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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 6 von 14
Datum: 15.09.1916
Umfang: 14
Märztage geschehen, daß die steine -Gräfin Sofie Luise mit ihrem Pup» pemvagön aus dem breiten Mittelweg der Straße'stand und mit sichtlicher Bewunderung dem großen Jungen zusah, der seinen Kreisel besonders kunstfertig tanzen ließ. Er selbst stand mit gespannter Aufmerk samkeit danchen und wußte^ mit. eitrigen ge- schiften Hieben die Tanzkraft seines Spiel zeugs zu verlängern. ^ „Laß mich auch mal,' sagte plötzlich neben ihm ein Helles Stimmchen und er bemerkte erst jetzt das-kleine Mädchen

Friedrich Schuster. Kennst du mich denn yicht? Ich mache euch doch oft die Tür auf, wenn Vater nicht da ist.' „Ach — der bist du. SS^n, ich habe dich nicht erkannt.' sagte sie. „Ich heiß? Sofie Luise und meine Puppe heißt Kuni gunde.' . ^ Er lachte. , / „Ein spaßiger Name — den habe ich noch lie gehörM- . . ^ sagte sie ernsthaft, „das ist ein sehr feiner Name. Meine . Urgroßmutter hieß so. Sie war eine Prinzessin und ging nach her in ein Kloster.' „Urgroßmütter gehen doch nicht in ein Kloster,' sagte

er altklug. „Tie Kloster- lcute dürfen >ticht verheiratet sein.' ^ Sosie''Luise hachte nach. „Ich weiß nicht, wie es war, aber richtig ist es. Tie Urgroßmutter war so vornehm, und es ist vornehm, ins Kloster zu geh»'n. Es ist jetzt nicht mehr Mode, sonst täte ich es auch. Ich werde Krankenschwester, das ist auch sehr vornehm.'. „Tu kannst doch lieber heiraten,' rief Fritz, „ich nehme dich, wenn du groß bist.' ' „Tu —' sagte das kleine Mädchen — „du bist doch ein Schuster. Einen Schuster, der schmutzige

Stiesel flickt, kann ich^och nicht heiraten. Ich bin eine Gräfin, und mein> Water wird bald Minister.' ^ X Sie reckte sich hoch auf und er sah mit großer Deutlichkeit, wie schlank und zart sie war, wie golden ihr Haar glänzte und wie blau ihre Augen schimmerten. „Sofie Luise', rief in diesem Augenblick eine scharfe Stimme vom Erkerfenster, her. Da stand die ^Gräfin Mutter mit ihrem Söhnchen aus dem Arm und beaufsichtigte von oben h?r das Töchterchen. Freilich hätte sie es für richtiger gehalten

, wenn die kleine Sofie Luise auf der Straße von einer Dienerin begleitet worden wäre. Mer das ließ /ich nicht^.machen. Jetzt, gerade um die Mittagszeit, wo die Sonne so schön schien, mußte das Mädchen für alles in der Küche sein und kochen. Sofie Luise hatte sich auch sonst auf der Straße durchaus vornehm gehalten und nie mit gewöhnlichen Leuten gesprochen. Heute freilich — heute zum erstenmal! Die Gräfin seufzte. Es war schwer, stan desgemäß zu leben, tvenn man sich so sehr einschränken mußte

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 3 von 8
Datum: 27.06.1913
Umfang: 8
rungen. Seine Ankunft in München aber noch ^ter hinaus zu schieben, war schließ lich geradezu unmöglich. Als der Postwagen, der ihn zur nächsten Eisenbahnstation brin gen sollte, abfahren wollte, reichte man ihm euren bereits drei Tage alten Brief von Anna Bender zum Fenster hinern. Die Damen weilten, wie er aus demselben, erfuhr, be reits in Münchey, wo sie ihn zu sehen hofften. Warum aber, kein Brief von Luise — von Andrinot? Sicher hatten die Seinen die beiden Lieben nicht mehr daheim ange troffen

. . Hoch flammte, während ihn der Eilzug seinem Ziel zuführte, in Guido, der sich so recht in die Zeit zurück dachte, in der er vor drei Jahren denselben Weg in der entgegengesetzten Richtung zurückgelegt hatte, seine ganze sehnsüchtige Leidenschaft für Luise von neuem auf. Was ihm damals als Ziel vorschwebte — es war erreicht! Sein end licher Erfolg, nicht mehr bezweifelbar nach jenem Brief seines durchaus zuverlässigen Freundes, machte ihm Luise zu eigen, das stille Götterbild

