." „Ja," nickt die Wieshoferin, „die Buem, die sein halt allweil die Wilden, der Gotthard war auch nit besser, nit einmal der Josef, nur der andere, der schon lang in Gallien liegt, der" — der steht in lauter Glorie, wie der St. Michael, sie kann'S nit glauben, daß der auch so gewesen ist wie die andern, — viel leicht — kaum. „Änd jetzt sein wir so allein, Ottilie, vermöchten's nit

12
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/11_12_1936/ZDB-3091117-5_1936_12_11_9_object_8512400.png
Seite 9 von 14
Datum: 11.12.1936
Umfang: 14
„Ottilie, dein Gartl ist auch hin und euer Merl, gelt?" ' „Wohl, Mutter," tut diese ruhig, „aber dem WieShvfervaLer sein Wetzen ist auch hin, um den ist'S weit mehr fchaö, grad öott ist'S am! dicksten Niedergängen." „Kann man nichts machen, bei euch ist'S härter, das einzige Ackert." „Aber, WeShoferin," tröstet lächelnd Ot tilie sich selber, „meinem Vater wachst bei jeder Hochzeit, bei jeder Tauf' ein Laibl Brot her, da gibt es "wohl diel jAermere," sie schaut um sich, „wo ist denn 5er Gotthard

habe." „Ich Hab' die Stubentür aufgemacht, Ottilie hat es gesehen, — Ähr habt uns gar nicht gehört." Da zuckt Gotthard ein wenig, zusammen. „Wenn Sie'ö gesehen hat, wird sie es auch verstehen können und sich keine Gedanken darüber machen, dafür kenn' ich die Ottilie." PAUMBS 1 Haus^Stpumpf H aus Doppelgarn 1- I Setiriflop . . 1*50 | Winfep~Sfpumpf ungetüöhnliche fialtbarkeit . . 2.80 Gpünpmg~Sfpump| aus feiner Kunltfeide .... 2*80 Alliueftep~'SfPumpf mit Zroirnfutter 3.88 Zimmermann, Messinggasse 1. Liens, „Äa, Gotthard

, ich hoffschon, daß sie bes sere Nerven hat wie dieses Wiener Fräulein." Dann richtet sich Gotthard zusammen, geht zum Vetter nach Gnaöenwald hinüber, wegen dem Samenkorn 'zu verhandeln, dort sind sie verschont geblieben vom gestrigen Hochwetter. Er eilt fortzukommen, denn droben in der Gastkammer klingt die Stimme der Helene, sie singt Schuberts Müllerin, aller Schreck und Kummer von gestern scheint schon vergessen und verwunden zu sein. Er ist gestern den gan zen Abend nicht mehr, losgekommen

er heute die Flucht ergreift, und ist mehr traurig wie froh darüber. „Nicht stärker ist mein Gotthard Stark, der junge?" HelenenS Lied verstummt, wie sie hört, daß Gotthard erst am Abend heimkcmmen wird. Sie lungert fröstelnd ums Haus herum, die Wege find glitschig und der Anblick der er schlagenen Feldfrucht so gar nicht tröstlich, da und dort jammert eine notige Bäurin ums Feld herum und betrachtet händeringend den Schaden. Fast ist es ihr ein Trost, nein, es find d>och nicht alles gleich harte

zu ihm, nur ihre Hand läßt sie in der seinen. „Ottilie, du sollst nicht traurig sein, du sollst mir mehr vertrauen, das tut mir weh." „Vertraust du dir selber, Gotthard?" „Ottilie!" i „Gotthard, ich war' viel ruhiger, wenn ich bestimmt wüßt', daß dich Helene auch glücklich machen kann!" „Du bist sehr deutlich, nicht mehr hält'st du von mir?" ■ „Äch halt' von dir so viel, als ich von! einem Menschen immer halten kann, mehr frei lich nimmer." „And doch bist du diejenige, die üusweicht." „Nit, Gotthard, nit ausweicht

