¬Der¬ Kunstfreund ; N.F., 22 - 23. 1906 - 1907
herausragen, weithin sichtbar. Man kann sie nicht übersehen, kann nicht an ihnen vorbei, ohne sich mit ihnen auseinander zu setzen. Wohl legt das Leben schwer und wuchtig auch auf sie die Hand und möchte sie zu Boden drücken, der großen Menge gleich machen, aber es ist umsonst. Menschen, wie Karl May, verstehen es, sich zu behaupten. Es sind sieghafte Naturen, sieghaft selbst da, wo es eine scheinbare Niederlage gibt. Auch Karl May kennt solche Niederlagen, er kennt genau die Geisterschmiede
, von der er in seiner groß angelegten arabischen Phantasie „Babel und Bibel' erzählt, daß man dort Geister schmiedet. „Der Sturm bringt sie geschleppt um Mitternacht, Wenn Wetter leuchten, Tränenfluten stürzen. Der Haß wirft sich in grimmer Lust auf sie, Der,Neid schlägt tief ins Fleisch die Krallen ein, Die Reue schwitzt und jammert am Gebläse, Am Blocke steht der Schmerz, mit starrem Aug' Im rußigen Gesicht, die Hand am Hammer —' Karl May kennt die Hammerschläge des Schmerzes, aber sieht er aus, wie ein Ueberwundener
? Nie nnd nimmer! Aus jeder Niederlage hebt sich seine Seele nur um so kraftvoller wieder empor, jede Niederlage war ein Meiselschlag, der mehr und mehr das Kunstwerk förderte. Unter diesen Meiselfchlägen mag manches Weiche, nicht Widerstandsfähige zerbrochen und ge storben sein, was aber blieb, das war das Starke. Und in Karl May ist viel Starkes. Da von zeugt die heitere, von jeder Verbitte rung freie Klarheit seiner Lebensausfassung. Die konnte ihm trotz allen Anfechtungen nichts rauben
, so wie nichts ihn abbringen konnte von dem Streben nach seinem un verrückbar sestcm Ziel. Wenn der Karl May von heute naturgemäß nicht mehr derselbe ist, wie der, der einst seine Leser „Durch die Wüste' menschlicher Forschung führte, so änderte das doch nichts an jenem Ziel, das ihm seit damals vor Augen schwebte und dem all sein Schaffen gegolten hat, bis jetzt und ferner gelten wird. Er hat es uie aus den Augen gelassen, ihtn galt all sein Wandern und Wagen. Auf Wegen, die neu sind, die vor ihm vielleicht
, aber ihn schreckt kein Arbeitsberg und wäre er auch riesengroß, ihm ist kein Pfad zu.rauh für sein Wandern und Entdecken, denn er weiß, wenn unser Leben köstlich war,. „so ist es Mühe und Arbeit gewesen'. Hinter Karl May liegen ernste. Schaffenstage, Schaffenstage, die viel erzählen könnten, von unsagbarer Ge duld und schier heldenhafter Ausdauer, deren ganzen Umfang vielleicht niemand zu ermessen vermag, selbst wenn man tiefstes Verstehen des gewaltigen Lebenswerkes vor aussetzt. Auf feinem Weg liegt