Deutsche Dichter auf Reisen : mit sechs Bildern nach Zeichnungen von Goethe, Chamisso und Scheffel
Chamiffos Weltreise. Am Abend des ^6. Juni ließ der „Rurik' in der Reede von Portsmouth die Anker fallen. Nach fast dreijähriger Abwesenheit betrat (Lhamisso wieder den Boden Europas. Drei Tage später, nachdem er sich in Portsmouth mit Wäsche und Kleidern neu ausstaffiert hatte, fuhr er mit einem Wagen nach London. „Um vier Uhr saß ich im Wagen,' erzählt er, „und sah aus dem Schlage die Marksteine mit unglaublicher Schnellig keit an mir vorübergleiten. Ich erkannte im Fluge manche pflanze
der heimischen Flora und der purpurne Finger hut mit seinen hohen Blütenrispen schien mir ein freund liches Willkommen zuzuwinken.' 34) Die Millionenstadt machte auf ihn einen gewaltigen Lindruck: „London ist entsprechend dem Begriff einer großen Stadt ein riesenhafter Menschen-Ameisenhaufen, ein unermeßlicher Menschen-Bienenbau, bei dessen An sätzen ungleiche Kräfte unregelmäßige Zellen hervorge bracht haben. Das Bedürfnis hat die Menschen zu sammengebracht; sie haben nach dem Bedürfnis sich an gebaut
; ein Naturgesetz, das als Zufall erscheint, hat den Plan vorgezeichnet, die Willkür hat keinen Teil daran; und wenn die Stadt stellenweise dekoriert wor den, beweist es bloß, daß dekorieren dem Menschen zum Bedürfnis geworden.' <Ls ist nicht uninteressant, daß (Lhamisso dagegen St. Petersburg bloß als eine De koration, freilich eine groß angelegte und prächtig aus geführte, erschien. In London verkehrte (Lhamisso ausschließlich mit Gelehrten, und während er Museen, Bibliotheken, Gär ten und Menagerien besuchte
