Die Herrschaft Karls des Großen in den Alpen. 55 stehen. Betrachtet man aber weiterhin den Verlauf jener Wirksamkeit, so zeigt es sich, daß Karl zu dem Unternehmen, die Ostalpenländer im weitesten Sinne äußerlich und innerlich in das Frankenreich einzufügen, keineswegs von Anfang an den festen Vorsatz mitbrachte, sondern daß ihm die Verhältnisse, ähnlich wie bei seinem Vorgänger Augustus, hier erst nach und nach in ihrer vollen Trag weite klar wurden, bis er zuletzt bewußt und planvoll eingriff
. Die Niederwerfung einer reichsfeindlichen Bewegung an der Nordostecke Nordostitalien. Italiens, in Treviso und Cividale, ist das erste Ereignis, durch das Karl auf den fernen Osten seines Reiches deutlicher hingewiesen wurde (776) '). Er feierte dort in Treviso damals das Osterfest, so weit östlich, wie er bis dahin per sönlich noch niemals gelangt war. Zwei Jahre später sehen wir dann plötzlich, wie in Istrien, in einem Gebiet, das seit den Tagen des Narses stets der byzan tinischen Interessensphäre angehört
hatte, ein Bischof Mauritius abgesetzt und geblendet wird unter der Anklage, daß er dieses Land den Franken habe in die Hände spielen wollen 2 ). Obwohl letzterer Vorfall im einzelnen wenig klar ist, so weist er doch deutlich auf die Richtung hin, aus der vorher der Widerstand gegen Karl in Friaul seine Nahrung gezogen haben muß, und er läßt zugleich auch das Gefühl der Beunruhigung erkennen, das die Überlegenheit der frän kischen Macht jetzt selbst in jenen entlegenen Gegenden auszuüben begann. Im J. 782
treffen wir dann bei Karl in Sachsen zum ersten Mal eine Gesandt schaft der Avaren, jenes Volkes, das damals inmitten der von den Ostalpen bis zum Balkan auf und ab wogenden Slavenwelt der einzig ausschlaggebende Faktor war, ohne daß jedoch etwas Genaueres über den Zweck dieser Verhandlungen bekannt wäre, und auch etwa zwei Jahre später müssen bereits in Südtirol irgend welche Reibungen zwischen den bayrischen Grenzgrafen und dem in Trient befehligenden fränkischen Machthaber stattgefunden
haben 3 ). Es sind auch dies alles Vorgänge, die man nur undeutlich wie die Wasserpflanzen unter dem See spiegel erblicken kann, die aber doch zeigen, wie sich dort an der östlichen Grenze des Frankenreiches große Ereignisse vorbereiteten. Im J. 787 hat dann aber wirklich jene Auseinandersetzung Karls mit Tassilo D' e Unter stattgefunden, infolge deren nun die fränkische Macht in jenen östlichen Gegenden Bayerns, festen Fuß faßte. Karl hat sich damals auf einen regelrechten Feldzug einge richtet und drei Heere aufgeboten