Geschichte und Kulturgeschichte.- (David von Schönherrs gesammelte Schriften ; Bd. 2)
5. Johanna Gräfin von Lichtenstein und die Gegenreformation auf Schenna. Hatte die „neue Lehre' zur Zeit des Bauernkrieges in Tirol mehr in den Niedern Volksschichten und zwar mehr mit sozialpoliti schem als religiösem Charakter Platz gegriffen, so waren es in den fünfziger und sechziger Jahren des 16. Jahrhunderts vorzugsweise die höheren Stände und bei denselben besonders die Damen, die bei wiederauflebendem religiösen Bedürfnisse, welchem der damals völlig verkommene, größtenteils
aus zugelaufenen Ausländern bestehende Klerus keine Rechnung trug, protestantischen Ideen sich Hingaben und dieselben als vermeintliches „Wort Gottes' mit höchster Zähig keit festhielten. Es waren dies namentlich Elisabeth von Leuten hofen, geborne von Spaur, die Witwe Mmnauer auf Schloss Licht wehr bei Rattenberg, Zimburgis Mayrhofer, Gattin des Pflegers von Gufidaun, welche das „gufidaunerifche Ketzernest' besonders be rühmt machte, Margaretha Gräfin von Lichtenstein, Witwe des Georg Grafen von Lichtenstein
auf Schlofs Rattenberg, und Johanna Gräfin von Lichtenftein auf Schloss Scherma. Da die Herren und Grafen von Lichtenstein ausnahmslos treue Anhänger der katholischen Kirche waren, lässt sich nicht annehmen, dass Gräfin Johanna die protestantischen Grundsätze schon als Heirats ausstattung mitgebracht habe. Ihr Vater Graf Ludwig gehörte noch der katholischen Kirche an und erst dessen Sohn gleichen Namens und Bruder der Herrin auf Schloss Scherma trat 1557 zum pro testantischen Bekenntnisse
über. Da die protestantische Richtung der Gräfin Johanna von Lichtenstein nicht lange darnach sich bemerkbar machte, so war der Entschluss des Grafen Ludwig von Öttingen sicher nicht ohne Rückwirkung auf die Gesinnung seiner Schwester in Scherma geblieben, welche überdies an ihrer Schwägerin, der Gräfin Margaretha von Lichtenftein in Rattenberg, der Frau Elisabeth von Teutenhofen 2) und so vielen anderen adeligen Damen des Landes ein ermunterndes Beispiel vor sich hatte. ') Eine theologische Lehranstalt bestand in Tirol