.) Eine verhängnisvolle Wette. Roman von Martin L. Jacobsen. Copyright by Martin Fenchtwanger. Halle 1930. Ich kehrte wieder zur Gesellschaft zurück, und als es ein Uhr geworden war, schlich ich mich ungesehen in den Garten, ging zu dem kleinen Bassin beim Wohnhausbau. von wo ich die Fenster der Fürstin sehen konnte. Zu meiner lebhaften Befriedigung stand eines davon offen. Ich dachte in diesem Augenblick, der mir eine so große Erleichterung meines Planes brachte, gar nich an den sonderbaren Umstand, daß im Zimmer
einer alten kranken Frau ein Fenster offen stand! Im Nu hatte ich hinter einer großen Statue mein Kleid heruntergestreift, den Trikot unter der Brust über Hals und Kopf hoch- gezogen, ihn zugeknöpft, so daß nur Augen und Nase frer- blteben. Es schneite ganz wenig, und der Schnee zerging sofort auf dem Boden, dafür aber fror ich in dem dünnen, eng anliegenden Trikot ganz jämmerlich. Mit drei Sätzen war ich am Spalier und schwang mich an diesem empor. Vorsichtshalber hatte ich noch vorher meine Füße
ges Geräusch zu machen. Das Zimmer war leer, nur im Bett lag die Fürstin und schien zu schlafen. Lautlos wie eine Schlange kroch ich vom Fenster herab und schlich mich sofort hinter den Atlasvorhang. Die alte Frau schnarchte, wie eben alte Leute, wenn sie mit offenem Munde schlafen, schnarchen — es klang wie ein Röcheln! Ich nahm nun alle meine Energie zusammen, trat zum Nachttisch, entnahm der Lade den Schlüssel, öffnete die Kasse und hatte eine halbe Minute später das Dokument in meiner Hand
. Rasch schob ich es am Halse in meinen Trikot, sperrte die Kasse wieder ab. legte den Schlüssel wieder an seinen Platz — und eilte hin zum Fenster!" Hier machte Xenia eine Pause in ihrer Erzählung, als wollte sie über etwas nachsinnen. Julius Stocken sah, daß düstere und drohende Wolken über ihre klare Stirn flogen und sie sich förmlich zwingen mußte, weiterzusprechen. „Mein Herz war von Freude und Stolz erfüllt. Es war mir noch in letzter Minute gelungen, meine Wette zu gewinnen. _ „ fcl
. Nun aber rasch zum Fenster hinaus, vorsichtig am Spalier hinunter und zu meinen Kleidern! Ich fand sie am Ort, wo ich sie gelassen, zog den Trikot schnell unter meine Brust und war eine Minute später wieder in meiner Abendtoilette. Ich zupfte meine Haare wieder zu recht wischte meine Lackpumps an den Seidenstrümpfen ab und lief, so rasch ist konnte, wieder zur Gartentreppe zurück. Es hatte inzwischen zu schneien aufgehört, aber ich klapperte vor Kälte und Aufregung mit den Zähnen. Eins, zwei, drei