7.346 Ergebnisse
Sortieren nach:
Relevanz
Relevanz
Erscheinungsjahr aufsteigend
Erscheinungsjahr absteigend
Titel A - Z
Titel Z - A
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1905/26_02_1905/ZDB-3077611-9_1905_02_26_12_object_8418726.png
Seite 12 von 16
Datum: 26.02.1905
Umfang: 16
ziehung beklagte Christian manchmal, in den Stand der heiligen Ehe getreten zu sein, deshalb nämlich, weil mit der Ehe seine Stammtischsreuden ein jähes Ende gefunden hatten. Er war nämlich durchaus kein Verächter des edlen Gerstensaftes und vor allen Dingen ein Freund des gemütlichen Spielchens. In der ersten Zeit hatte Frau Henriette ihren Mann hie und da seinen alten Freundeskreis aufsuchen lassen; als er aber eines Tages lange nach Mitternacht erst heimkehrte, erklärte

sie mit Entschiedenheit: „Christian, es schickt sich nicht für einen ehr baren Mann, so lange in der Schenke zu sitzen! Wenn du ein Glas trinken willst, so kannst du das auch hier in Gesellschaft deines Weibes tun. Dann sparst du Geld und bleibst hübsch mäßig." „Aber, liebes Kind," hatte Christian Gottlieb schüchtern er widert, „mein liebgewonnener Tapp! Daran hängt mein Herz mehr als an einem Glas Wein oder Bier. Den wirst du mir doch nicht nehmen wollen?" gespielt und dazu einen Krug Apfelwein getrunken; allmählich

ausgelehnt und so heftige Drohungen ausgestoßen, daß Christian Gottlieb gerne von weiteren Ver suchen abstand. Um so nachdrücklicher genoß er aber in all jenen Fällen die ihm vergönnten Stunden verschwundener Freiheit, in denen sein Geschäft ihn in die Welt hinausfllhrte. Dann war Christian Gottlieb für einige Stunden wieder ganz der alte, und mit einer ver neue Vom in Berlin. „Schämen sollst du dich," hatte seine bessere Hälfte erregt entgegnet, „daß dir etwas lieber sein kann als deine Frau. Bisher

habe ich geglaubt, du habest mich aus Liebe geheiratet; es scheint aber daß ich mich täuschte." Dabei wischte sie mit der Schürze über ihre Aeugelein, als ob sie eine Träne be seitigen wollte. „Jettchen," schmeichelte Christian, dessen Herz durch Tränen alsbald wie Apfelmus gerührt war, „weine nicht' Du bist mir das Liebste auf der Wett und wenn du es wünschest, gehe ich nicht mehr a» den Stammtisch." „Mein Christian!" schnippte Frau Henriette und legte ihren Kops auf die Schulter des Mannes; „ich wußte

ja, daß ich dir lieber als Bier und Spiel bin, und ich hoffe, daß es so bleibt. Sieh'," fuhr sie mit ernster Miene fort, „das Kartenspiel ist eine Leidenschaft, die schon manchen ins Verderben gebracht hat! Ich mache abends mit dir ein Spielchen, und dann wirst du deine Freunde nicht vermissen." Seit Frau Henriette also zu ihrem Gatten gesprochen hatte, waren ungefähr fünf Jahre verflossen. Christian Gottlieb hatte anfänglich mit seiner befferen Hälfte allabendlich Sechsundsechzig unsagbaren Wonne sog

1
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1905/05_03_1905/ZDB-3077611-9_1905_03_05_11_object_8418741.png
Seite 11 von 16
Datum: 05.03.1905
Umfang: 16
nicht aus. Als Dickhut sich eine Stunde später zum Auf bruch anschickte, wollten seine Beine partout nicht mehr so wie er, und es blieb Herrn Schmitz nichts anderes übrig, als seinen Braunen anspannen und seinen Gast nach seinem Wohltort fahren zu lassen. Das war Wasser auf Christian Gottliebs Mühle. „Wilhelm," befahl er dem Kutscher unterwegs, „fahren Sie mich in N. in den Löwen! Hören Sie? Sollte ich schlafen, wenn wir dort ankommen, so wecken Sie mich! Sie bekommen auch eine Mark Trinkgeld." „Sehr wohl

. Ein kräftiges Schnarchen ant wortete ihm. Von neuem versuchte der Kut scher sein Heil, aber mit demselben Erfolg. Das Rufen vor dem Gasthause hatte die Bewohner und Gäste auf merksam gemacht, und bald um standen inehrere späte Zecher den friedlich schlummernden Herrn Bött chermeister. „Herr Gott! Das ist ja der Christian," jubelte jetzt eine kleine, joviale Gestalt, welche sich eben aus der Türe drängte. „Nun ja, er ist mal wieder seiner Alten aus drei bis vier Stunden entwischt und hat sich bemüht

, die goldene Freiheit nach Kräften zu genießen. Woher kommen Sie?" wandte er sich an den Kutscher. „Bon W." „War er bei Schmitz?" „Allerdings, denn dies ist Herrn Schmitz' G spann." „Weshalb halten Sie denn gier?" „Ich kaufe dir deinen Bart ab, Christian," scherzte der kleine Dicke. „Was willst du dafür haben? Ich gebe dir zwanzig Mark dafür, abtzr du inußt den Bart jetzt auf der Stelle ab schneiden." „Und ich zahle dreißig Mark. dafür," fiel Schwarz ein. „Damit kannst du dann lustig weiter tappen. Gilt's

?" 4 Herr D.ickhut strich sinnend über Gesicht und Bart, er war offenbar noch unentschlossen) aber das Wörtchen „tappen" prickelte ihn schon gewaltig. „Hast du Angst, Christian?" lachte Schwarz. „Sei doch kein Frosch! Der Bart wachst ja wieder." „Topp!" schrie nun Christian Gottlieb Dickhut und hielt die Rechte hin: „es gilt, aber sofort zahlen!" . H/ » f> „Frau Wirtin, eine gute Schere!" Kaspar Schwarz zählte drei Zehnmarkstücke auf den Tisch, dann nahm er unter allgemeiner Heiterkeit die inzwischen

Schwarz zahlte drei Zehnmarkstücke auf den Tisch, darin nahm er unter allgemeiner Heiterkeit die inzwischen herbeigeholte Schere zur Hand .. . „Herr Dickhut hat es so angeordnet." „Na, dann wollen wir uns unfern alten Freund Christian nicht entgehen lassen. Kinder faßt an! Wir heben ihn vom Wagen und tragen ihn in die Gaststube. Dort wird er schon wieder lebendig werden." „Hurra!" lachten die Umstehenden, „das tun wir." Fünf Minuten später saß Christian Gottlieb Dickhut am Stammtisch im Kreise

2
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/06_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_06_10_object_8415934.png
Seite 10 von 16
Datum: 06.10.1901
Umfang: 16
er theilnahmsvoll des Freundes Hand, welcher dann Henrik einlud, Platz zu nehmen. „Ach, Henrik," sagte Christian darauf, sich dem Kameraden gegenüber an den Tisch setzend, „ich glaube nicht, daß ich um meinen leiblichen Baker so trauern würde, wie um diesen edlen Mann, der sich meiner mit so grm er Liebe angenommen, der für mich bis in sein hohes Alter hinein so schwer gearbeitet hat, trotzdem er wußte, daß er die Zeit, wo ich ihm seine Mühe danken könnte, nicht er leben

, einmal ein großer Mann zu werden, da faßte mein Vater trotz seiner Dürftigkeit den Entschluß, mich studiren zu lassen. Ich kam hierauf auf die Lateinschule, sah einer schönen Zukunft entgegen und träumte nur von Freude und Glück. Jetzt bin ich plötzlich aus meinen eitlen Träumen auf geweckt. Jetzt tritt der Ernst des Lebens an mich heran. Der gute, treue Vater will Abschied von mir nehmen." Christian schwieg, und eine bange Stille herrschte in dem kleinen Zimmer. „Aber komm," brach Henrik, der den Worten

mit Ver wunderung gefolgt war, endlich das Schweigen, „ich be gleite Dich zum Rektor. Du mußt ihn noch heute um Urlaub bitten, damit Du morgen mit dem Frühzuge reisen kannst!" Mechanisch folgte Christian dem Freunde zum Hause des Rektors, zeigte demselben den Brief und erhielt den erbetenen Urlaub. In -aller Frühe des nächsten Tages reiste er fort, über beschneite, öde Felder dahin der Heimath zu. Hoch oben an der jütischen Ostküste lag das kleine, zu den V esttziumen eines Obersten von Friesenborg

