Tiroler Novellen der Gegenwart : mit biographischen Notizen.- (Reclams Universal-Bibliothek ; 6151/6152/6153/6154)
man über die Dächer der tiefer liegenden Straße?!, über die Save lind über die Ebene blickte. Lisa saß auf der Mauer, ihr Gesicht war hell beleuchtet. Die lichte Nacht schien es unendlich Zu verschönern. Georg stand vor ihr, faßte sie an beiden àmen, sah ihr bittend, aber wie er fühlte, ganz unsicheren dunklen Blickes in die àgen und sagte ihr alles, was er nun lange genug in sich getragen hatte. Lisa errötete. Es schien ihm, als ob es vor Freude sei, aus einein Gefühl der Befriedigung
, des Triumphes heraus. Dann sah 'sie ihn lange an, drückte seinen Ropf an ihre Brust/ küßte ihm Wangen, Mund, Augen, rasch und wild. Nahm seine Hand und strich fortwährend über sie. Blickte ihn aber nicht-an, sondern schaute reglos über die Gärten und Dächer hinaus. Georg störte sie mit keinem Wort. Sah unverwandt auf das dunkle Profil, das sich von der hellen Nacht ab zeichnete, verging in verlangen nach ihr. Dann riß sie sich aus ihrem Schauen los, zog wie fröstelnd die Schultern hoch, um die ein dünnes
Tuch lag, und sagte- - leise: „Sei mir nicht bös und verzeih' mir, wenn ich dich vielleicht dann und wann anderes glauben ließ. Aber-es ist nicht möglich. Ich kann Bianka nicht verlassen/' Sie gingen stumm, Hand in Hand, zur Gesellschaft zurück, deren Lärm sie jetzt erst wieder vernahmen. Eine Viertelstunde lang hatten sie die Welt verlassen gehabt. Km nächsten Nachmittage, als es schon gegen Abend ging, standen Georg und Richard im Bahnhof vor dem Zuge, der die beiden Schwestern und den Vater
hinauf nach Budapest bringen sollte. Georg drückte Lisas Hand, sie'sah ihm freundlich und herzlich ins 5^ ^ 57