Seite 2. Nr. 41. als Vergnügen hingehen. Weniger ist die Tatsache, daß die Stadtgemeinde Wiener-Neustadt gerade die Marschlinie der Heimwehr vom .Hauptplatz bis zum Turnplatz mit roten Fahnen zierte. Die nicht- sozialistische Bevölkerung ließ sich trotz gewisser Drohungen nicht hindern, ihre Farben zu zeigen. Besonders die Herzog-Leopold-Straße und die Bahngasse prangten in schönstem, buntem Schmuck, ein Zeichen, daß Wiener-Neustadt mit dem Heimwehrausmarsch gar sehr einverstanden
war und denselben wie eine Erlösung aus langer Knechtschaft begrüßte. Noch mehr zeigte sich das beim Aufmarsch selbst. Den ganzen Festplatz der Heimwehr ließ die Stadt mit roten Fahnen umgeben. Der Grund ge hört nämlich der Gemeinde Wiener-Neustadt, die sich den aufreizenden Luxus erlaubte, eigene Ma sten aufzustellen, von denen ausschließlich rote Fahnen wehen. Die „friedliche" Gesinnung man cher Sozialdemokraten zeigt sich auch darin, daß aus zahlreichen Heimwehrplakaten der Stahl- h.e
l m mit e i n em T o t e n k o p f übermalt w ü r d-e. ' Das sozialdemokratische Hauptorgan hat sich gerühmt, daß Jugendliche diese „wackere" Tat vollbracht haben. Ernster als die Spielerei mit den roten Fahnen war das Auftreten des Schutzbundes, der sich of fenbar als Gegenarmee fühlte. Während von den Heimwehren abkommensgemäß bis Sonntag früh nichts zu sehen war, fühlte der Republikanische Schutzbund bereits am Freitag abends das Be dürfnis nach einer Parade. Zwischen 8 und 9 Uhr durchzogen sechs Kompagnien, mit Stahlhelm und Spaten
Buresch, Landeshauptmann von N.-Oe. der sich um die Bermtitlung der beiden Parteien bemühte. Hagel von Pfuirufen auf die Heimwehrleute nie dergehen werde, tatsächlich wurden sie aber mit stürmischen Heil- und Willkommrusen begrüßt. Je dichter die Häuserreihen wurden, desto lauter wur den die Zurufe, desto dichter der Blumenregen, auch aus den mit roten Fahnen behängten Fen stern und Häusern. Das Pflaster der Straßen war an vielen Stellen im Nu mit Blumen be deckt. In dem trotz
aller Absperrungsmaßnahmen gebildeten Spalier der Bewohner zeigte sich unver hohlene Freude über die vielen strammen Heimat schützer. Mit der „roten Stadt", vor deren Toren der Heimwehrgedanke Halt machen müsse, ist es nichts . . . Der Zug bot ein prächtiges, buntes Bild. Manche trugen Soldatenuniform, manche das Turnerkleid, andere die Windjacke der Frontkämpfer und andere ihre Alplertracht. Alte Männer, die Brust voll Kriegsauszeichnungen, schritten neben blühender Jugend, Bauern neben Arbeitern und Grazer