Landesfarben roth und weiß ge strichenen Häusern da. Eine alte Frau in großen Holzschnhen stand in der niedrigen Thür uub schaute die Landstraße, auf der Christian vermuthlich heule kommen würde, hinauf. Jetzt wurde der Postwagen sichtbar, und der Postillon in seiner krebsrothen Uniform blies auf seinem Horn, ein Zeichen, daß er einen Passagier, der hier aussteigen wollte, mit sich führie. Der Wagen hielt, Christian stieg aus und fiel der alten Frau, die er als sein gutes Mütterchen begrüßte, um den Hals

. Roch ehe er eine Frage nach dem Ergehen des Vaters gethan, wußte er schon, daß keine Besserung eingetreten war. Das vergrämte Gesicht der allen Frau sprach deutlich genug. In einer niedrigen Kammer, durch deren kleines Fensterlein die Abendröche eben ihren letzten Gruß sandte, lag in sauberem Bette der todkranke Greis. Die ab gemagerten Hände hielt er gefaltet über der Brust, und die bleichen Lippen öffneten sich mühsam zu einem Will kommengruße, als Christian laut schluchzend hereintrat

3
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Land-Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/OBEWO/1910/29_01_1910/OBEWO_1910_01_29_15_object_8033367.png
Seite 15 von 16
Datum: 29.01.1910
Umfang: 16
legt's Euch mit dem Auszug!" — Christian schauerte und glühte abwechselnd — war das nicht wie aus ihn geredet? Er bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. Dort ein Mädchen wollte nicht haben, dass die Mutter im Hirtenhaus bleibe, — und er, ein junger, kräftiger Bursche, lag jahrelang darin? — Durfte er sich noch vor einem Menschen sehen lassen? „So, das saubere Früchtle ist auch noch im Hirtenhaus?" fragte plötzlich Mariebärble neben ihm, und als er erschrocken nach ihr blickte, fuhr

du, wär' ich in deiner Lage, eh' ich das gestände, eh' biß ich mir die Zunge ab, —- aber Tag und Nacht wäre ich dran, die Schande von mir zu bringen!" und eilte dem Mädchen nach. Als er sie erreichte, fragte er: „Hör', war das dein Ernst mit dem Hirtenhaus?" „Hast auch noch gelauscht?" entgegnete sie. „Freilich ist's nrein Ernst. Aber jetzt sei still, mit drei Vierteln Mehl auf dem Rücken vergeht einem das Schwatzen, zumal bergauf!" Christian leuchtete das ein; behaglich an seiner Pfeife saugend

, schritt er hinter dem Mädchen drein. Bald aber bemerkte er, wie das Mädchen unter ihrer Last keuchte, und das Knarren ihres Korbes mahnte ihn, ist's erlaubt, ledig nebenher zu laufen? Hilf doch! — Aber Christian wollte nicht recht dran, der Sack war zu rund und lang; endlich konnte er das Knarren doch nicht mehr mit anhören und sagte: „Hör', kannst den Mehlsack auf den Schlitten legen, zum Tragen ist er allzu schwer!" Erstaunt wendete sie sich nach ihm um. „Das sagst du, der Henk — der Wasserchristian

Mehlsack auf und ging davon. Christian sah ihr mit leuchtenden Augen nach; einen Stein hatten ihre Worte von seinem Herzen genommen, und mit einer Behendigkeit, die er sich selbst nie zugetraut hätte, brachte er den Holzschlitten seiner Mutter in Ordnung, band ihre Rodehacke darauf Ein zufriedenes, schalkhaftes Lächeln glitt über das Gesicht des Mädchens. Zweifelnd meinte sie dann: „Christian, — er ist schwer, 's könnte dich reuen!" „Was du kannst, vermag ich auch," entgegnete Christian

mit Selbstgefühl und nötigte ihr wirklich den Sack ab. Als er dann den Schlitten anzog, lachte er verächtlich: „Das Säckle, das fahr' ich nach Bautzen und dich dazu und spür's gar nicht!" „Wart's ab," warnte Mariebärble, und das schlemische Lachen zuckte wieder um ihre Lippen, als sie jetzt aufatmend den Schweiß von der Stirn trocknete. Christian konnte kein Auge von dem sauberen Mädchen verwenden, er ließ sogar seine Pfeife erlöschen und merkte es nicht, so stolz war er ans sich und seinen gescheiten Einsall

4
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/03_11_1901/ZDB-3077611-9_1901_11_03_9_object_8415997.png
Seite 9 von 16
Datum: 03.11.1901
Umfang: 16
Beilage nun „KMüheler Vesirks-Dote". MdakÄv», Druck und Verlag der Kgl. Bayer. Hofduchdruckevei von Sedrtder Reichel m LugAbmeg. —Gerade und krumme Wege. Novelle von Ludwig Blümcke. s4. Fortsetzung.! Wachdruck verboten.! Während die drei im Keller schurkische Pläne ersannen, lag Christian, von Glück und Wonne träumend, auf seinem Bette und harrte, da all' die wilden Gedanken wieder ein mal den Schlummer verscheuchten, mit Sehnsucht des komntenden Morgens. Der nächste Tag sollte das Glück

, zu ihrer alten Freundin, der Frau Lund, begeben und dieselbe gefragt, ob sie nicht Lust hätte, mit nach Guldaper zu kommen, um nach dem verwundeten Christian zu sehen. Die besorgte Mutter war natürlich gerne damit einverstanden gewesen. Und so kam es, daß sie beide Christian in seinem Zimmer, das er für einige Zeit nicht verlassen durfte, überraschten und in nicht geringe Verlegenheit setzten. Ueber und über erröthend, stotterte das gnädige Fräulein: „Sie entschuldigen wohl, Herr Lund

, daß wir so unangemeldet hier hereinbrechen, aber — aber es ließ mir — keine Ruhe, ich mußte sehen, ob — nun, ob Ihre Verletzungen nicht doch vielleicht ernstlicherer Natur wären, als es gestern schien." Christian versicherte in seiner hohen Freude, daß die Verletzungen absolut nichts auf sich hätten, ja, daß er sich glücklich schätzte wegen derselben, da er sie bei einem dem gnädigen Fräulein erwiesenen Dienste erleiden durfte. Inge tadelte ihn wegen solcher Rede, die ihm nach ihrer Meinung nimmermehr von Herzen

kommen könnte und nichts weiteres wäre als galante Schmeichelei. Gleichsam als käme es ihr plötz lich zum Bewußtsein, daß sie mit ihrem Krankenbesuche etwas thäte, das den Eltern nicht angenehm war, nahm sie etwas hastig Abschied und entfernte sich ans dem Zimmer, den glücklichen Christian mit seiner Mutter allein lassend. Als sie nun hurtig heimwärts schritt, pochte ihr Herz so ungestüm, zitterten ihre Hände, die ein Sträußlem von Frau Olus- sen trugen, so erregt, als hätte der Besuch ein böses

Fieber zur Folge. „Was trieb Dich nach Guld aper, was macht Dein Herz so unruhig?" fragte sich Inge wieder und wieder. Und da sie stets auf richtig und ehrlich gegen sich selber zu sein Pflegte, so konnte sie sich auf diese Frage keine Antwort geben als die: „Nicht bloße Theilnahme trieb mich, es ist etwas Höheres, Köst licheres, was mein Herz seit dem gestrigen Abend erregt, — es ist Liebe!" Ja, dasselbe, was Christian sich nach langem Leugnen eingestanden, daß er liebte, gestand

