Aus einem Gespräch Mit dem österreichische« Gesandten in Berlin Vizekanzler a. D. Dr. Felix Frank. Wien, 25. Juni. (Priv.) ^>as Oesterreich von heute ist nicht mehr das der Vor kriegszeit, nicht mehr der Nationalitätenstaat, die Groß macht, sondern ein zwar national einheitliches, aber kleines Staatswesen, das hart um seine Existenz ringen muß. Oesterreich konnte in seinem Existenzkämpfe nicht die un mittelbare Hilfe des Deutschen Reiches in Anspruch neh men und beide Staaten
waren, da die Friedensoerträge ihre Vereinigung untersagten, genötigt, selbständige poli tische und wirtschaftliche Wege zu gehen. Niemals aber konnten die Friedensverträge verhindern, daß im deut schen Volke diesseits und jenseits der Grenzen das Be wußtsein der nationalen, kulturellen und wirtschaftlich enZusammengehörigkeit wach erhalten blieb, daß wir Oesterreicher ebenso innigen An teil an dem Schicksal des Deutschen Reiches nehmen, wie umgekehrt Deutschland an allen, was Oesterreich betrifft. Wir dürfen, obwohl
Presse seinerzeit die Meinung erweckt hat, als ob Oesterreich da mit sein Schicksal von dem des Deutschen Reiches trennen wollte, so hat der spätere Verlauf der Ereignisse diesen Irrtum auch in Deutschland berichtigt und gezeigt, wie notwendig es auch vom gesamtdeutschen Standpunkte aus war, Oesterreich vor dem Zusammenbruch zu retten. Das Deutsche Reich war damals wegen seiner eigenen Schwierigkeiten außerstande, uns Hilfe zu bringen. Wäre damals wirklich die Katastrophe in Oesterreich etngetreten
, so wäre unser künftiges Schicksal besiegelt gewesen, und zwar in einem den deutschen Interessen entgegengesetzten Sinne. Das Genfer Sanierungswerk hat uns die Wie derherstellung einer wertbeständigen Währung und das Gleichgewicht im Staatshaushalt, mit einem Worte, die staatsfinanzielle Gesundung gebracht. Das läßt sich heute schon feststellen, mag zur Vollendung des Werkes auch noch so viel zu tun sein. Unsere politische Ent schluß- frei heit wurde durch die Genfer Bedingungen auch nicht mehr
dazu bieten könnte, Verpflichtungen einzugehen, die ihre SpitzegegenDeutschland richten. Auch vom engsten österreichischen Standpunkt ans wäre das geradezu eine Herostrate Politik. Wichtiger als die Festigung der wirtschaftlichen Bande zwischen Oesterreich und Deutschland ist die Erhaltung der kulturellen Gemeinschaft. Oesterreich hört in dem Augenblick auf, Kulturstaat zu sein, wie es den Zusammenhang mit dem deutschen Geistesleben verliert. Daß dies nicht geschehe, ist nicht nur ein österreichisches