, zu dem er nur aus der Ferne aufschauen gedurft, wurde sein, ganz und gar. Luise — sein Weib! Wie ein Rausch umfing ihn dieser beseligende Ge danke! In München angekommen, schreckte ihn das laute Rufen seines Namens auf ttus seinen Träumen und führte ihn in die Wirk lichkeit zurück. Sein bester Freund und mehrere Kunstgenossen umringten ihn und ß Es hsl i>» Tsg dek Imle. ^ Nachdruck oerboten. A 8 Es hat der Tag, der laute, ^ 8 Tie Erde müd gemacht; . Nun naht, mit leisen Tritten , Die friedenvolle Nacht. Wie eine Mutter

waren. Jetzt nannte man seinen Namen neben den ihren! >Ta waren sie endlich bei seinem Bilde angekommen doch — o großer Gott! Aeffte ihn denn ein Traum?? Das — das war ja gar nicht sein unter so vielen Vor sichtsmaßregeln zustande gekommenes Aus stellungsobjekt: „Der heilige Aegidius von Engeln durch Wolken in den Himmel ge tragen.' — Das, was da vor ihm an- der Wand hing, umstellt von einer dichten Be schauermenge, aus der Rufe des Entzückens und der Anerkennung klangen — das lvar fein für Luise gemaltes

wandelnd in den Saal traten, in dem er sich befand — Luise! Seine Luise am Arme ihres Vaters! Es fügte sich gut, daß gleichzeitig mit ihnen ein Diener er schien, der den Präsidenten eilig zum Emp fang einer hohen Persönlichkeit abberief — dieser hätte sonst'Guido leicht für einen recht unhöflichen Burschen halten können. Denn ohne weiter auf seine Umgebung zu achten, stürzte dieser der Geliebten entgegen — mit geöffneten Armen, die aber wie ce- lähmt niedersanken vor dem Blick, mit dem

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 6 von 8
Datum: 30.10.1914
Umfang: 8
so natürlich, so schön, so rein von den Knabenlippen, daß ein Augenblick kam, in dem das Dorfkirchlein in Selva und das Augenpaar Annelis untertauchten, um andern und glanzvollern Bildern Raum zu geben. Es war aber nur ein Augen blick. Dann legte sich auf Eduards Lockennest eine schwere Hand: „Eduard, ich muß fort. Ich muß und — will.' (Fortsetzung folgt.) Marie Luise. Skiiie von Sophie freiin Ztjerna. Nachdruck verboten „Erst in einer Stunde kann der Militär zug seine Fahrt weiter fortsetzen

flimmernde Goldglanz ihres Haares. Mechanisch hielt er die leerge wordene Tasse, sie sich gedankenlos wieder von neuem füllen lassend, dann erschrak er, fast hätte er zu dem lauten „Danke!' noch „Marie Luise' hinzugesetzt, — oder — ob er es schon getan hatte — — die Ähnlich keit war überraschend. Seine Blicke ver folgten die schlanke Gestalt im lichtblauen Kleide, wie sie mit kraftvollen, weißen Ar men, deren linker die Binde mit dem roten Kreuz auf weißem Grunde trug, die schwo ren Kannen hob

und unermüdlich die hin gehaltenen Becher füllte. Für jeden hatte sie ein freundliches Wort, ein fröhliches Lä cheln, man sah, sie war mit Leib und Seele dabei, ihre blauen Augen leuchteten. Die weiße, gestreifte Schürze raschelte und bauschte und rauschte leise bei ihren schnellen Be wegungen. Langsam biß Hans Jochen in sein Schmalzbrot und beobachtete ihre wei ßen flinken Hände; solch schlanke, schmale Finger hatte Marie Luise auch. Gern hätte er gewußt, ob sie ein Mädchen oder eine junge Frau

war, aber er konnte es nicht sehen und entschied sich für das letztere. Als sie ihm das Brot reichte, glaubte er es in ihren Augen gelesen zu haben, solch warmen, fast mütterlich zärtlichen Blick haben Mädchenaugen nimmer, oder — und wieder spürte er die warme Welle — — sie lieben, den sie so anschauen. — Marie Luise, Marie Luise, so blickten deine Augen! — Himmel, was ist's mit dir! Er schalt sich albern, solch Sehnen ist eines Kriegers un würdig, und kam doch über die weiche, heim wehartige Stimmung nicht eher