13
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1937/19_03_1937/ZDB-3091117-5_1937_03_19_10_object_8512587.png
Seite 10 von 12
Datum: 19.03.1937
Umfang: 12
. „And daß ein Vater am Weihnachtsbaum Sehnsucht nach seinem Kinde hat, ist das so ÄebleS?" „Go nimm das Kind zu dir und laß mich gehn, ich bringe mich! auch allein durch die Welt!" - „Das weiß ich, Helene, baß du kein hilfloses Kind mehr bist, aber ich will dich! um Glottes willen nicht durch dein Kind verdrängen, nein, das WM ich nicht, Helene, das wäre mir ein fach zu widersinnig!" Da setzt sie sich auf einmal auf und meint ruhig und erwägend: „Gotthard, du kannst mich mit Sephi auch gar

nicht mehr ängstigen, n!ach des Vaters Testament gehört ihm ja der Wieshof, wir aber sind von Heim und Heimat verbannt, so haben wir auch kein Necht mehr an das Kind, es ist Sott, wo es rechtmäßig hingehört." Jetzt wird Gotthard blaß bis in die Lippen: „Go leicht trittst du dein Necht an das Kind ab, das dir noch niemand streitig gemacht hat?" Da springt Helene auf: „Äch kämpf' um das, was ich zu verlieren fürchte, ich kämpfe einzig und allein um dich? Go lange ich kann, immer!" Wieder wirft

sie sich an seine Brust und bettelt um ein gutes Wort, um Liebe, flehend, verzagend bettelt sie, die Kerzen bren nen herab: „2ch bin so jung, laß mich das Schwere vergessen. Sephi hat eine Heimat ge funden, eine Mutter in der deinen, wir haben nicht Mutter und Vater, nicht Heimat mehr! Gotthard, wir sind ganz auf uns gestellt, hilf mir vergessen!" Etliche Kerzlein verknistern rauchend, er löscht sie mit der einen Hand, mit der andern hält er das zitternde Weib. Langsam verraucht Licht um Licht

, in der du wieder zu mir gefunden, ein Kjind, schön und lebensfroh, gesund und stark, ich möcht', ich möcht'! O Gotthard, ich will!" And in seinem Herzen, in seinem Gemüte und Geblüte, das bauernstark bejaht, ist die Sehnsucht nach dem Kinde so groß, daß er dem Weibe vertrauen will, das ein Kind schon weich es ist und wie es sich ringelt und rollt unter der Hand. „Schön, schön" flüstert der Landsknecht. Dem träumenden Gotthard Sark hebt es vor Sehnsucht die Brust. Da greint Märthrlein auf, weh und bang und ruft: „Vater

!" Es verzieht fein Gesicht in Krämp fen, die schöne Frau und der goldene Knabe fliehen. Der starkische Landsknecht hebt das wimmernde Kindl wieder auf die Arme und schupft es und lockt es und haucht ihm Odem ein, denn es will schon vergehn. An lausend Aengsten fleht er zum Himmel: „Marter mir mein Kindl nit s!o grausam, entweder laß mir's oder nimm's auf in deine ewige Glorie, aber quäl' nit du auch noch das Kindl, was kann- es dafür, daß es an unserer Sund' verkommen ist!" „Was hast du, Gotthard?" sagt

16
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/18_12_1936/ZDB-3091117-5_1936_12_18_9_object_8512414.png
Seite 9 von 12
Datum: 18.12.1936
Umfang: 12
Der Mt Oornbufdi. 13 Bon Fanny Wibmer-Pedit. Sie werken schweigend und freudlos, ein jedes in feine bitkern Gedanken verbohrt,- auch die Knechte: der WieShofer ist ein Narr und weih wohl nimmer, daß auch er einmal jung gewesen ist, die Helle Dirn so grob Ver scheuchen. Hat er um seinen Buem Angst, soll er ihn in die Kastellen auf den Altar stellen alS hölzernen Heiligen, so ein ungueter Narr. Gotthard reißt grimmig in das wirre Ge- mengsel hinein, schwer ist solche vertane Ar beit zu schaf

f en, dost st ell schwer, w enn eS in einem selber auch durcheinander getrieben ist. Der WieShofer überhört absichtlich das Elf uhrläuten. Wenn sie nur schon aus dem Haus sind. Zeit war' genug gewesen, ihm wär' das Herz ring und der Sinn wieder leichter, die Tage noch, die der Bub daheim ist . . . Gotthard ist von Wünschen und Wollen hin und her geworfen, der Boden brennt ihm unter den Füßen, wenn er ihr noch ein gutes Wort sagen könnte, eines nur, denn das hat sie um ihn nicht verdient, kaum acht Tage

sind sie hier. Wird sie schien fort sein? — Heim- gehen? Nein, gar den Vater bitten vor den Knechten da, bitten wie ein Schulbub. Nein, wenn es Abend wird. Die Knechte arbeiten verdrossen, einmal haben sie Hunger und dann wär' ihnen selber recht, der Lichten irgend wo zu begegnen, sie ums Haus flirren zu sehen, am gleichen Tisch mit ihr zu essen ist schon ein Ehr. Äst ihnen nicht vergönnt, das bißchen Freud, nur ein WeShofersohn, der darf schon gleich zwei im Feuer haben. Endlich aber bricht der Bauer doch auf. Gotthard

