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Brixener Chronik
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Seite 9 von 12
Datum: 06.02.1906
Umfang: 12
, dauerte es nur einen Augenblick, bis der König über das Tier die volle Gewalt wiedergewonnen hatte. Mit kräftiger Hand das Pferd für diesen unerlaubten Seitensprung züchtigend, sprengte der Fünsund- achtzigjährige unter ungeteilter Bewunderung der Anwesenden davon. Nach seiner Reittour gab sich König Christian der Lektüre hin. Er las namentlich Blätter, nicht aber in Auszügen wie viele andere Monarchen, sondern die ganzen Zeitungen, und er selber be stimmte, welche Zeitungen er halten wollte. Er las

seine Blätter gründlich, sprach sich oft über das Gelesene aus und ließ sie sich regelmäßig nachsenden, wenn er auf der Reise war. Trotz seines Alters liebte König Christian zu reisen. Seit zwanzig Jahren besuchte er jährlich regelmäßig Wiesbaden, dessen Kur ihm sehr zusagte. Während seines Aufenthaltes daselbst suchte er mit der Bevölkerung in unmittelbaren Verkehr zu treten, in der Regel unerkannt. So benutzte er mit Vorliebe die Straßenbahn und wohnte Volkskonzerten bei. Und wenn er zu seinem Hotel

in Fredensburg sein Automobil bestieg, machte sich der Alte schleunigst aus dem Wege, worauf der königliche Automobilist ihm nachrief: „Explo dieren kann die Maschine nicht, Schwiegervater!' Von seinen vielen Schlössern bevorzugte König Christian Schloß Bernstorff. Eigentümlich war in diesem Schlosse, daß die Zimmer der verstorbenen Königin Luise jedes Jahr beim Einzug des Hoflagers genau so bereitgehalten wurden, wie die Königin es zu ihren Lebzeiten verlangte. Sobald der König eingezogen war, besuchte

er die Zimmer seiner verstorbenen Gattin; merk würdigerweise sprach er von der Königin sast nie; an ihrem Geburtstage wie an ihrem Todestage aber versammelte sich die ganze Familie regel mäßig an ihrem Sarg im Dome zu Roskilde. Den Winter verbrachte König Christian sehr still ans Schloß Amalienborg in Kopenhagen. Um 1 Uhr nahm er sein Frühstück und um 7 Uhr sein Mittagessen ein; am Abend wurde Whist gespielt oder dem Theater ein Besuch abgestattet. Wenn Gäste am Hofe waren, nahm der König

in seiner Tageseinteilung auf diese größte Rück sicht und beteiligte sich selber trotz seines hohen Alters an Jagden und Ausflügen. In der Regel war König Christian Sei den Wagenausfahrten selber Kutscher und neben ihm auf dem Bocke saß eine seiner Töchter, öfters die Kaiserin von Rußland. Wenn am Abende das Kartenspiel be endigt war, pflegte der König sich für eine kurze Dauer unbemerkt zu entfernen; er besuchte als- dann seine Pferde, die er felber in völligem Dunkel zu füttern liebte. Die Tiere kannten ihn

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