Seite 2 „D er T i >. o ! r ' Samstag, den 26. August IlUI. daß England schon recht geringschätzig über uns denken muß, wenn es Frankreich nicht gestattet, diesen Vorschlägen zuzustimmen.' Das Marokko-Abenteuer kann aber sür das Deutsche Reich unter Umständen recht bös endigen. Bielsach sagt man sich, daß Deutschland bei einem Kriege mit Frankreich gar nichts gewinnen könne. Denn wenn selbst Rußland wirklich neutral bliebe, was trotz des ebeu abgeschlossenen Vertrages über Asien
sehr unwahrscheinlich ist, könnte Deutschland nur zu Land Ersolge erzielen, da Frankreich zur See mit vollster Sicherheit ans die Hilfe Englands rechnen kann, denn diese? Land sehnt ja bekanntlich den Augenblick herbei, wo es die gefährliche Rivalität der deutsche» Flotte vernichten könnte. Und das; die vereinigten Flotten Frankreichs und Englands die deutsche Kriegsflotte vollständig vernichten könnten, das zeigt uns ein bloßes Recheuexcmpel, in welchem wir die verschiedenen Seeinheiteu gegenüberstellen
, da gegen eine vierfache Ucberlegcnheit auch die größte Tapferkeit nicht auszukommen vermag. Ueb- rigens rechnet Frankreich, wie erst kürzlich ein hoher Offizier verriet, sehr stark aus die Mitwirkung seiner großen nnd vorzüglich geschulten Lnstslotte. Die Hilfe Oesterreichs kann Deutschland nichts nützen, da unsere Flotte, selbst wenn sie im Verein mit Italien über das englisch-französische Mittelmeer- geschwader siegte, die Meerenge von Gibraltar nicht Passieren kann. Aber selbst den günstigsten Fall: Neutralität
Nuszlands. Festigkeit des Dreibundes und Sieg Deutschlands zn Land angenommen, so ergibt sich für Deutschland als Schlußbilanz : Verlust der Flotte, der Kolonien, des Handels, Der Trost, daß auch Frankreich zerrüttet wäre, kann Deutsch land wenig Helsen, denn als einziger Sieger bliebe England übrig. In Frankreich ist die Stimmung für einen Krieg nicht ungünstig, da sich die französische Nation in ihrem Besitzstände, zn dem es auch Marokko rechnet, angegriffen sieht. Der Franzose sieht sich im Vertei
digungszustand gegen „preußische Uebergriffe'. Und wenn es gegen „Prnssiens' geht, da erwacht selbst im Arbeiter der Wunsch nach Revanche nnd läßt ihn seine Sorge um Familie und Leben vergessen. Die französische Regierung hat darnin einen festeren Rückhalt an der gesamten Bevölkerung, während in Deutschland nur interessierte Kreise znr Unnach- giebigkeit raten. Der deutsche Kaiser hat schon so oft Proben feiner aufrichtigen Friedensliebe gege ben, daß wir auch in diesem Falle von ihm erhofsen