¬Die¬ Südtiroler Frage : Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit
die Regierung aufgefordert, rücksichtslos mit entsprechenden Maßnah men vorzugehen. Noch vor Jahresschluß ordnete ein Präfektur- dekret die Entfernung aller Bilder von Andreas Hofer, Haspinger und Speckbacher aus den Schulen an, damit die Erinnerung an die große Zeit der Freiheitserhebung in dem heranwachsenden deut schen Kinde gelöscht werde. Am 10. Januar iga3 folgte ein Erlaß des Trienter Schulamtes, demzufolge die deutschen Schulen der unterländischen Gemeinden Leifers, St. Jakob, Branzoll und Salum
aufgelöst und alle deutschen Kinder vom sechsten bis vierzehnten Lebensjahre zwangsweise zum Besuch italienischer Schulen ver pflichtet wurden und der jeden Unterricht in deutscher Sprache untersagte. Hunderten von Kindern war damit das Recht genom men, in der Muttersprache Schreiben und Lesen zu lernen. Aber auch diese Maßregel war den Verwelschungsfanatikem noch nicht genug. Auf andere Gemeinden sollte die Bestimmung ausgedehnt werden. Ja, am i. Februar entwickelte Professor Dario Emer
, der der beratenden, dem Präf ekten beigegebenen Kommission angehörte, im „Popolo d Italia ein weitblickendes Programm zur Italiani sierung der Südtiroler Mittelschulen, und darüber hinaus stellte er Richtlinien auf, unter denen die Weiterbildung der deutschen Ju gend auf österreichischen und deutschen Universitäten verhindert werden sollte. In diesen Zusammenhang gehört auch die Entsetzung des Salurner Pfarrers Belueg, der sich geweigert hatte, italienische Aufschriften auf dem Friedhofe seiner Gemeinde
zuzulassen, und um dessentwillen es zu faschistischen Übergriffen gekommen war : der erste Fall eines Hinüberspielens des nationalen Kampfes in die Kirche. Riesengroß wuchs die Gefahr, daß der deutschen Bevölke rung die Grundlagen ihres nationalen Daseins entzogen wurden. Das war die Lage, in der sich der Deutsche Verband entschloß, auf Anregungen lokaler faschistischer Führer einzugehen und Ver-