5
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/15_12_1901/ZDB-3077611-9_1901_12_15_9_object_8416091.png
Seite 9 von 16
Datum: 15.12.1901
Umfang: 16
Neilage mm „Lihbüheter Deürks-Dote'ü Redaktion, Druck und Perlag der Ägl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reichel in-Augsburg. Gerade und Krumme Wege. Novelle von Ludwig Blürucke. '~ÜuB-] * ———— (Nachdruck verboten.) Sechstes Kapitel, c&efunöcn. Es war Sonntag. Draußen goß es in Strömen vom bleigrauen Himmel hernieder, und drinnen im Toernskover Zilsprktorstnbchen knisterte lustig das Feuer im grünen Kachelofen. Christian Lund machte ein recht vergnügtes Gesicht

, und dazu hatte er auch allen Grund. Hatte er doch eben wieder einen Brief von der bekommen, an der sein Herz mit so treuer Liebe hing. Inge von Friesenborg hatte, nachdem sie, wie ivir wissen, vor einigen Wochen gleichzeitig mit ihrem Papa an Christian ge schrieben, heute einen zweiten Brief gesandt. Zwar war dieser Christian seinem Inhalt nach völlig un verständlich, aber er war ja doch von Inge und sollte jeden fallseinen jenerkindlichenScherze des gnädigen Fräuleins, die dem jungen Inspektor ja hinlänglich bekannt

als eine von ihnen. Mit ehrerbietigstem Gruß Inge von Friesenborg. Ein seltsamer Scherz! Die A.rede mit: „Sehr ge ehrter Herr Graf!" war eigentlich doch etwas sehr kindisch. Christian setzte sich dichter an den Ofen, stützte den Kopf auf den Ellenbogen und grübelte nach, was die liebe, kindliche Inge wohl eigentlich mit sol chem Scherz bezwecken wollte. Da trat Henrik Knudsen, der Forstassessor, der seinen Ur laub auf Toernskov verbrachte, in die Stube und sagte: „Komm' nur 'mal mit, Freundchen, — draußen steht ein eigenthüm- licher

alter Herr, der Dich zu sprechen wünscht. Er sieht aus, als wäre er etwas ganz Be sonderes, ist sehr elegant ge kleidet und trägt ein Ordens band im Knopfloch. Er spricht so seltsam aufgeregt, daß man annehmen muß, er hat seine fünf Sinne nicht. Jedenfalls ist er schrecklich nervös, denn feine Hände zittern wie Espenlaub." „Wer kann das nur sein?" fragte Christian, sich verwundert von seinem Stuhl erhebend, um hinaus zu gehen. Doch da klopfte es an der Thüre. Der alte nervöse Herr trat herein

6
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/13_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_13_10_object_8415950.png
Seite 10 von 16
Datum: 13.10.1901
Umfang: 16
kleidete, schlankgewachsene Dame die Fischhändler keineswegs. Das hätte der eifrige Leser wohl merken füllten, wenn er das Fräulein etwas größerer Aufmerksamkeit gewürdigt hätte. Es wäre ihm gewiß nicht entgangen, wie dasselbe Christian von Zeit zu Zeit musterte und dann wieder schnell das blonde Köpfchen wandte, um träumerisch in die weite Ferne zu schauen. Jetzt hatte das junge Mädchen den Schleier etwas gelüstet und richtete seine Blicke zaghaft abermals auf den jungen Manu

, der mit seinem hüb chen, geistvollen Gesicht und den schwarzen Locken auf ein Mädchen wohl Eindruck machen konnte. Christian schaute zufällig empor und fing einen der fragenden Blicke aus des Mädchens großen braunen Augen aus. Unwillkürlich entglitt da das Blatt seinen Händen, denn das Gesicht, über das eben sich eine sanfte Rothe ergoß, kam ihm gar bekannt vor, und der seltsame Blick verwirrte ihn. Er dachte nach, wer das schöne Fräulein sein könnte und wo es ihm wohl schon einmal begegnet wäre

. Doch da sein Nachdenken er|0liju)3 war und da die junge Dame wieder gleichgültig den Fischhändlern zuscbaute, so nahm er das Blatt von neuem zur Hand und las weiter. Die Zeit verging langsam genug. Endlich, endlich tönte die Glocke draußen, und der nach Norden fahrende Zug traf ein. Christian nahm seinen Lederkosser in die Hand, um einzus!eigen. Gerade in diesem Augenblicke wurden vom Schalter her laute Schelttmr.e vernehmbar. Ein altes Bäuerlein in schweren Holzschuhen bat flehentlich den Beamten

, ihm doch das Billet für zwei Kronen zu lassen. Er hätte nicht mehr Geld bei sich und müßte unbedingt noch nach N . . ., weil sein Sohn dort schwer er. rankt sei. Der Beamte nannte ihn mit zorniger Stimme einen Narren und forderte ihn auf, sich zu entfernen, da man für sein Geschwätz keine Zeit hätte. Dem gutherzigen Christian that der alte Mann, der ein recht verlegenes Gesicht machte und sich nach Hilfe umschaute, von Herzen leid; er hätte ihm gerne geholfen. Doch in seiner Börse befanden sich gerade

nur noch 10 Oere, und das reichte nicht aus. Da war also nicht zu helfen. Der Herr aus Deutschland kümmerte sich nicht um den Alten, er lief eilig zum Zuge. Doch dort war das Fräulein ja noch. Christian schaute sich um, als wollte er bei dem selben für das Bäuerlein Hilfe suchen. Aber dessen bedurfte es nicht, denn die junge Dame hatte bereits ihr Portemonnaie in der Hand und rief jetzt in energischem Tone den Schalterbeamten zurück, fragte, was dus Billet für den alten Manu koste, und bezahlte die drei Kronen

7
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/24_11_1901/ZDB-3077611-9_1901_11_24_9_object_8416045.png
Seite 9 von 16
Datum: 24.11.1901
Umfang: 16
Beilage rum „Lihbütieler Derirks-Voie". tmtd wob 8-rtag der »gl. «atz«. Hafdachö««»e«i 9on »ebrtder »eich«! m Tiiftlfwin llr,47 Gerade und krumme Wege. Novelle von Ludwig Blümcke. [7. Fortsetzung.l ^Nachdruck verboten. ] An: nächsten Tage begab sich Christian zum Pfarrer in der benachbarten Stadt, einem alten Freunde seines verstorbenen Vaters, und' besprach mit demselben, was zn thnn sei. Ein dem Pastor bekannter Rechtsanwalt suchte gerade einen Schreiber. Da meinte der geistliche Herr, dos

wäre zwar kein besonders ehrenvoller Po sten, aber ein doch immerhin nicht zu ver schmähender für den stellenlosen Inspektor. So kam es, daß Christian Lund S chreib er würbe. Er sühlte sich in diesen: Amte zwar höchst unbefriedigt und unglücklich, aber es brachte ihm ja doch Geld für ihn selber und für die alte Mutter ein. Dieser ging es übrigens recht schlecht. Sie war wieder schwer er krankt und konnte sich trotz der guten Pflege, die ihr die Herrschaften vom Schlosse und be sonders Inge

angedeihen ließen, nicht wieder erholen. Noch ehe es wieder Frühling wurde, nahm der Herr sie zu sich, zu seinen himmlischen Freuden. Am Begräbnißtage sprachen der Oberst, seine Gattin und Inge dem tiefbetrübten Christian mit warmen Worten ihr Beileid aus. Der Oberst ging in seinem Mitleid sogar so weit, daß er dem entlassenen Inspektor, dessen Schuld Erzherzogin Elisabeth von Oesterreich und ihr verlobter Prinz Otto zu windischgrätz. ihm durch seiner Gattin und Inges Beweise jetzt thatsächlich recht

zweifelhaft schien, eine Stelle auf dem Gute auf See land anbot. Doch Christian lehnte die Stelle dankend ab, da er dieses Anerbieten, wo seine Unschuld noch nicht er wiesen sei, für eine Gnade halten müßte, die seinen Stolz kränken würde. So blieb er also Schreiber. Doch nicht lange bekleidete er dieses beschwerliche und svenig einträgliche Amt. Ein glücklicher Zufall fügte es -"-Uch, daß er eines Tages mit seinem früheren Schulkameraden und intimen Freund Henrik Knudsen, der ir gendwo in der Nähe

als Forst praktikant weilte, zusammentreffen sollte. Anfänglich schämte er sich in seiner fadenschei nigen Kleidung vor dem schneidi gen Herrn in der grünen Uniform. Doch als derselbe ihv hocherfreut begrüßt und ganz so wie einst in glücklicheren Stunden behan delt, da faßte auch der einfache Schreiber Muth und fühlte sich wieder als froher Lateinschüler. Beim feurigen Weine in einem der ersten Hotels er zählten sich die beiden Männer dann ihre Erlebnisse. Henrik empfand inniqss Mitleid mit Christian

