. „Gewiß, das gebe ich zu," entgegnete sie nach drücklich, „aber erstens wird nicht jeder von uns das Glück zu Theil, ihrer natürlichen Bestimmung gerecht, also Gattin und Mutter werden zu können, und zweitens begreife ich trotz alledem nicht, weshalb wir nicht auch als solche edleren, rein menschlichen Regungen Raum geben sollten!" „Gewiß das sollt Ihr, aber —" „Aber in erster Linie liegen uns Pflichten gegen Mann und Kinder ob," unterbrach sie ihn schnell, „auch das be greife ich! Ich verstehe
nach einem Menschen! Ich kenne keinen, mit dem ich meine Einsamkeit dauernd theilen möchte, aber ich möchte diese und damit mein Leben mit etwas Schönem, etwas Großem füllen, so vollständig, 'baß keine Lücke übrig bliebe, dann wäre ich befriedigt und vielleicht auch — glücklich!" Doktor Dalow ließ die Hände von seiner Nichte sinken lind wandte sich mit leisem Seufzer von ihr ab. „Sonder bares Mädchen," mnmelte er leise, „daß Du das alles trotz Deiner neunundzwanzig Jahre bis .jetzt noch nicht gefunden hast. Sag
mit einem scheuen Blick sein eigenes Bild, das ihm der Spiegel von der gegenüberliegenden Wand zurückwarf. Wie von ungefähr näherte er sich ihm, und während er anscheinend sein Haar in Ordnung brachte, prüfte er aufmerksam sein nicht mehr junges, aber gesundes, lebensvolles Gesicht, seine etwas derbe, kraftstrotzende Gestalt. Nein, zu einer „fast vergangenen Generation" konnte man ihn nicht rechnen, noch nicht, trotz des hier und da bereits mit Grau durchmengten, noch immer vollen Haares, das schon