¬Die¬ Reisen des Felix Faber durch Tirol in den Jahren 1483 und 1484 : mit einem Anhang.- (Schlern-Schriften ; 3)
, durch Bozen ging, sagte er zu mir: „Schau, Bruder, ich glaube nicht, daß es eine Stadt in der Welt gibt, die kälter ist als diese,' Verwundert über diese Be hauptung entgegnete ich, das sei gar nicht der Fall; im Gegenteil, es sei sehr heiß. Da sprach er: „Ich bin nie in diese Stadt ge kommen, selbst im heißesten Sommer, ohne daß ich hier immer viele Leute in Wintermänteln herumsitzen sah, bleich vor Kälte und mit den Zähnen klappernd,' Das meinte er als Witz über die Fiebernden. Viele behaupten
, daß die Leute das Fieber nicht von der schlechten Luft, sondern vom guten Wein und vom guten Essen, worauf man hier viel hält, bekommen und sich davon Krankheiten holen. Diese Stadt war vor wenigen Jahren italie nisch und die gewöhnliche Sprache (vulgaris locutio) war das Italienische. So kannte ich einen Pater von Italien, der nicht ein Wort Deutsch konnte und in seiner Jugend im Konvent in Bozen Ausgeher und Prediger war. Aber im Laufe der Zeit wurde mit dem Zunehmen der Deutschen die Stadt deutsch
lasterhaftes, dem Trünke, der Üppigkeit und dein Stolze stark ergebenes Volk 1 , Hier ist nämlich alles leicht und wohlfeil zu bekommen und Überfluß in den besten Sachen: der Wein gedeiht vorzüglich und die anderen Früchte sind voll Süßigkeit, Aber die Stadt hat eine ungesunde Luft, weil, wie man sagt, an der Seite, wo die frische und gesunde Luft weht, hohe Berge stehen, die mir die Brüder auch gezeigt haben; an der anderen Seite aber, wo die Luft liegen bleibt, sich stinkende Sümpfe
ausbreiten®. Daher die Erscheinung, daß es hier immer viele Fieberkranke gibt; ja, es ist so alltäglich, von Fieber befallen zu werden, daß man das Fieber nicht als eine Krankheit ansieht. Begegnet jemand seinem Freunde mit blassen und eingefallenen Wangen und fragt ihn; ,,Freund, was hast du, ich linde, du bist krank und abgezehrt', so sagt jener dazu: ,,Gewiß, Freund, doch krank bin ich Gott sei Dank nicht, nur das Fieber zehrt mich ab'. Als ich einmal, mit einem Laien die Stadt betrachtend