8
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Post
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/TIPOS/1901/29_06_1901/TIPOS_1901_06_29_10_object_7989580.png
Seite 10 von 12
Datum: 29.06.1901
Umfang: 12
Ein Gedanke durchfuhr wie ein Blitz seine Seele und ge wann Gestalt. Er, Christian Winter, wollte etwas Besseres schaffen, und dem Willen folgte die That. Ruhelos arbeitete dieser Mann an der selbst gestellten Aufgabe und zwei Tage vor der Preisvertheilung waren seine Kartons fertig. Er hatte in sechs Wcchen vollendet, wozu der Andere ein Jahr gebraucht. Prüfend ließ er sein Auge über die Gestalten schweifen, die seine Phantasie auf das Papier gezaubert, und er durfte sich sagen

seine Kinder liebkost, die er verlieren soll. Sorgfältig bezeichnete er seine Bilder und die des jungen Mannes mit verschiedenen Zeichen und schickte sie ab. Als der Schritt des Trägers, der die Bilder geholt, verhallt war, da sank Christian Winter auf feine Kniee und betete um Kraft, den Entschluß, der in ihm gereist, zur Ausführung bringen zu können. Den Tag daraus lag Berthold im Fieber und der Arzt betrachtete es als ein günstiges Zeichen, daß die Theilnahmslosigkeit von dem jungen Manne gewichen

das Ergebniß in der Halle des Maximilianeum zur Kenntniß des Publikums gebracht und gleichzeitig bestimmt, daß das preisgekrönte Bild in Fresken für das neue Rathhaus gesetzt werden sollte. In der Nacht des zehnten Tages brachte ein Bediensteter des Kunstvereins einen Brief zu Berthold. Christian Winter nahm ihn und lächelte. Ein seltsames Lächeln, dachte der Bote. Der Alte kannte den Inhalt des Schreibens eh' er's eröffnet, und wußte in diesem Augenblick ganz genau, welche Bilder gewonnen. Das Licht

flimmerte ihm vor den Augen und sein Arm stützte sich schwer ans den Tisch. Nach einigen Minuten erst vermochte er dem Boten zu sagen, das Berthold Landsee krank sei, er aber als sein Freund den Brief wohl abnehmen könne. „Und der junge Mann soll nicht wissen, welch ein Glück ihm widerfahren?" ries dieser; „das ist wirklich grausam." „Er soll es erfahren, sobald es besser ist," entgegnete Christian Winter mit Ruhe und beauftragte einen auf der Treppe spielenden Knaben, so schnell wie möglich

war er eingeschlafen, und als am andern Mittag der Arzt kam, konnte er ihn als gerettet bezeichnen. An diesem Tag übergab Christian Winter die Pflege des Kranken seiner Hausfrau und verließ nach Wochen zum ersten Male wieder das Haus. Wie von einer geheimnißvollen Macht gedrängt, lenkte er seine Schritte nach dem Maximilianeum, vor dessen Thoren die bewegte Menge auf- und abwogte. Es war ein heißer Juli- tag und um die vierte Nachmittagsstunde, die Straßen belebt von Menschen, die alle gekommen

9
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Land-Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/OBEWO/1910/12_02_1910/OBEWO_1910_02_12_17_object_8033407.png
Seite 17 von 18
Datum: 12.02.1910
Umfang: 18
auf dem Herzen ist ein Gespenst hinter dir! Das zwingt dich, du mußt fort und fort zurückblicken, ob es noch nicht zum Sprunge auf deinen Rücken ansetzt, — und dabei stolperst du über einen Maulwurfshügel im Wege! — Christian, vertraue mir, sage mir ehrlich, was dich quält, du wirst sehen, es wird dir leichter ums Herz! Was hast du begangen?" Christian kämpfte einen schweren Kampf; endlich aber legte er den Kopf müde an des Schreiners Brust und ein aufrichtiges Ge ständnis kam

über seine zitternden Lippen. Lorenz drückte Christian die Hand, sonst war er still, er wollte dem Armen Zeit lassen, sich zu sammeln. Endlich sagte er: „Christian, ich danke dir um meinet willen! Es ist ja freilich schlimm, arg schlimm, daß du schon so weit gegangen bist, aber zu verzweifeln brauchst du nicht, noch ist nichts verloren, — freilich, hohe Zeit zur Umkehr ist's auch; Chri stian, denk', ich wär' dein Vater, — willst du?" „Ach Gott, Schreiner, wür's Euer Ernst?" „Umsonst ist der Tod," lächelte Lorenz

. „Ich tu's auch nicht umsonst. Wenn du mich als deinen Vater ansehen willst, mußt du mir in allen Stücken Gehorsam leisten. Willst du?" „Ich gelob's Euch!" „Ich bin streng, Christian!" 1 „Je strenger, desto besser! Schreiner, mir ist, als wäre ich jetzt schon ein neuer Mensch, — verlaßt mich nicht!" Lorenz drückte seine Hand. Nach einer Pause begann er: „Eigentlich müßtest du nun auch den Bestohlenen dein Tun gestehen und sie um Verzeihung bitten, — aber das sind rohe Kerle, du wärest perschimpft

?" „Ihr redet deutlich!" „Zum dritten endlich mußt du überhaupt Wirtshäuser und liederliche Gesellschaft meiden, und tüchtig arbeiten. Die Arbeit, Christian, das ist die Hauptsache. Und jeden Sonntag lies ein Kapitel im Neuen Testament! — So, das wäre ungefähr, was ich jetzt weiß, — nach und nach wird noch mehr kommen. — Ja, daß ich's nicht vergeß, aus dem Hirtenhaus mußt du, je eher, desto besser. Sieh dich nach einem Dienst um; ans großen Lohn darfst du freilich noch nicht rechnen, das weißt du selber

, darauf kommt es auch für die erste Zeit nicht an, sieh zu, daß du eine rechtschaffene Herrschaft findest, das ist die Haupt sache Damit du aber bis dahin nicht müßig gehst, kannst du die Märmelsteine ausarbeiten. So, — jetzt hebe den Kops auf, denn mit Jammern und Seufzen lockt man keinen Hund vom Ofen; freilich darfst du auch nicht denken, mit einem ordentlichen Anfang sei schon alles gut. An fängen kann jeder, aber aushalten, Christian, aushalten 7~' ftegt’3! — Geh jetzt hinunter, und der Herrgott