, und doch war es ihr vorgekommen, als habe aus seinen Augen warme, sehn süchtige Liebe gestrahlt. Ein verstohlenes Lächeln huschte für Sekunden um ihren Mund. Es war ja unmöglich, und doch meinte sie ganz leise, deutlich ihren Namen „Marie Luise' von seinen Lippen gehört zu haben. Nein, es war ausgeschlossen; woher sollte er ihren Namen wissen — und trotz dem, ein Irrtum war es nicht. Sie hatte daheim ihrem Mannt nicht davon sprechen mögen, zu heilig schien ihr dies kleine Er lebnis. Wer weiß, an welche Marie Luise der blonde

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 7 von 14
Datum: 15.09.1916
Umfang: 14
bescheidensten Gehaltsstufe bis zu seinem Tode ftehen geblieben. ^ ' - - Äe-verwitwete Gräfin hezog Danach, eine sehe kleine Wohnung, di^ eigentlich nur aus einem .Zimmer und etwas Nebenraum be stand. , ^ Softe Luise holte sich nachts eine Decke und ein Kvpfpslster auf das in diesem Zim- !mer -stehende Sofa, und Klaus Heinrich, ihr Bruder, der im Kadettenhause erzogen wurde -und nur in den Ferien nach Hause kam, schlief dann in einem Möbel, das er MUtters Nähkasten nannte

, und das, seinen dünnen^Gliederik^ gerade noch Raum bot. Doch lange ging es nicht Mehr mit dem Nähkasten, denn Klaus Heinrich wurde groß !und stark und man hätte nicht gewußt, wie man sich nun in der engen ÄKohnung hätte einrichten sollen, wenn nicht Sofie. Luise gerade in dieser Zeit erklärt hätk, sie wolle jetzt Krankenschwester »verde». Das wäre schon immer ihr Wunsch gewesen. Mama wisse doch 7— >. ^Die Mutter nickte, sprach mit Befriedi gung von der Großmutter Prinzessin, die jauch ihr Leben der barmherzigen

Menschen liebe gewidmet habe, wie das in vorneh- - , ^ men Familien vst der Fall tväre; MMte jedoch, mit Sofie. Luise hätte es-immerhin noch ein paar Ahre Zeit. ^Vielleicht man könne nicht wissen — Aber Sofie Luise wollte nichts von einem Bielleicht wissen. Sie wurde sogar recht ungeduldig, als die Mutter anfing» einige ganz unsichere Zukunftshoffnungen anzu deuten. >>. Nein, sie ließ sich nicht halten. Noch bevor dit nächsten Ferien begannen, war ihre Schlafstelle für Klaus Heinrich frei» upd Sofie

Luise,-hatte ihre Lehrzeit begonnen. Wieder vergingen em paar Jahre. Klaus Heinrich stand gerade vor dem. Ein tritt ins Heer, da brach der Krieg aus. Ta wurde natürlich alles, was noch fehlte, fchnell erledigt, und.dann ging es froh und voll Begeisterung ins Feld. Fröhliche Karten kamen, es ging ihm gut. es war alles schön und herrlich, es ging gut vorwärts, machte Spaß — Tann hörten plötzlich die Karten aus. Man wartete angstvoll, machte sich trübe Gedanken, grämte sich. < Wäl der fröhlich: Junge

verwundet gefangen —^gefallen? — Aus Belgiekt waren die letzte«! Karten, ge wesen und man hatte seitdem furchtbare Tinge von dort gehört. , Traurige WochM waren es, die jetzt lang sam vergingen.' Tie ^Gräfin Drachenhöh Uvurde in diesen Wochen eine alte müde Frau mit lveißem Haar. Sie wagte es kaum, in die Zei tung zu seh.'n oder dem Briefträger ent gegenzugehen. Ta kam endlich ein Brief von Sofie Luise mit der Freltdenbotschaft: er lebt. Vernmndet war er zwar, sogar schwerverwundet, aber da er wußte

