^%eite 2 Unterhaltungsbeilage »Ich ... ich darf nicht!" Birsher heftete einen starren, verdüsterten Blick auf Justine. Sie gewahrte es, aber — wie ein Blitz fuhr es ihr durchs Herz; dem strengen Protestanten durfte sie, selbst im Scherze, das katholische Heiligen bild auf ihrer Brust nicht zeigen. Sie sträubte sich entschieden gegen sein Verlangen, es zu sehen. Er begehrte es freundlich, .dann ernstlicher, dann mit kalter Bestimmtheit. „Nimmermehr!" rief sie, „Monsieur trauen
mir zu, daß sich nichts Böses in diesem Medaillon be findet; aber ich bestehe nun einmal auf meinem Ge heimnis!" Mit diesen Worten reißt sie das Band von ihrem Halse, um es in ihrer Tasche zu verbergen. Das Me daillon fällt von dem Bande, stürzt zu Boden. Die Kapsel springt. Justinens unsichere Hand erfaßt diese. Georg rafft das Bild auf, betrachtet es, ehe Justine es verhindern kann, mit bitterem Lachen und gibt es dann der Trägerin zurück. „Ich gratuliere zu dem geliebten freunde!" sagte er und Justine glaubte vor Scham
und Bestürzung tn die Erde zu sinken; das Bild ist James in der vollen Blüte seiner Jugend: sprechend ähnlich, herr lich gemalt. Sie verstummt, das ungeheure Miß geschick nicht begreifend. Der Amerikaner sagt aber mit zitterndem Tone zu ihr: „So ist es denn wahr, Jungfer Justine? Ich war der Betrogene? Sollte der Betrogene bleiben? Armes Geschöpf, ich bemit leide Sie!" Ohne noch ein Wort hinzuzufügen, verließ er Ju stine, die, ebenfalls ohne ein Wort der Entschuldi gung beizusetzen, ihm sprachlos
und beklommen nachstarrte. Indem er eilig und außer sich dahinschoß, begegnete ihm — zu seinem Entsetzen — der Mensch, den er gestern gesehen, den das Bild vorstellte. „Sind Sie ein Engländer?" fragte er hastig, den Jüngling bei der Brust fassend. „Ja, Herr." .1 „Heißen James?" ’ •{' „James White." „Sie lieben meine Braut, Justine Müssinger?" „Mein Gott, was soll das heißen? Woher wissen Sie?" „Ihr Pflegevater hat mir alles entdeckt." »Wie? Doktor Leupold?" f „Derselbe. Sie werden geliebt!" p Mein Herr
^" 'I „Sie trägt Ihr Bild auf der Brust .. ." „Ach, mein Herr, Sie sind ein Engel, wenn Sie . . ." „Stille. Warum ließen Sie mich im Dunkeln tappen, damit ich schmerzlicher erwachen mußte? Das war unrecht von Ihnen. Brav jedoch, daß Sie nicht nach Amerika folgen wollten. Darum renne ich Ihnen auch nicht den Degen durch den Leib. Seien Sie glücklich! Ich sage mich von ihr los!" Er ließ den Staunenden, Bebenden stehen und eilte, seine aufwallende Wehmut zu unterdrücken, weiter. Unfern vom Rathause stieß