10
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Post
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/TIPOS/1906/02_02_1906/TIPOS_1906_02_02_8_object_7994322.png
Seite 8 von 20
Datum: 02.02.1906
Umfang: 20
er- mordet und der Fehler werde durch seine, Pro- sorowskys, Ermordung wieder gut ge macht werden. — Ein Mord soll gutgemacht werden durch Hinzufügung eines Zweiten Mordes! Und diese revolutionäre Bestie wird von der sozialdemokratischen Gesellschaft als Göttin be jubelt und gefeiert. Der König von Dänemark +. König Christian IX. von Dänemark f. König Christian von Dänemark ist am Mon tag den 29. Jänner plötzlich im Alter von 88 Jahren gestorben. DieseTodesnachricht kommt sehr unerwartet, da, trotz

des hohen Alters des Königs von Dänemark, von einer Erkrankung desselben in den letzten Tagen keine Rede war. Nach dem Großherzog Adolf von Luxemburg, der schwer krank darniederliegt, war Christian IX. der älteste Fürst Europas. Von den Monarchen, die bei seinem Regierungsantritt herrschten, leben nur noch mehr Kaiser Franz Josef und König Christians Sohn, Georg, König von Griechenland. Kein dänischer Fürst vor ihm erreichte ein so hohes Alter wie Christian IX, aber auch kein Herrscher

hatte so ein wechsel volles Geschick und solchen Wandel der Schick sals- wie der Volksgunst erfahren als er. Da er am 8. April 1818 als der vierte Sohn des Herzogs Wilhelm und der Herzogin Luise Karoline von Glücksburg auf Schloß Gottorp das Licht der Welt erblickte, konnte Kömg Friedrich VIII. von Dänemark und seine Gemahlin Köniairr Luise. niemand voraussehen, daß er jemals den Thron besteigen werde. Zur Zeit regierte Frederik VI. der präsumtive Thronfolger Christian — später VIII. — war 31 Jahre alt, hatte kurz

und Oesterreichs in Schles wig ein, woraus König Christian im Friedens vertrage vom 30. Oktober 1864 auf die Her zogtümer Schleswig-Holstein und Lauenburg verzichtete. Hatte König Christian etwas Unangenehmes erlebt, so äußerte sich das bloß durch absolutes Schweigen. In den letzten Jahren wurde er noch schweigsamer. Das war darin begründet, daß aus der Reihe seiner Altersgenossen fast alle dahingegangen sind. In allen seinen Ge wohnheiten war der König von puritanischer Einfachheit. Fast jeden Tag

den Kronprinzen und mußte ihn um Geld ansprechen. Ein andermal er örterten einige im Ausstande befindliche Arbeiter ihre Lage, als der König vorbeikam. „Wollen wir den König um seine Meinung fragen!" rief der eine, und eine Stunde lang redete König Christian mit den Streikenden, die dann mit dem Rufe von ihm schieden: „Es gibt keinen König wie den unseren!" Von jedem höfischen Zwange losgelöst war die Lebensweise des Königs. Allabendlich nach dem Diner reichte der König jedem Gaste die Hand und sagte

11
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/17_11_1901/ZDB-3077611-9_1901_11_17_10_object_8416030.png
Seite 10 von 16
Datum: 17.11.1901
Umfang: 16
Olussen zog voller Ungeduld den Kompaß aus seiner Tasche und reichte den mit vielsagender Gebärde seinem Herrn. „Wer sähig ist," sagte dieser jetzt, „sich von seiner Jagdleidenschaft zum Wilddieben treiben zu lassen, der ist auch fähig, mit dem ehrlichsten Gesichte einen Meineid zu leisten. Ihre Worte nutzen nichts, Gegenbeweise will, ich haben. Geben Sie zu, daß Sie diesen Kompaß hier an Ihrer Uhr getragen haben und seit Sonntag vermissen?" Ohne Bedenken bejahte es Christian. „Der Kompaß wurde

au der Lauerhütte gesunden. Sind Sie dort gewesen?" Ohne eine Antwort zu geben, sagte Christian: „Ich merke, meine Feinde haben ein kunstvolles Netz gestrickt. Ich stehe wehrlos da. Mein Wort, das mir heilig war bis zu dieser Stunde, und das mir stets heilig sein wird, ist ineine einzige Waffe. Und das gebe ich Ihnen darauf, Herr Oberst, daß ich völlig unschuldig bin." Die bestimmte, sichere Art, in der diese Worte ge sprochen wurden, machte einigen Eindruck auf den erzürnten Herrn. Fast verlegen schaute

. Aber meinen treuen Beamten, Herrn Olussen und Axelsen, sowie dem alten Jakob bin ich es schuldig, daß ich Sie aus meinen Diensten entlasse. Gehen Sie also, wir beide haben nichts weiter miteinander zu sprechen." Er winkte mit der Hand, und Christian ging. Laut hämmerte das Herz in seii er Brust, laut pochte das Blut an seine Schläfen, seine Füße versagten fast ihren Dienst. Wirre, nebelhafte Figuren tanzten vor seinen Augen, und es war ihm, als sollte er tief, tief in die Erde versinken. Aber da tauchte

vor Jahren aus ihres seligen Gatten Munde gehört, daß Olussen ein Heuchler und Betrüger sei. Sie fand es sehr wahrscheinlich, daß er den ganzen Schurken, lan ersonnen hatte, um ihren ehr lichen Sohn aus dem Wege zu räumen. - Wie sollte es jetzt nur werden? Da war sie aus dem Paradiese ihrer süßen Hoffnungen nun plötzlich wieder auf die öde, traurige Erde verbannt. Ach, das war bitter. Inge weinte mit ihr und sprach ihr Trost zu, so gut es ging. Christian aber sagte, als er so mit anhörte, wie das gnädige

Fräulein mit schlichten, herzlichen Worten sprach: „Ich bin Mannes genug, um mich über dieses geringe Leid hinweg zu seren. Ich fühle mich gerade jetzt stärker denn je. Ich will Dich wohl in Ehren auch fernerhin er nähren, liebe Mutter. Und der Hinimel wird mir auch einmal Gelegenheit geben. Ihnen, liebes gnädiges Fräulein, all Ihre Güte zu danken." Als Inge nach Einbruch der Dunkelheit endlich Abschied von Fran Lund nahm, da trieb es Christian, ihr bis zum Schlüsse das Geleit zu geben

12
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/06_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_06_11_object_8415935.png
Seite 11 von 16
Datum: 06.10.1901
Umfang: 16
dem Herrn Oberst gemeldet hatte, trat dieser, der ihn hatte kommen sehen, schon aus seinem Amtszimmer, nötigte ihn mir einer Freundlichkeit, die den guten Christian höchlichst in Verlegenheit setzte, herein, bot ti nt einen Stuhl an und sprach mit ihm. wie mit einem guten Bekannten. Das Resultat der Berathung war, daß Frau Lund bis an ihr Lebensende im Dorse auf Gntskosten wohnen sollte Und daß Christian auf einem auf Seeland gelegenen Gute, das auch dem Obersten gehörte, die Laudwirthschaft

bei einem tüchtigen Oberinspektor erlernen sollte, nachdem er bis künftige Ostern noch die Schule auf seines Herrn Kosten besucht hatte. Voller Dankbarkeit schied Christian von seinem gütigen Herrn, um schnell nach Hause zu eilen, damit der Mutter so bald wie möglich der erfreuliche Bescheid würde. Als der Jüngling, dessen bescheidenes Wesen und dessen natürliche und dabei doch feine Umgangsformen jeden schnell für ihn einnehmen mußten, sich entfernt hatte, schritt der Oberst, ein breitschulteriger Herr

anweisen, erzählte mir eben die Mama. O, wie mich das freut! Ich mochte den ver storbenen Lnnd so gerne leiden, weil er stets so gut mit mir war. Und der Christian soll nach Seeland, um Landwirts) zu werden. Das ist ja wunderschön für ihn. Er war gewiß schon recht in Sorge wegen seiner Zukunft. Mir brach es fast das Herz, als ich den Jungen gestern beim Begräbniß so traurig sah. Du glaubst gar nicht. Papachen, wie mich das freut, daß Du Dich so erkenntlich erweisest für des Verstorbenen treue Dienste

." Der Oberst lächelte und strich mit seiner Hand sanft über seiner Tochter rosige Wange. „Mit wem hat dieser Offizier hier auf dem Bilde Aehnlichkeit?" fragte er dann, das Gemälde, das er eben wieder anznhängen im Begriff war, Inge zeigend. Das Mädchen betrachtete den Offizier eine Zeit lang, dann sagte es: „Mit Christian Lund hat er Aehnlichkeit." „Stimmt," sprach der Oberst, mit dem Kopfe nickend. „Ganz auffallende Aehnlichkeit hat er mit Christian." Inge schaute mit ihren gro' en, träumerischen braunen

Augen durchs Fenster und sah den beiden Buchfinken eine Weile zu, die draußen auf dem beschneiten Wallnnßbanm ihr Danklied anstimmten für die Vrotkrümlein, die sie ihnen nach ihrer Gewohnheit gespendet hatte. Dann wandte sie plötzlich ihr blondes Lockenköpfchen und rief aus: „Papa, so ist der Christian vielleicht gar kein Zigeunerkind! Ich kann es mir auch nicht den en, daß ein Zigennerbube ein so braver Jürigling geworden wäre." Der Oberst halte sich inzwischen an seinen Schreibtisch gesetzt