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 7 von 8
Datum: 30.10.1914
Umfang: 8
ein Lächeln über ihr Antlitz. Es war doch ein seltsames Zufallsspiel gewesen, daß er sie bei ihrem Vornamen genannt. Marie Luise — so hatte der Vater sie gerufen, Marli alle die anderen im abgekürzten Koselaut. Aus Vaters Munde hatte sie es gern ge hört, nun würde sie es wohl niemals mehr hören, der Vater war tot, und ihr Mann, ihr deutscher Bär, liebte die knappe, kurze Art. — Ter dumpfe Klang einer Glocke weckte sie aus ihrem Sinnen, der Zug lief .ein, sorgsam, er barg ja traurige Last. Mit den Aerzten

, fieberwirrer Freudenschrei: „Ma rie Luise!' — ließ ihr das Blut erstarren. Jetzt erst sah sie genauer hin — mein Gott, das war ja der blonde, blutjunge Husar, der noch vor vier Wochen sröhlich das Brot hier gegessen! — Wie das Fieber, wie der Bart sein Gesicht entstellt — sie hätte ihn kaum wiedererkannt; nur die Augen — die jetzt so müd' geschlossen. „Marie Luise — Marie Luise -- daß du gekommen, — Tank. — Sieg; wir . . murmelten in abgerissenen, kaum verständlichen Lauten die trockenen Lippen. — Kam

sie mit ge schickten Händen den jungen Husaren heraus. Seines gellenden Rufes „Marie Luise' hätte es nicht bedurft, Frau Marli wäre auch ohnedies bei ihm geblieben. Es ge schah, was irgend nur Menschenpflicht und -liebe tun können, und daß es doch vergebens war, preßte der jungen Frau noch lange danach heiße Tränen des Schmerzes, des Mitgefühls aus, wenn auch um einen ihr doch eigentlich Fremden. — Fremd? Ja, war er ihr denn fremd? — Nein, er trug des Kaisers Rock, wie einst ihr Vater, wie noch ihre Brüder

, wie jetzt ihr Mann; sie kämpften ja alle für ein Vaterland, und so wie sie heute an des sterbenden Jungen Lager gestanden, stand vielleicht auch schon eine Schwester bei einem der Ihrigen. „Sieg. Marie Luise, Sieg! Wir' haben gesiegt!' Immer wieder Nangen seine Worte ihr im Ohr, und sie würde alles daransetzen, um sie der zu wiederholen, der sie gegolten. Ruhig war der junge Husar eingeschlasen: glaubte er doch seine Marie Luise an sei nem Lager, und auch jene, die vielleicht noch nichts ahnte

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 3 von 8
Datum: 20.06.1913
Umfang: 8
was Luisens Beifall erringen würde. Luise! Tie war der Inhalt seines Senkens und Fühlens, seines »Dichtens und Trachtens ge worden. Ihm War, als sei er bisher ein Automat, ohne Seele dürch's Leben geschrit ten — ein neuer, ein anderer Mensch, strebte er jetzt, dem neugebornen Etwas in ihm, alles bisher Gewesene zu unterjochen. Aber dlin sorglosen Gesellen mit dem schärfen Auge sür das Gewühl, das sich auf der Straße des Lebens breit machte, ihm, den kecken -Burschen, der sich den Kranz

, an dem er nicht m semer Häuslichkeit oder. gegen seine Freunde die Fortschritte Guidos pries — er kannte keinen lieberen Gesprächsstoff. als diesen. Er Bemerkte es nicht, daß er da durch bei seiner Tochter Luise, für die jeder seiner Aussprüche ein Dogma war, ein nach und nach immer reger werdendes Interesse sür den Gepriesenen entfachte — für Guido, dessen verzückt an Luise hängende Augen eine ganz besondere Beredsamkeit entwickelten, während er den sehr oft eingeholten Lehren ihres Vaters lauschte. Wie es immer

seines Erfolges zum ersten Male in Professor Andrinöts ' Haus erschien, löste Guidos Zunge. Vor seiner Heiligen, die ihm die Verkörperung des Ideales war, sank er nieder, und betete stam melnd das inbrünstige Liebesflehen seines heißen Herzens in innigen, aber ach, so zagen den Worten. Nicht an den Saum ihres Ge wandes wagte er. zu streifen, ,so wahnsinnig stürmend auch die Pulse ihm flogen. Und das war gut fiir ihn — das bewirkte, daß Luise in ^«körperlichem- Entzücken leise und scheu ihre EiMilligung

