als eine U e b e r r a s ch u n g. Wenn aber in England diese Berzichtleistung als eine großzügige Friedensgeste hin gestellt wird, so ist das offenbar ein Versuch, aus der Not eine Tugend zu machen. Der ein fache Grund für die englische Mäßigung ist vielmehr der, daß England im Wettrennen mtt den Vereinigten Staaten um die Vorherrschaft zur See der Atem aus gegangen ist. England hat eingesehen, daß jede Karte, die es ansspielt, von Amerika übertrumpft werden kann und wird, und daß es, wenn es aufs Wettrüsten ankommt, auf die Dauer nicht mitkommen
kann. Die englisch-amerikanische Rivalität zur See ist, wie so manche andere unerwünschte und unerwartete Erschei nung, ein Vermächtnis des Weltkrieges. Es ist die Ironie des Geschicks, daß England, indem es mithals, Deutsch lands Heer und Flotte zu vernichten, französischem und amerikanischem Militarismus Borspanndienste leistete. Während England sich nach Kriegsende zur Beseitigung des deutschen Nebenbuhlers beglückwünschte und den Bau von Schlachtkreuzern einstellte, setzte in den Bereinigten Staaten
vor der Aufgabe der eng lischen Vorherrschaft zur See. Jetzt ist er derjenige, der zuerst die Hoffnungslosigkeit des Kampfes eingesehen hat und der immer noch schlachtbegeisterten Admiralität in die Züge! gefallen ist. Die Lage ist eben einfach die, daß Amerika, wenn es die mächtigste Flotte der Welt haben will, sie haben wird, und daß England sich damit ab- finden muß. Das einzige, was England tun kann, ist, daß es Amerika von seiner brüderlichen Gesinnung zu überzeugen versucht, in der Absicht
dem Uncle Sam mit dem Oelzweig um die Nase wedeln, um ihn bei friedlicher Stimmung zu erhallen. England hat, wie die Dinge heute liegen, das größte Interesse an einer Verständigung mit Amerika über Flottenabrttstung. Daß es im Sommer in Genf diese ^Verständigung nicht herbeigeführt hat, war ein Fehler, dessen Tragweite man anscheinend in London be reits eingesehen hat. Was die Sachverständigen damals verpfuscht haben, können die Politiker heute kaum wieder gutmachen. England hat in Genf
wird unter diesen Umständen in Amerika nicht mehr als Bruderliebe, sondern als Schwäche gedeutet. Möglich, daß eines Tages doch noch eine Art Abrüstung zustandekommt. Inzwischen mutz England sich, anstatt auf ferne Schisse, auf die Aufrichtigkeit der amerikanischen Gesinnung verlassen, die Senator Lodge in die Worte kleidete: „Der Wasbingtoner Vertrag ist ein Experiment, und zwar ein gefährliches Experiment. Man sagt, eine große Flotte bedeute Krieg. Das Gegenteil ist der Fall. Eine große Flotte, in der Hand Amerikas