13
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/20_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_20_10_object_8415966.png
Seite 10 von 16
Datum: 20.10.1901
Umfang: 16
in der neuen Stellung war Christian, daß er so oft Sonntags oder an Feier abenden im Dorfe bei seiner Mutler sitzen und gemüthlich. ein Stündchen mit derselben plaudern konnte. Fügte es ein wohlmeinendes Geschick dann gar noch, daß das gnädige Fräulein zufällig auch im trauten Stüb chen der alten „Mutter Lund" saß, so kannte Christians Freude keine Grenzen mehr. Freilich, wenn er nach solchen Wonnestunden durch den finsteren Wald, der sich zwischen dem Dorfe und Guldaper hinstreckte, spät abends so ganz

, dessen Borhandensein der junge Mann sich selber noch immer leugnete, loderte höher und höher auf. Nun war Christian bereits ein halbes Jahr auf dem Gute gewe en. Noch schien er Olussen höchst ungefährlich zu sein, deswegen ging alles in gewohnter Weise seinen Gang. Ein an sich recht unbedeutender Zwischenfall sollte leider in dem guten Einvernehmen zwischen Olussen und seinem Unterinspektor eine Aenderung verursachen. Christian saß nämlich an einem warmen September sonntage lesend in einer der schattigen Lauben

des großen Parkes Da wurde er Zeuge eines ihm zwar unverständlichen, aber recht wichtigen Gespräches zwischen Olussen und dem Handelsmann Nathan der Stadt. Es handelte sich um eine Wagenladung Kartoffeln, die Nathan unter der Hand kaufen wollte/ Die beiden ehrenwerthen Geschäftsfreunde schienen sich über den Preis uneins zu sein, denn sie gestikulirten lebhaft und stritten hin und her. Als sie eben an der Laube angelangt waren, erhob sich Christian, um sich bemerkbar zu machen. Nicht ahnend

, daß das, was da verhandelt wurde, seinen Ohren verborgen I bleiben sollte, sagte er lächelnd: „Der Herr Nathan will doch niemals mit dem Gelde herausrücken. Solche Kartoffeln wie die unsrigen gibt es doch weit und breit nicht mehr in ganz Dänemark." Die verwirrten Gesichter und die seltsamen Blicke, die sich die beiden auf diese leicht hingesagten Worte ein ander zuwarfen, bewiesen Christian nun zu seiner nicht geringen Berwunderung, daß das Gespräch sich nicht um gewöhnliche Wirthschaftsangelegenheiten gedreht

wieder einen Christian unverständlichen ^ lick aus, dann sagte Nathan, der seine völlige Ruhe wiedererlangt hatte: „Der junge Herr hat verkehrt verstanden. Ich will keine Kartoffeln kaufen. Ich meine nur, daß die Kartoffeln, die für die hiesige Brennerei nächste Woche aus Aarhus ge schickt werden sollen, zu theuer sind. Das bestreitet Herr Olussen, und daher geriethen wir ein wenig aneinander, was aber durchaus nichts weiter zu bedeuten hat und der alten Freundschaft keinen Abbruch thut." Olussen lachte

14
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/06_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_06_9_object_8415933.png
Seite 9 von 16
Datum: 06.10.1901
Umfang: 16
, von dem vereinzelte Schnee flocken lnngsanl auf die hartgefrorene Erde nieder glitten. Während der Jüng ling so zum Himmel em- porschante, füllten sich seine klaren, blauen Augen mit Thränen, und die frischen, rothen Lippen öffneten sich wie zu stillem Gebete. Was hatte das nur zu bedeuten? — Gerade heute, an seinem Geburts tage, hätte Christian doch doppelt Ursache gehabt, heiter zu sein ltub sich seines jungen Lebens zu freuen. Aber mein, sein Kum mer hatte einen stichhalti gen, bitterernsten Grund. Soeben

hatte der Postbote ihm nämlich einen Brief von zu Hause überbracht, in beut ihm die Mittheilung gemacht wurde, daß sein alter Pflegevater, an dein er mit rührender, kind licher Liebe hing, sehr schwer darnieder liege und den Wunsch ausgesprochen hätte, bevor ihn der Herr abrufen würde, seinen Christian noch William Mac Präsident der vereinigten einmal zu sehen. Da lag der Brief, dessen steile, große Buchstaben theilweise von beit Zähren der Schreiberin, der treuen Gattin des Kranken, verwischt und unleserlich

ge worden waren, ansgebreitet ans dem Fensterbrette. Wohl zum dritten Male nahm Christian ihn in die Hand, um ihn noch einmal zu lesen. Als er ihn eben wieder bei Seite legen wollte, wurden . —'. draußen aus der knarren den altersschwachen Treppe Tritte vernehmbar. Der junge Lateinschüler trock nete schnell seine Thränen, barg den Brief in seiner Brnsttasche und stand auf, dem Kommenden, in dem er einen Schulkameraden vermnthete, entgegenzu gehen. Er hatte sich nicht getäuscht, der junge, ele gant

gekleidete Herr, der ihm lebhaft zurief: „Holla, Geburtstagskind! — Ist Mittlers Kuchenkiste an gelangt?" war Henrik Knudsen, sein treuester Ka merad und Freund. Der selbe machte ein recht ver- •- wundertes Gesicht, als ihm ans seine Frage keine ebenso lebhafte Erwide rung wurde, sondern Christian ihn betrübt bei der Hand nahm und ihn in die kleine Stube führte und ihnt ernst erklärte, daß die gute Mutter dieses Mal keine Zeit zum Kuchen backen gehabt hätte, da sie den todkranken Bater Tag und Nacht

15
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Land-Zeitung
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/OBEWO/1909/30_01_1909/OBEWO_1909_01_30_2_object_8032670.png
Seite 2 von 12
Datum: 30.01.1909
Umfang: 12
Frage zu erörtern, ob in der Gemeinde die allgemeinen oben betonten Voraussetzungen für das Hösewesen gegeben. (Schluß.) Horch ach: Anton Karle und sein Sohn Alois Karle handelten im Bambergischen bis zirka 1820 in Kurzwaren. Christian, Cgidi und Anton Schwarz handelten um diese Zeit inr Ansbachischen mit Schnittwaren. — Johann Singer und Josef Echlichthärle handelten bis zirka'1840 im Neu burgischen mit Schnittwaren. Georg Winkler mit Michael Winkler handelten zu Falgers Zeiten in der Schweiz

, früher handelten sie mit Franz Anton und Johann Winkler gemeinsam im Bam berg ischen. Hinterhornöach: Christian, Peter und Philipp Lechleitner han delten im Ansbachischen mit Schnittwaren. (Letz terer starb in Frankfurt a. M.) Josef Gundolf und sein Sohn Lukas handelten im Ansbachischen mit Kurzwaren bis 1820. Kteeg: Georg Maldoner von Hinterellenbogen bei Steeg handelte mit einem Sohne in Bayern mit mit Manufakturen. Ignaz Falger handelte von 1/74 — 1800 mit Manufakturen in Köln, Mast- nch

und Aachen; Josef Wildanger in Köln und Jülich 1775-—1800 mit Manufakturen; Gebrüder Philipp und Georg Dengel in Nimwegen von 1762—1785 mit Manufakturen; Alois und Christian Dengel im Herzogtum Berg von zirka 1778—1794 mit Manufakturen, errichteten dann später eine Bandfabrik in Reutte. Die Gebrü der Johann, Anton und Christian Dengel han delten in den Niederlanden mit Manufakturen zirka ums Jahr 1780; der Vater Christian Den gel hat diese Handlung angefangen und später seinen drei Söhnen überlassen

