, in dem Menschenleben der Kunst des Arztes anvertraut waren, vergaß sie ihren eigenen Schmerz. Was war ein persönliches Unglück gegen all das Schwere, das so viele durchmachen mußten? Auch sie mußte mit sich fertig werden. Still und ernst wurde sie in diesen Tagen, ihr Gesicht schmaler und herber. Oft fuhr wie eine eisige Hand die Angst um Michael ihr ans Herz. Niemand wußte um ihn, nicht die Freunde, die auch vor dem schlechten Wetter und ihrer trüben Stimmung aus den Bergen zurück nach München geflüchtet
waren. Sie hatten das alte Leben wieder ausgenommen. Keiner wagte, vor Erdmuthe den Namen Michael zu nennen und keiner auf die Frau anzuspielen. Ernst Grün hatte sich bei der Wirtin Michaels erkundigt. Er war noch nicht zurück- gekehrt und hatte auch keine Nachricht gegeben, wann man ihn erwarten könnte. Ob er mit Beginn der Vorlesungen wieder da sein würde? Oder ob diese Frau ihn auch von der Arbeit fortlocken würde? Es war ein angstvolles Fragen in den Kameraden. Michael stand kurz vor dem Examen
. Er war zwar einer der Besten, aber schließlich, wenn's zum Examen ging, mußte jeder arbeiten. Michael durfte ja noch weniger Zeit verlieren als sie alle, denn er hatte am wenigsten Mittel. Aber wenn Ernst Grün mit Rudi Goerner allein war, dann mündete jedes Gesprächsthema immer wieder in Michael und dieser Frau. „Einmal muß er doch erfahren", sagte Rudi Goerner finster, „wie er von dieser Tänzerin betrogen wird." „Vielleicht wird er gar nicht betrogen", wandte Ernst Grün ein. „Vielleicht weiß er Bescheid." Dann schüttelte
denn doch nicht zu. Innerlich ist er ein sauberer Kerl. Wenn er Bescheid wüßte, dann wäre es aus mit ihm und dieser Anka." Eines Tages saß er mit Ernst Grün im Spatenbräu. „Neueste Abendzeitung gefällig, Herr Doktor?" fragte die Zenzi, die sie immer bediente. Sie legte die Zeitungen vor die beiden Freunde hin. Rudi blätterte gleichgültig in den Seiten. Plötzlich wurden seine Augen starr: „Ernst, hier höre mal, was hier steht." Ernst Grün sah erstaunt von seinem Teller auf. Was war denn mit dem Rudi? Der sah ja ganz komisch
?" fragte Ernst Grün, „das ist doch —" Rudi Goerner nickte: „Jawohl, das ist er —" „Wir können es nicht länger verantworten, Michael im un klaren zu lassen. Zum mindesten müssen wir feststellen, weih er oder weiß er nicht. Weiß er und bleibt trotzdem in diesen Kreisen, dann ist ihm nicht mehr zu helfen. Dann müsien wir auch innerlich radikal Schluß machen mit ihm. Weiß er nicht, so rüttelt ihn diese Geschichte vielleicht noch auf. Am liebsten führe ich gleich morgen zu Michael rauf." „Wie willst