¬Die¬ Rose der Sewi : eine ziemlich wahre Geschichte aus Tirol
— 100 — Endlich gab sie das Zeichen zum Aufbruch und erhob sich, aber da sie die langen Bänder ihres Hutes über die Stuhllehne hatte in die nächste Tischgenossenschaft hinein hängen lassen, so war nicht zu verwundern, daß sich ein anderer Zecher, der ihr rückwärts saß, darauf gelegt. Als sie ausstand , rissen daher die Bänder, wie nicht anders zu erwarten, und wären langsam zu Boden geflattert, wenn sie nicht Florian behende aufgefangen hätte, jedoch nicht nm sie der britischen Jungfrau
zurückzustellen, son dern um sie als ein freundliches Angedenken an diese trauliche Stunde für sich zu erbitten — eine Bitte, die, ihm auch sofort gewährt wurde. Miß Lucretia Johnson aus Carlisle zeigte sich aber über diesen Unfall gar nicht ärgerlich, sondern citirte ganz heiter den Ausspruch eines deutschen Dichters, daß man nicht ungestraft unter Palmen wandle. Florian hielt es nun für seine Pflicht, dem liebens würdigen Mädchen auch die innere Halle, vielmehr das niedere, drückende Gewölbe zu zeigen
, welches als das Elysium der bayerischen Trinker betrachtet wird. Dort saßen alle Tische voll und in den engen Gängen, die sich dazwischen hinschlängeln, standen die biedern Zecher Mann an Mann, so daß weiteres Vordringen, wenigstens einer Dame, nicht möglich war. Miß Lucretia bemerkte übri gens, ohne von Florian darauf hingewiesen zu werden, daß das Gewölbe sehr übel roch, daß es voll Tabaks qualm, daß die Tische alle naß und in der Flüssigkeit schon viele Rettichscheibchen und Cigarrenrestchen ertrunken