. Johann und Josef Geiger handelten in Brabant mit Tüchern von 1770—1783; der ältere Bruder Josef reiste 1781 nach Amerika. Georg Schüller handelte in Bruch sal mit Seide und Manufakturen. Christian Huber lernt die Chirurgie, sing dann später in den Niederlanden eine Handlung an (1770 bis 1781), reiste schließlich nach Amerika (Insel St. Thomas) und verehelichte sich dort mit einer Ne gerin. Johann Huber (Bruder des obigen) han delt mit Alrich Walch in den Niederlanden mit Manufakturwaren. — Walch

starb dort; Johann Huber aber reiste mit seinem Bruder Christian nach Amerika, sie handelten in Komp, und starben in Amerika. — I. Walch und I. Schüller in Weihrauch, die andern 3 Söhne handelten im Komp, handelten am Rhein rc., waren öfters in Herzogtum Berg mit Manufakturwaren. En de Paris zum Waren einkaufen, die Handlung en- der Handlung 1807. — Georg Schüller handelte dete zirka 1785; beide starben in der Heimat. I. in Elberfeld mit Seide und Manufakturen, über- Schreyeck handelte in Elberfeld

16
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/20_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_20_11_object_8415967.png
Seite 11 von 16
Datum: 20.10.1901
Umfang: 16
auf alles, was im Hause Olufsen und überhaupt in der Hofwirthschaft, mit der er nicht betraut war, sondern der alte Vogt Jakob, vor sich ging, ein scharfes Auge zu haben. Er war tagsüber zwar meist auf dem Felde beschäfligt, aber dennoch hoffte er, auch mit dem inneren Betriebe auf dem Gute bald genug so vertraut zu sein, daß er scharfe Beobachtungen würde anstellen können. — Um nun die unangenehmen Gedanken, die ihn seit dem Vorfall im Parke quälten, endlich los zu werden, begab sich Christian

heute schon früher, als es seine Gewohnheit war, zum Dorfe. Seiner Mutter verschwieg er, was ihn bekümmerte, da er ihr ihre heute besonders gute Laune nicht verderben mochte. Den Grund dieser rosigen Laune sollte Christian bald genug erfahren. Der war indessen nicht darnach an- gechan, ihn aufznheitern. Sein Gesicht versinsterte sich vielmehr ganz auffallend, als die Mutter ihm zur Erklärung ihres Frohsinns erzählte: „Vorhin war die Mamsell aus dem Schlosse hier, und die mußte mir etwas mitzmheilen

Glück für Inge werden? O, ich gönne ihr es von Herzen, daß sie glücklich wird. So ein Ministersohn muß es doch weit bringen können, der wird gewiß früh General." In diesem Augenblicke mußte es Christian klar werden, was das war, was er in seinem tiefsten Herzen für das schöne Edelfräulein hegte. Er wurde nämlich sehr traurig bei diesen Worten der Mutter, und etwas wie Neid und Eisersucht regte sich in seiner Brust. Mit in Falten ge legter Stirne stierte er einige Minuten stumm auf den Fußboden

keinen besseren, liebenswürdigeren Mann als den. Und er soll ein sehr schöner, stattlicher Herr sein. Du wirst ihn übrigens bald zu sehen bekommen, denn er ist auch zur großen Treibjagd, die über ein paar Wochen in Guldaper stattfinden soll, eingeladen. Er hat wegen einer kleinen Verletzung am Fuße sehr lange Urlaub." Christian schien das Lachen verlernt zu haben. Denn so ernst und träumerisch, wie er trotz der W/utter fröhlicher Plaudereien heute war, hatte die alte Frau rhn noch nie gesehen. Als er ihr beim

Abschiede die Hand reichte, sagte sie forschend: „Mir scheint fast. Du bist eifersüchtig, mein Söhnchen. Aber gedulde Dich nur, Du wirst auch noch wohl 'mal eine tüchtige Frau finden, wenn es auch keine Prinzessin ist." Christian lag in seiner Stnbe auf dem Bette und wälzte sich unruhig hin und her. Die Uhr draußen am Giebel des Gesindehauses schlug eins, schlug zwei, schlug drei und schlug vier, ohne daß er ein Auge geschlossen hatte. Da mar es Zeit, aufzustehen, die Knechte zu wecken

17
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/10_11_1901/ZDB-3077611-9_1901_11_10_10_object_8416014.png
Seite 10 von 16
Datum: 10.11.1901
Umfang: 16
Holzkloben ergriff und dem pflichteifrigen jungen Inspektor damit zu Leibe ging. Aber mit wuchtigem Hieb schlug Christian, aufs höchste gereizt, dem frechen Angreifer das Holzstück aus der Hand und bedachte ihn dann mit einer gründlichen Tracht Prügel. Außer sich vor Wuth eilten die beiden Knechte nun laut spektakelnd direkt auf den Hof, um sich bei dem Ober inspektor über das ihnen widerfahrene, unerhörte Unrecht zu beschweren. Olnfsen, der wohl sofort einsah, daß den Knechten kein Unrecht

gethan sei, that nichtsdestoweniger, als schenke er ihnen vollen Glauben und begab sich aufs Feld, um Christian zur Rede zu stellen. „Wie kommen Sie nur dazu, Herr Lund," sagte er, scheinbar sehr aufgebracht, „meinen treuesten Knecht zu prügeln?" Leicht erregt, wie er leider war, erwiderte Christian mit funkelnden Augen: „Ich that nur, was in der Ordnung war. Die beiden Faulpelze lagen in der Köhlerhütte und schliefen. Ich schalt sie deswegen aus. Darüber wurde Jversen so zornig

Lügen!" rief Christian erbleichend aus. „Ich hoffe, daß man mir mehr Glauben schenkt als selchen Lumpen. Und wenn Sie mich für einen Lügner halten, Herr Olussen, so werde ich auf der Stelle zum Herrn Oberst gehen und mir mein Recht suchen. Ich weiß wohl, daß ich hier in Guldaper manchem im Wege bin, weil ich meine Pflicht zu erfüllen bemüht bin." „Vergessen Sie nicht, daß ich Ihr Vorgesetzter bin," sagte hierauf Olussen mit erkünstelter Ruhe. „Den Ton, in dem Sie da zu mir sprechen, verbitte

ich mir ganz ent schieden. Wenn Sie nicht entlassen werden wollen, so gebe ich Ihnen den guten Rath: Betragen Sie sich etwas anständiger gegen mich, und vergessen Sie nicht, was Sie unserem Herrn Oberst zu verdanken haben." Christian wurde etwas ruhiger und sah ein, daß er in seiner Erregung sich vergessen hatte. Deswegen ent schuldigte er sich und versicherte in aller Ruhe, daß sich die Geschichte genau so zugetragen hätte, wie er sie eben erzählt. „Ja, wenn Ste so zu mir sprechen, Herr Lund," sagte

. Selbst wenn er Ihnen zu Leibe gegangen wäre, was dem harmlosen Menichen niemand zutrauen kann, durften Sie ihn nicht so unbarmherzig schlagen. Die Leute haben sich überhaupt schon verschiedentlich über Sie beklagt. Befleißigen Sie sich also eines besseren Umganges mit dem Gesinde, oder bitten Sie den Herrn Oberst um eine Stelle auf einem anderen Gnte." Damit entfernte sich Olussen, der in seinem tiefsten Herzen recht sroh des Vorkommnisses war, und ließ Christian in recht gedrückter Stimmung aus dem Felde zurück

