¬Die¬ Südtiroler Frage : Entstehung und Entwicklung eines europäischen Problems der Kriegs- und Nachkriegszeit
NEUE FASCHISTISCHE OFFENSIVE 325 erste Verwarnung, die ihn der Gefahr aussetzte, von dem scharfen Pressedekret des Vorjahres betroffen zu werden. Gleichzeitig ging man gegen die geheimen Verbände vor. Es fanden zahlreiche Haus suchungen bei faschistenfeindlichen Persönlichkeiten statt, im gro ßen und ganzen ohne Erfolg, und unter leeren Verdächtigungen wandte man sich gegen den deutschen Bauernbund, der eine Unter suchung über seine Tätigkeit und Vermögensverwaltung über sich ergehen lassen
ein, die, aus den gemeinsamen lokalen Interessen hervorgewachsen, eine Verständigung zwischen den beiden Bevölkerungsteilen erstrebte. Es erregte in den faschisti schen Kreisen nicht wenig Entrüstung, daß zu Jahresbeginn etwa hundert italienische Mitglieder aus der Bozener Handelskammer aus traten und eine neue wirtschaftliche Vereinigung bildeten, die sich die Zusammenarbeit mit der deutschen Kaufmannschaft zur Auf gabe machte. Vertreter der deutschen Handelskreise reichten ihnen die Hand, und es war immerhin
ein bedeutsamer Vorgang, daß Ende Januar eine gemischte Kommission unter Führung des deutschen Abgeordneten Dr. Tinzl und des faschistischen Abgeordneten Bar- duzzi sich nach Rom begab, um mit Mussolini und den einzelnen Fachministern über wichtige wirtschaftliche Fragen Südtirols Rück sprache zu nehmen. Es wurden insbesondere Wünsche hinsichtlich der Verlegung des Bozener Bahnhofs, des Baues der Stilfser Joch- und Vintschgaubahn, der Anlage von Automobilstraßen nach Bozen, Meran und dem Brenner
, der Gleichstellung der Bozener Handels schule mit den staatlichen Schulen, der Erleichterung einzelner in dustrieller Unternehmen und der Berücksichtigung der Südtiroler Erzeugnisse bei den Handelsvertragsverhandlungen mit Deutschland vorgebracht. Tinzl betonte bei dieser Gelegenheit von neuem die Bereitwilligkeit der deutschen Bevölkerung zur Mitarbeit an den