. . ch habe selten ein Gefühl von so tiefer Einsamkeit empfunden, als vor etwa süns Jahren am Weihnachtsabend. Ich hielt mich in Geschäften in Cherbourg auf. Als der Abend hereinge brochen war, kehrte ich, des Bummelns in den Straßen müde, ins Hotel zurück, und obwohl ich bis dahin jeder Unterhaltung mit den Table-dhote-Nachbarn aus dem Wege gegangen war, so trieb mich doch ein Annäherungs-Bedürsnis in den Salon, wo sich meh rere Personen vor dem Kamin versammelt hatten. Ich war erstaunt, dort unter den seidenen
Kleidern und den eleganten Geh röcken die blasse, magere Frau mit ihrem Kinde auf den Knien zu finden, die man ganz leise die „Auswanderin' nannte. Doch noch erstaunter war ich, dort den dicken Mann von fünfzig Jahren zu sehen, einen Bootsmann, dem man den Beinamen „der Ma- thnrin' gegeben hatte. Keiner von uns wußte, wo diese Leute logierten? doch so hoch auch der Ärmste von uus in dem Hotel wohnt, er hatte die Auswanderin und den Bootsmann doch noch höher steigen sehen. Es waren übrigens
sehr bescheidene Gäste, die den Salon gewöhnlich nicht betraten. Wenn man ihnen auf der Treppe begegnete, gingen sie zur Seite, sprachen äußerst höflich mit den Dienstleuten, kamen auf den ersten Glockenschlag herunter, verlangten nie zweimal von derselben Schüssel, und hörten zu essen auf, wenn man sie ansah. Wie waren sie nur in dieses Hotel ge kommen? Vielleicht hatten sie, als sie es einmal betreten, aus falscher Scham nicht gewagt, den einladenden Worten des Wirtes zu widerstreben? Doch so bescheiden
mich morgen ein, und von meiner Löhnung, die ich größtenteils schon vorher erhoben habe, habe ich eben meine Kosten im Hotel bezahlt. Es bleiben mir nur noch vierzig Sons, die ich dem Jnngen geben würde. Damit kann ich aber trotz meiner leb haften Wünsche nicht zu der kleinen Kolleekte beitragen.' Er erklärte mir das, indem er die Hände öffnete und schloß, als wolle er die Taschen umkehren, um seine Be hauptung zu bestätigen. „Das tut nichts,' sagte ich zu ihm; „ich werde irgend etwas für Sie kaufen
, Sie werden es an den Baum hängen und so. . .' Doch er unterbrach mich: „Ich danke, mein Herr, das ist sehr liebenswürdig von Ihnen, doch da ich nichts selbst schenken kann, so kaufen Sie auch nichts für mich. Das tut mir sehr weh, daß ich nichts ge ben kann, denn in diesem Hotel, in dem ich niemand kannte, haben nur die Dame und der Kleine — namentlich der Kleine — mit mir verkehrt. Doch da ich nicht kann, so kann ich eben nicht, daran läßt sich nichts ändern.' Er wandte schnell den Kopf und ging hastig hinaus