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Seite 3 von 4
Datum: 19.05.1942
Umfang: 4
von lZttclegarü Geppert Martin Stadler liebte es, bis spät in die Nacht hinein am offenen Feuer des Kamins zu sitzen, eine Gewohnheit aus den schönsten Zeiten seines Lebens in den Hütten der Bergbauern. Jedes Jahr ging er in den Ferien als Bergsteiger ins Bayerische, nach Tirol, in die Dolomiten, aber nicht in die üblichen Gästhöfe, sondern hoch hinauf auf die Almen zu den Sennern und Einzelgängern. Wenn er dann abends den Tag heimbrachte, wie er es nannte, Herz und Sinnen voll der Fülle des Geschauten

Freund gewesen war, anvertraute sich ihm Veronika, die Frau, unwillkürlich, sprach mit ihm von dem Toten, und auch als Martin sie.bat, seine Frau zu werden, da wurde Hans, der Verstorbene, nicht ein Fremder zwischen ihnen. Als er Veronika vor- Jahren als Frau seines Freundes kennen lernte, war sie von spielerischer Lebhaftigkeit, ja, geradezu gefallsfüchtig. Man wun- derte sich, daß das stille Wesen des siechenden Man nes sie nicht zu mehr Ruhe und Rücksichtnahme zwang. Aber freilich gab

man auch zu, daß ein jun ges Wesen, an einen vom Tode gezeichneten Men schen gebunden, ein schweres Los'hatte und daß es das Recht seiner guten Natur war, sich selbst in Fröhlichkeit zu behaupten. Der Tod des Mannes dämpfte Veronikas Lebhaftigkeit so stark, daß sie wie eine andere erschien, und erst als sie Martin die Ehe zusagte, wurde sie wieder reger, schien wieder die Alte zu werden in ihrer Munterkeit und ihren ich süchtigen Regungen, die Martin ihr aber, aus Ver liebtheit nachfah^ Um so mehr wunderte

er sich, daß sie vom Augen blick der Verheiratung an auf eine sonderbare Weise still und behutsam würde. Er war glücklich, am glücklichsten abends am Ka min beim Gipfelblick, wie sie seine besinnliche Stunde nannte. Einmal, als sie beieinandersaßen und der warme Schein des glühenden Holzes ihre Gesichter fühlbar traf, sagte Martin plötzlich: „Du bist so gut zu mir. Ich weiß gar nicht, wo das hinaus soll. Du bist gar nicht mehr die alte Veronika. Ich muß mich oft über dich wundern." „Du hast mich halt angesteckt

, und er ging ohne Aufhalten dem Tode entgegen. Aber erst als er starb, sah ich, daß ich ihm nichts gewesen war, daß^-ich versagt hatte aus Selbstsucht, obgleich ich kaum von seinem Bette gewichen war." Martin wollte die Frau unterbrechen, wollte sie verteidigen gegen sie selber, aber sie faßte seine beiden Hände: ,,Sei still, nur ich weiß, was ich getan habe. Als ich mich zum zweiten Male über ihn beugte, schob er mich mit einer matten Handbewegung fort und seine Augen sahen in die Ferne. „Mutter!", sagte

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