, nun wird sie sich einen Herrenbauer nehmen, einen, der ein mal so wird wie dieser alte WieShofer, ein Schauer durchrieselte sie. Aber ihr ist nicht bang. Ob sie da einmal WleShoferin wird? — So lange der Alte lebt wohl nicht,- aber de.? Gotthard mit seinem Kopf wird sich auch drunten in Wien eine Stellung erringen, dann können sie warten, bis daheim das Erbe heranreift, bis dorthin sind sie auch ein wenig staötmüöe und haben das Leben genossen. Doch eines ist gewiß, daß dieser alte WieS hofer nicht so schnell unter den Nasen

beiden der Atem, dem alten, dem jun gen. Helene liegt im Anger, auf zwei Stühlen gebettet, den Fuß gestreckt und den Knöchel mit Tüchern umwunden. Gotthard denkt nichts and eres: Äetzt wollte sie sich etwas an tun w e gen der Kränkung. And der Wsteshofer kann nichts anderes denken, als — „Teufelsweiberleut du, hast auch nur Anfer Lieben Frau die lichte Glo rie gestohlen". Er geht vorbei an ihr in den Tennen, als ob nichts wär'. Gotthard springt zu ihr hin: „Helene?" nie zu danken vergessen. Ähre

17
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/18_12_1936/ZDB-3091117-5_1936_12_18_10_object_8512415.png
Seite 10 von 12
Datum: 18.12.1936
Umfang: 12
wird ihr den Weg weisen. Gotthard macht ihr mit sündiger Hand ei nen neuen Umschlag. „Wenn Sie sich mit öieser Arbeit wirklich Tag und Nacht ab mühen wellen, dann werde ich Sie wenigstens bei Tag f© oft wie möglich junterstützen." „Daß Sie mich so schnell wie möglich los werden, Gotthard, nicht wahr!" Ein heftiges Schluchzen stoßt ihr die Brust auf. „Nein, Helene, nicht so, daß Sie bald reise- fähig sind, aber daß ich mit Ihnen so bald wie jmöglich eine schöne Tour

." „Aber, WieShofbauer," bekommt sie wieder ein wenig Mut, „ich Hab' ja ohnehin Goi- serer getragen." „Geiferer, hm — das ist freilich schon ein Fortschritt, ja ja, — die Städter -satteln u'm aufs Land und die Bauern gehn Master treten," er lacht gallbitter auf, „wenn sie nur nit beide zu Schaden kommen, mich tät's wei ter nit wundern!" Gotthard steht unter der HauStüre und hört noch des Vaters zweischneidiges Wort und fühlt wohl, auf wen es gemünzt ist. Heute grollt er dem Vater im Ernst, weil er über zeugt

ist, daß Helene ein Anrecht geschehen ist. Wenn er Ottilien den Hergang, erzählen wird, die wird ihm aber recht geben, ganz gewiß. So geht ex zu Helene, befühlt noch ein mal den Fuß, und da die Binden wieder trok- cken sind, macht er einen neuen Amschlag. „Sie wagen viel, Gotthard, wenn das Ihr Vater sehen würde?" holen. Wie sie aber im WieShof alle zusammen- sitzen, Helene liegt auf der breiten Ofenbank und macht sich fleißig Umschläge, da kommt die Ottilie dennoch daher, sie trägt etwas in der Hand

