Seite 4. — Nr. 77. Donnerstag, ,B rixener Chronik/ 9. Juli. Ar Mrr.-!NW.-dellM MMertm. — 7. Juli. Unser Handelsvertrag mit dem Deutschen Reiche läuft am 31. Dezember 1917 ab und hat Geltung seit dem I. März 1906. Er kann Ende 1914 sür Ende 1915, müßte aber jedesmal am Ende des Borjahres gekündigt werden, wenn er nicht still schweigend stets ein Jahr weiterlaufen soll. Der Ver trag ist diesmal ausgebant auf dem guten Gedanken selbständiger Zollsätze, die Oesterreich und das Deutsche Reich
vom Wert der nationalen Arbeit vorgesungen, er fühlt sich als Angehöriger eines seiner Kraft sich bewußten Volkes, das die Schlachten jenseits des Rheins nicht deswegen siegreich ge schlagen hat, um selbstvergessen aus seinen Lorbeeren auszuruhen, sondern um ein Reich zu schmieden, das sich politisch, landwirtschaftlich und industriell selbst genügt und womöglich auch anderen von seinem Ueberschuß geben kann. In Oesterreich-Ungarn ist das anders. Ist schon seit Jahrzehnten nichts zu verzeichnen
, was das Volk mit besonderen gesamt staatlichen Idealen erfüllen könnte, so fehlt auch von oben herab jene fortwährende Einflußnahme auf das Selbstbewußtsein eines Volkes, das mit jeder Fiber fühlen sollte, daß sein Reich so groß, so schön, so leistungsfähig ist. daß es auf gar allen Gebieten überreich erzeugen könnte, was es zu seiner Erhaltung bedarf. Auf dem Gebiete der schönen Künste, des Handels, des Gewerbes, der Landwirt wirtschaft. Aber in unserem Volke hat zum größten Teil eine solche stumpfe
Ergebung platzgegriffen, daß es alles, was aus dem Deutschen Reich kommt, unbesehen als überwertig zu betrachten geneigt ist, daß es gar nicht fühlt, wie sehr es selbst an der Schuldknechtschaft mitwirkt, wenn es ge dankenlos in allem und jedem dem deutschen Er zeugnis den Vorzug vor den heimischen Leistungen gibt. Vor kurzem noch hatten wir z. B. eine Buch- druckmaschinen-Fabrik, deren Erzeugnisse mit dem Besten wetteifern konnten, was in Deutschland oder England geleistet
werden kann — der Buchdrucker aber kann sich meist nicht hineindenken, daß aus Oesterreich noch etwas Gutes stammen könnte, und — bezieht ruhig aus dem Deutschen Reich. Und der Besitzer dieser größten österreichischen Druckmaschinen- Fabrik, der Maschinenbauer Kaiser, auf dessen Tüch tigkeit selbst Amerikaner stolz gewesen wären, er mußte sein Unternehmen, an dem er und seine Vorfahren mit ihrem Herzblut gehangen, der bedeutendsten öster reichischen Bank, der Kreditanstalt für Handel und Gewerbe, überantworten