sollen, ihn als Schwiegersohn willkommen zu heißen? Wahrlich, leinen lieberen hätte, ihm Luise zuführen können. Und so trat Guido als Lüisens Verlobter Bräutigam seine Romfahrt an. Er muß:e sich von ihr trennen, ohne daß sie ihm auch nur eine Stunde etwas anderes gewesen war, als was sie ihm bei dem ersten Blick auf sie erschienen: das hohe Ideal, nach dein man begehrt mit siebender Sehnsucht, das aber dem verlangend nach ihm ausgestreckten Arm unerreichbar bleibt. . > In seligem Rausch durchzog

Kunstgelehrter als Künstler, hatte sich in seine Auffassung von „idealer Richtung', wie in eine Sackgasse verrannt, so daß eS für ihn neben dem, was er allein sür eine solche hielt, absolut nichts gab. Luise aber war das treue Spiegelbild der geistige.,. Or ganisation ihres Vaters. Mit mehr und Mehr wachsender . Besorgnis,' gepeinigt von

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 2 von 8
Datum: 27.06.1913
Umfang: 8
stand Guido be reits auf einem Dampfer, um in die Hoch- gebirgswelt zu flüchten.' Seine Kiste mit dem Ausstellungsgemälde begleitete ihn. Er mächte Halt, sobald er an einem stillen, mylerislh 'gelegenen Ort angekommen war, die/ . ihm als ein passender Aufenthaltsort crHien.' Erst von da benachrichtigte er Ändrinot und seine Braut, daß und warum er. Rom verlassen habe. Wärmer als Fr es Von ihr gewohnt war, antwortete ihm Luise, er. Möge vor allem an die Erhaltung seiner Gesundheit denken

der herrschen den Stille durch Lachen und Scherzen, mit welch letzteren aber auch wieder sinnige,'merk- würdig sachverständige Gespräche über Guidos Kunst oder die gemeinsame Lektüre irgend eines guten Buches abwechselten. All das war von dem wohltätigsten Einfluß auf den Leidenden. Und dazu tief in der Brust auch noch die Freude auf sein baldiges Wieder sehen mit Luise — wie hätte da ein trüber Gedanke in ihm bleiben können? Er mußte ja körperlich und geistig gesunden.- Wie sehr das geschehen, bewies

sein zurück gekehrter Glaube an sich selbst. Sein Schaf fensdrang regte sich wieder mächtig wie kaum je zuvor, zur Arbeit zwingend — er konnte nicht widerstehen; seine Staffelei wurde aus gepackt, ein Karton hergerichtet — was auf ihm festhalten? Oh, wie sich die Stoffe zur Auswahl herbeidrängten! Aber er wies sie lächelnd zurück. Schön durch mehrere Tage sprach man von einer Prozession der Gemeinde, nach dem wenige Stunden ent fernten Wallfahrtskirchlein. !Ta mußte sich ein Luise anheimelndes Motiv

verstand er sich fa! Ganz merkwürdig war dabei, daß Luise im Hinblick, auf die er doch das Bild begonnen, keinen Anteil an dem selben hatte, so lange er malte. Sein Werk war diesmal die Hauptsache, von dem seine Gedanken auch nicht einen Hauch abwiche« — auch nicht zu ihr, für die er es schuf. In unglaublich kurzer Zeit war das Bild vollendet. Und — auch das war diesmal anders als sonst — mit freudigem Stolz, mit in tiefstetn Herzen empfundener Befrie digung sah Guido auf das, was er geschaf fen

hatte. Ja — das war etwas, etwas Ganzes und Tüchtiges, an dem feine Luise sich erfreuen mußte, wie er es tat, als et zum letzten Male sein Werk prüfend be schaute. Denn eigentümlich, es litt ihn nicht länger an dem. Ort, an dem er doch so gute Stunden verlebt hatte. Sogar in der ihm immer liebvertrauter gewordenen Gesell schaft der Damen Bender schwieg die drän gende Unruhe nicht, die ihn rastlos ins Weite drängte. Es bohrte fortwährend ein nagendes Gefühl in ihm, über das er nicht ins Klare kommen konnte — etwas wie heim liche