. „Ich Hab' gemeint, du kommst heut niw- mer herüber, der Gotthard hat so gesagt?" fragt ihr verwundert und erfreut die Mutter Starkin -entgegen. Gotthard wird über und über rot. „Es hat mir doch keine Nuh' lassen, da bring' ich Kampfersalbe für Fräulein Helenens Fuß, das nimmt Geschwulst und Hitze, dann ist auch der Wjehtum fort." Helene fährt gierig darnach. „O danke, danke! Die ewigen Amschläge werden wirklich fad, das ist aber lieb von Ihnen, Ottilie, ich danke Ihnen recht herzlich!" Ottilie selber kniet

sich hin und reibt ihr den Fuß ein. Der scharfe Geruch! erfüllt die ganze Stube. „Hat Ihnen Gotthard schon gesagt, wir machen am Sonntag eine Achenseetour?" „Ja, ich weiß es, darum eben müssen Sie dazu schauen, daß der Fuß bis dort wieder in Ordnung ist." So ruhig sagt es Ottilie, daß Helenen fast der Mund offen bleibt. Auch die Starkin schaut erstaunt, der Wieshofer gräbt feinen Schädl noch tiefer in die Fäuste. „So gut wie du kann ich das Komödie'- fpielen wohl auch," denkt sich> Helene und meint

18
Zeitungen & Zeitschriften
Lienzer Nachrichten
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3091117-5/1936/23_10_1936/ZDB-3091117-5_1936_10_23_11_object_8512304.png
Seite 11 von 14
Datum: 23.10.1936
Umfang: 14
An diesem Abend sucht Gotthard Ottiliens Bild hervor, aber fast enttäuscht es ihn. Viel schöner, viel wirklicher sieht er sie mit seinem inneren Auge, Wohl wird sie sich auch verän dert haben im letzten Jahre, ohne daß er es merkte, oder vielleicht kann man ihre frauliche Herbe und Süße mehr fühlen und empfinden als sehen. Selbst ihr letzter Brief, so schlicht auch ihre Schreibweise ist, erzählt ihm mehr. „Mein lieber Gotthard! Denk Dir nur, unser Schlehdorn steht wieder in Blüten und morgen

, sie heim, wenn ich nur kann, denn sie freuen sich darüber. Manchmal kommt auch der Vater mit. Wir reden dann von Dir und Josef. Von meiner Arbeit kann ich Dir nichts verplauschen wie Du mich, ge beten, es ist nicht wert darum, fetzt im Minier schon gar nicht, wo mein Garten schläft. Die Finken und die Meisen tun sich gütlich unter wohl der stille, friedvolle Zauber der Heimat. ES ist nun vollends Abend geworden und im Schutz seiner Dunkelheit eilt Gotthard am Vaterhaus vorbei, zum Mesner hinüber

, ist das auch ein Grüß Gott?" Er tritt zu ihr hin, seine Stimme ist tief und dunkel und bang. „So hat dich mein Brief erschreckt und geängstiget?" „Nein Gotthard, das nit!" Frei und stolz schaut sie ihm ins Auge, dann aber meint sie mit einem lieben verlegenen Lächeln, —, „ich Hab' das nur so gesagt wegen dem Christ kindl da." „Ja so" und er nimmt sie mit einem Gemisch von Ehrfurcht und Leidenschaft in die Arme, „du — das war so schön, — so habe ich dich noch nie gesehen". „Ei ja, es gibt außer der Venusgrotten

, er träumt v>on der Chronik des starkischen Landsknechtes. Ihm ist, als wär's er selber. Die schmucke Kuni dreht sich mit ihm im Tanz, das ist ein tolles WM. Ein wir res Gemengsel von Helden- !U?nd Greueltaten verstrickt ihn, Zorn und Jammer, Lust und Kindl," er kost ihre Hand,' „meine Maria tJ'on dieser Welt". „Gotthard, du sollst wcht göttlich und irdisch in einem Atem nennen!" Er aber verschließt ihr dien vorwurfsvollen Mund mit Küssen, bis sie ihm gütlich wehrt. „Du bist einen Tag früher gekommen

, da werden Vater und Mutter geschaut haben?" „Sie haben gar nicht geschaut, ich! war noch nicht drüben, drum bin ich ja einen Tag früh!er geklommen, daß ich zuerst zu dir gehen kann!" „Das ist nit recht, Gotthard, das hättest nicht tun sollen, schnell müssen wir hinüber gehn." Vom Ofengejims nimmt sie ein wol lenes Tuch herab und schwingt es um die Schultern, da blickt sie noch! einmal sich be sinnend auf das Kripplein zurück, nimmt das linde Weiße Tuch vom Tisch! und! wickelt es um Leib und Füßlein

19