18
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/13_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_13_11_object_8415951.png
Seite 11 von 16
Datum: 13.10.1901
Umfang: 16
Die Equipage war im Dorfe angelangt. . Bor einem kleinen, freundlichen Häuschen musste sie auf Inges Befehl hallen. Christian stieg ab und dankte dem holden Edel fräulein mit schönen, unterwegs wohlüberlegten Worten für die große Güte. Doch Inge lachte schelmisch wie ein Kind und sagte: „Ei, ei, Herr Lund, wer wird so über flüssige Worte wegen einer Sache, die doch selbst verständ lich ist, machen! Nun mochte ich doch sehen, was Ihre Mutter sagt." Bei diesen Worten stieg

sie auch ab und begleitete Christian in das saubere kleine Haus, in dem Frau Lund wohnte. Die alte Wittwe fiel ihrem Sohne unter Thränen der Freude um den Hals, und Inge freute sich mit den Fröhlichen. • Erst nachdem sie die alte Frau, die sie ihre Freundin nannte, recht herzlich begrüßt und nach ihrem Befinden gefragt hatte, bestieg sie wieder die Eqmpage, um zum Schlosse hinaufzufahren. Dort herrschte großer Jubel bei der Herrschaft sowohl wie bei der Die nerschaft über Inges Heimkehr ans dem Institut. Am fröhlichsten

geschmückte Hand erfassend, „aber stolz und hochmüthig, wie die meisten meiner Ge nossinnen im Institut waren, will ich niemals werden." Die im Grunde ihres Herzens ebenfalls recht gut- müthige und trotz eines gewissen Grades von Hochmuth doch gegen jedermann liebevolle Mama lächelte nun eben falls und meinte, Inge wäre noch ebenso ein großes Kind wie vor einem Jahre. Aber schließlich wäre ihr selber ein kindliches Gemüth auch lieber als ein allzu hochsahrender Sinn. Inzwischen tauschten Christian mtb

zu mir, saß an meinem Bette, suchte mich durch muntere Geschichtchen aufzuheitern und tröstete mich mit verständigen Worten. O, Du kannst es Dir^gar nicht denken, Christian, wie gut unser Fräulein ist! So demüthig, so gottesfürchtig, so kindlichen Sinnes ist Inge, wie wohl kaum ein zweites Edelfrünlein auf der Welt. Als ich zum ersten Male das Bett verlassen und hier vom Fenster die Frühlingspracht draußen' bewundern durste, da kam meine liebe Freundin, wie ich Inge nennen darf, um Abschied von mir zu neh

vergelten, was sie alles an mir thaten. Aber Du kannst statt meiner durch treue Dienste beweisen, wie dankbar wir sind. Thu' das nach Kräften in Dei ner neuen Stellung, mein lieber Junge." Christian versicherte, daß es ihm ganz gewiß nicht schwer fallen würde, einer so edlen Herrschaft ein stets treuer Beamter zu sein. Er erzählte auch aufs genaueste, was er ans der letzten Strecke seiner Reise erlebt, wie er selber Gelegenheit gehabt, des gnädigen Fräuleins Herzensgüte zu erfahren. Bis zum Einbruch

19
Zeitungen & Zeitschriften
Tiroler Post
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/TIPOS/1901/29_06_1901/TIPOS_1901_06_29_9_object_7989579.png
Seite 9 von 12
Datum: 29.06.1901
Umfang: 12
einen Schlag in das Gesicht, den er damit vergalt, daß er den Angreifer zu Boden warf, und als das Frühroth mit dem erbleichenden Monde um die Herrschaft kämpfte, lag Berthold schwer verwundet im Garten des Lokales und das Blut netzte seine blonden Locken. Der Sonnenaufgang fand Christian Winter neben seinem Tisch, wo er die Nacht zugebracht hatte, verloren in seine flüstern Gedanken. Ein schwerer und unerquicklicher Schlaf hatte ihn in dieser unbequemen Lage überrascht. Als er er wachte, färbte das Licht

. Behutsam legten die Träger den jungen Mann aus sein Bett, während Andere gingen, den Arzt zu holen. Christian Winter setzte sich au das Bett und wartete; nicht des eiteln und herrschsüchtigen jungen Mannes wegen, aber sein Herz litt um die arme Lilli. Als der Arzt kam, zeigte er sich sehr bestürzt, denn durch eine Säbelspitze war eine Schlagader verletzt. Es schien zweifelhaft, off er davon kommen würde, jedenfalls mußte zu seiner Pflege beständig Jemand da sein. Die Frage, wer solche übernehme

, war die Nächstliegende, und Christian Winter erklärte sich dazu bereit. Bei all' dem dachte er nur des jungen Mädchens, das ihm, dem Freundlosen, Theilnahme bewiesen, und der Mann, der von aller Welt vergessen war, wollte, wenn möglich, dem armen Kinde den Verlobten retten. Der Vater Lilli's wurde benachrichtigt und er kam, um mit Entsetzen die Kunde zu ver nehmen, die seinem Liebling Schmerz bereiten sollte. Sie kamen überein, dem Mädchen das Vorgefallene zu verhehlen und ihres Bräutigams Abwesenheit

mit einer nöthig gewordenen Reise zu seiner entfernt wohnenden Mutter in Verbindung zu bringen. Sollte sie des alten Mannes Abwesenheit gewahr werden, so wollte man ihr sagen, daß Christian Winter in Salzburg Arbeit gesucht und gefunden habe. Während dieser Zeit lag der schöne Berthold bewußtlos auf seinem Lager. Alle seine ehrgeizigen Pläne zerflossen in Nichts und sein Leben drohte in einem Biergarten-Streite seinen Ab schluß zu finden. Thun konnte man für ihn fast gar nichts, ausgenommen ihn bewachen

und von Zeit zu Zeit versuchen, etwas Fleischbrühe zwischen seine sestgeschlossenen Zähne zu bringen. Seine Augen schlossen sich nie, sie blieben offen, ohne Jemanden zu erkennen, ohne Verständniß für alles, was um ihn vorging. In seinen langen Mußestunden betrachtete Christian Winter- alle künstlerischen Arbeiten des jungen Mannes und vorzugs weise studirte er an der Preisarbeit Linie für Linie. Sein künstlerisches Auge ward wenig befriedigt, er vermißte die Seele in den Bildern und war fest überzeugt

20
Zeitungen & Zeitschriften
Kitzbüheler Bezirks-Bote
/tessmannDigital/presentation/media/image/Page/ZDB-3077611-9/1901/13_10_1901/ZDB-3077611-9_1901_10_13_12_object_8415952.png
Seite 12 von 16
Datum: 13.10.1901
Umfang: 16
nicht der Ehrenmann, für den man ihn hielte. Dieser Eine war Christians Pflegevater, der verstorbene Lund, gewesen. Und Lund hatte recht gehabt. Da derselbe nun aber niemals recht stichhaltige Gründe für seine Behauptung hatte anführen können, so war auch Christian davon überzeugt, daß sein sonst so scharfsinniger Pflegevater sich in diesem Punkte geirrt haben müßte. Mit aller Ehrerbietung und allem Respekt meldete er sich dann heilte Abend bei seinem neuen Vorgesetzten. Derselbe, den man nrit

seinem fahlen, runzeligen Gesicht und der großen Brille eher für einen gelehrten Stuben hocker als für einen wetterfesten Landmann halten mußte, saß, in laildwirthschastliche Bücher verliest, in der geräumigen, etwas dürftig möblirten Wohnstube des langgestreckten, mit Stroh gedeckten Wohn hauses. Mit übergroßer Freundlichkeit hieß er Christian willkommeil, stellte ihn seiner Frau, einer älteren Dame mit verschmitztem Gesichtsausdrucke, vor und nöthigte ihn fürsorglich, doch eine Tasse Thee oder ein Glas

Grog nach der beschwerlichen Fuß tour zu trinken. Christian fühlte sich bei den liebens- würdigell Leilteil ans der Stelle heimisch und pries in seinem Herzen den Himmel, der ihn heilte mit Freude linb Glück so reich gesegnet. Herr Olnfsen erkundigte sich mit großem Interesse nach der alten Frau Lund und verrieth in nichts, daß er deren verstorbenen Mann einmal tödtlich gehaßt hatte, weil derselbe durch seinen Scharfsinn einen kleinen Einblick in das Treiben auf Gnldaper bekommen und des halb

so wahre, aber recht kränkende Aenße- rnngen gegen ihn gemacht hatte. Nach allem, was Christian also heute von seinem Vorgesetzten sah und horte, mußte er die denkbar günstigste Meinung von demselben bekommen. Dieselbe wäre freilich sofort geschwunden, wenn der arglose junge Mensch das Gespräch belauscht hätte, das der Oberinspektor, nachdem er sich entfernt hatte, mit seiner klugen Gattin führte. «Fortsetzung folgt.) Eine Hochstapleri» des 18. Jahrhunderts. Bon H. von Remagen. tSchluß.l

21