Giner von beiden. Roman von M. d. Buch, (Fortsetzung.) <.er alte Pastor ging an den Bücherschrank, holte einen dicken Band in schwarzem Kaliko hervor und legte ihn vor Ernst auf den Tisch. Das Buch trug den Titel: „Ueber die Blumenzwiebel, mit besonderer Berücksichti gung der Tulpen und Hyazinthen.' „Sehen Sie, Ernst,' sagte er mit einem glücklichen Lächeln zu seinem ehemaligen Schüler, „was ich erreichen wollte, habe ich erreicht. Meine Arbeit ist gethan, ich bin zufrieden.' Der junge Mann
zum erstenmal nach Europa kam, verloren selbst die trägen, fisch blütigen Holländer ihre Ruhe und ihr Phlegma, und für eine einzige Knolle gaben sie oft ein Vermögen dahin. Die Zwiebel der Sorte Semper - Augustus wurde einst mit dreizehntaufend Mark bezahlt. Das erscheint wunderbar, nicht wahr?' Der alte Herr ward bei sei ner Rede ganz erregt. Ernst hörte ihm mit heimlichem Lächeln zu. „Ja,' sagte er dann, „die Ansichten sind, wie so vieles, der Mode unterworfen. Wie es aber eine Zeit zuwege bringen konnte
, der steifen Tulpe den Preis unter den Blumen zu ge ben, das begreife ich allerdings nicht. Aber schließlich, — die Einbildung thut sehr viel!' Der Pastor klappte das Buch zu. „Wollen Sie es als freund liche Erinnerung von mir an nehmen, Ernst?' fragte er dann. „Und wenn ich auch die Kraft meines Lebens an eine Einbil dung gesetzt habe, ich bin zufrie den, und das ist wenigstens keine Einbildung. In seinem Fache wird das Buch nicht unbeachtet bleiben und das genügt mir.' »So müssen Sie meine Worte
nicht auffassen,' meinte Ernst, indem er sich bedankte. Der Alte lächelte. „Ich weiß, ich weiß, wie Zum 8V. GeburtZtag des Prinzregenten Luitpold von Bayern. <Dttt Text.) Sie es meinen, guter Werner. Um mich zu verstehen, muß man eben Botaniker sein.' Ernst sah wieder nach der Handarbeit auf dem Tische. Nun endlich that er die Frage, die schon längst in seinen suchenden Augen gestanden hatte. „Wo ist Anne-Marie?' Der Pastor sah sich um. „Ja, wo ist das Mädchen? Richtig, da fällt mir ein, der Post bote
war hier und Anne-Marie ging, um ihm die Sachen abzu nehmen. Wahrscheinlich erhielt sie einen Brief. Sie bleibt lange aus. Uebrigens gefällt mir das Kind seit einiger Zeit nicht,' fuhr er nach einer kleinen Pause kopfschüttelnd fort, „sie ist still und blaß geworden. Es mag ja sein, daß diese Einsamkeit hier für ein fo junges Menschenkind nicht zuträglich ist. Ich habe schon daran gedacht, meine Verwandten in Berlin zu bitten, Anne- Marie einige Zeit bei sich aufzunehmen.' Ernst schaute gedankenvoll