sie im Geiste ererbter Tradition, bescherte zu Weihnachten, besuchte die Kranken, ermahnte zur Ordnung: karg im Lob, kühl im Tadel. Jeder ach tete sie. Aber die Meisten seufzten: „Ja, wenn der Graf nicht wäre!' Graf Hugo brachte überallhin Freude und wenn er auch manchmal aufbrauste, so war er doch gleich wieder gut. Niemals tat er weh', seine bloße Gegenwart munterte schon aus Im Stillen dachte das Gesinde an neue Dienste, denn bei der Gräfin bleiben, bedeutete Freudlosig keit. Der Tote, die Frau
vorher eingetroffen. Ob sie empfangen werde? Die Gräfin straffte sich; kurzes Zögern — dann nickte sie. Unterdrücktes Schluchzen drang in die Stille. Elisabeth blickte auf. „Ah! Sonja, du? Und — nicht in Trauer?' kam es gedehnt von ihren Lippen. „Ich hatte keine Zeit mehr dazu.' „Bist du schon bei ihm im Sterbezimmer ge wesen?' „Sprich das entsetzliche Wort nicht aus! Es ist nicht zum Fassen. Sein Gesicht so schmal, seine Hände so mager, so viel Wehmut in den Zügen! Elisabeth, sieh
auf die Witwe, die. ihre Hände aus Sonjas Umklamme rung befreiend, den Finger an den Mund legte „Störe feine Ruhe nicht!' kam es eisig zurück. Des Toten Nähe dämpfte die Stimme, daß es we niger scharf als beabsichtigt klang. Aus den weitgeöffneten Türen des Aufbah- rungsraumes strömte der schwere Duft welkender Blumen, der Rauch schwelender Kerzen. Die Gräfin trat, Fräulein von Endy nicht wei ter beachtend, ans Fenster. Im frostigen Grau des ersten Novemberfchnees lag der Park vor ihr. Da hinter, im Gehölz
- Was alles sein Leben ihr gegeben, es versank, und was in ihr als Vermächtnis blieb, war sei» Blick von ihr fort — zur Tür. Haßerfüllt starrte die Gräfin in die frierende Landschaft, Sonja war noch in ner da. Zurück' gelehnt, bleich, die Lider geschlossen, die blonden Haare wirr um die Schläfen herabfallend, laß sie im großen Fauteuil beim Rauchtische, ihrem ein' stigen Lieblingsplatze. Ueberall drängte sie ihre Gegenwart aus. Auch auf dem Schreibtische ihr Bild im knappen Reitkleid. Ein schmaler, rassiger Körper
, versonnene, träumerisch» Augen. „Du hättest Hugo lieber ein Brustbild gebe» sollen. Er liebt das Hagere nicht,' hatte ihr die Gräfin damals gesagt. Daß es Sonja nicht zu glauben schien, empfand Elisabeth wie eine De' mütigung. Auch jetzt glauts ihr Sonia nicht. Ja- noch mehr Anklage lag in ihrem Wesen. (Forts, f h Verantwortlich: Mario Ferrandi