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 6 von 12
Datum: 22.09.1916
Umfang: 12
, den müßte Sofie Luise kennen lernen! Dem verdankte er über haupt, daß er noch lebe. Denn er —Klaus Heinrich — sei doch bei dem letzten Sturm angriff ins Bein getroffen — gerade auf freiem Felde umgefallen. Nicht möglich weiterzukommen, nicht mal mit Kriechen. Und die Geschosse immer um ihn. Schön wäre das gewiß nicht gewesen und lange hätte man da auch nicht lebend gelegen — aber sein Freund Friedrich Schuster, ein Kerl mit Bärenkräften und treu wie Gold der hätte ihn einfach aufgehobeu

unter den Fachgenossen erworben. « Jetzt — bei Ausbruch des Krieges — hätte er eine großartige Stellung im.Aus lande gehabt- — weißt du, Sofie Luise, eine Stellung mit einem Ministergehalt, wie wir sie immer für den armen .Vater er hofften — ^ 7 ^ ' Solch ein Mann, sei sein Freund. Er sei sehr schnell mit List und Glück nach Teutschland zurückgekehrt und ins Heer eingetreten. . „??un, du wirst ihn bald kennen lernen,' schloß Klaus Heinrich seinen begeisterten Be richt. „Er besucht, mich; das hat er mir versprochen

.' Sofie Luise hörte still zu. Ob das wirk lich derselbe Friedrich Schuster war, an den sie sich noch sehr deutlich aus der Kinderzeit erinnerte? . Ter Nam-e - war gewiß nicht selten, es konnte ein anderer sein, so versuchte, sie zu denken. ' Aber' es gelang ihr nicht- ^ - Tie Kinderzeit. stieg vor ihr auf und es war ein sehr unbehagliches Gefühl zu den ken, daß sie damals ihr weißes Kleid auf gerafft hatte, um es im Vorbeigehen nicht an ihn streifen zu lassen. Wie töricht

Rock war auch heute nicht übermäßig sauber, aber Sofie Luise wußte es — alle Menschen, die ihn sah«!, tmlßdm es — das waren keine Flecke, das waren Ehrenzeichen. Im Kampf für Kaiser und Baterland, im Kampf auch für sie, als er ihren Bruder, aus dem Kugelregen trug, da waren diese Zeichen entstanden.

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Sonntagsblatt/Illustriertes Sonntagsblatt
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Seite 7 von 12
Datum: 22.09.1916
Umfang: 12
. Sie hatte ihre Arbeit. Das war gut. Als sie nach einer Weile durch den bellen. Hohen Gang des Krankenhauses ging, stand er plötzlich vor ihr. „Ich wollte mich noch von Ihnen verab schieden, Gräsin,' sagte er. „Schwester Sofie Luise,' verbesserte sie schnell. „Schwester — das ist kein richtiger Begriff sür mich,' sagte er lächelnd „Eine Schlve- sler habe ich nie gehabt, aber eine Jugend bekannte—' ,^O,' sagte sie abwehrend. ,.em sehr törich tes Ding „Ein vornehmes Kind mit einer Urgroß mutter, die „Ach bitte

. Sie, die er damals bttter gehaßt hatte und der er es doch — er empfand es deutlich — allein zu danken hatte, daß er seine Kraft gebraucht und über sich hinaus gewachsen war, daß er jetzt vor ihr stand als ein Mann, der sie begehren durfte«. „Klaus Heinrich hat mir gesagt, Sie wür den ihn nach Berlin begleiten,' sagte er. „Ick? komme in den nächsten Tagen auch nach Berlin —' „Meine Mutter wird sich sehr freuen, - Sie begrüßen zu können,' unterbrach ihn Sofie Luise schnell und sie wußte, daß es ihr oblag

; die Gräfin D rachenhöh auf den Besuch dieses Mannes vorzubereiten, so vor zubereiten, daß er als der Lebensretter Klaus Heinrichs empfangen wurde und daß der Mutter nichts unmöglich schien, was — doch eigentlich wirklich unmöglich war. O — Sofie Luise fühlte, sie würde daS schon machen. Auch von dem Ministergehalt würde sie erzählen. Das würde der armen Mama wohltun, ihr, die lebenslang vergeblich da rauf gewartet hatte. Ein leises Lächeln erhellte Sofie Luises Gesicht. „Ihre Mutter wird sich freuen

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