„Brixener Chronik.' 17« October 1899. Seite 2. Nr. 83. Dienstag, stein in Schutz als den Mann, „der zehn Jahre lang im- Ausland das Centralorgan redigierte, der bis in die letzte Zeit als eine der ersten wissenschaftlichen Autoritäten in der Partei ge golten hat, den Engels mit der Herausgabe seines wissenschaftlichen Nachlasses betraut hat'; er stimmte aber dennoch für BebelS Resolution, nicht weil sie gegen Bernstein sei, sondern weil dieser sie ebensogut verfasst haben könnte. — Herr
v. Vollmar, der Führer der Socialisten in Baiern, vertheidigte ebenfalls Bernstein und sagte u. a.: „Für den vielangegriffenen Genossen, meinen Freund Bernstein, ist es eine Ehre, dass sich die Partei eine ganze Woche mit ihm beschäftigt. Ich fasse meinen Eindruck über die ganze Debatte dahin zusammen, dass kaum jemals ein so gründ licher Wandel eingetreten ist und uns eine heiß gekochte Suppe so kalt vorgesetzt wird. Der Scheiter- Hansen war schon da, aber die Zündhölzchen haben noch gefehlt
und die Kraft, uns hinaufzubringen. Dass Bernstein hinaus sollte aus der Partei, stand bei gewissen Leuten fest.' Trotzdem erklärte er sich mit seinen Parteigenossen in Baiern für die Resolution Bebel. weil, wie er meinte, die Partei mehr zu thun habe, als „sich mit solchen theoretischen Debatten zu beschäftigen, bei denen es sich um viel Rechthaberei und Silbenstecherei handelt. Wenn diese Katzbalgerei noch weitergeht, wird die Wissenschaft bald allen Credit bei den Arbeitern verlieren.' — „Genosse
' Bernstein ist also trotz der Vernünftigkeit vieler seiner Ansichten vom Parteitag in Hannover, d. h. von dessen Mehrheit „todtgeschlagen' worden. Treffend aber sagte „Genosse' Fendrich-Karlsruhe: „Es hat viele Kritiker gegeben, welche todtgeschlagen wurden. Erst dann hat sich die Kraft ihrer Ideen ganz entfaltet. So wird es auch mit Bernstein sein.' Bernstein wird in der Partei noch lange fort leben. Für die Agitation im großen sind seine Ansichten von den „Führern' eben nicht zu brauchen. Da zieht
. Der Socisührer und Jude Dr. Adler aus Wien erklärte, in Oesterreich sei trotz der nationalen Kämpfe das deutsche und czechische Proletariat geeinigt. (?) — Genosse Flingen aus Holland erzählte, dass die Partei dort „den üppig wuchernden Anarchismus zer trümmert' habe; auch die Bourgeoisie werde der Socialdemokratie zum Opfer fallen. — Ein Genosse aus Stockholm theilte mit, dass die Partei in Schweden 33.000 Mann stark sei. Ein anderer aus Chicago berichtete, dass die Soci in Amerika in zwei Parteien