Vorlesungen über die ideellen und historischen Grundlagen des österreichischen Staates
. Niemand, nicht e inm al der Kaiser, kann dieselben abändern. Von den Regalien, von welchen im Privilegium minus keine Rede ist, spricht das maius dem Herzog von Österreich den Wald- und Wildbann und das Judenschutzr recht zu. Außerdem hat sich Rudolf eine Reihe von Ehrenvorrechten zugesprochen und für alle Zukunft durch Aufnahme einer Art Meistbegünstigungsklausel vor gesorgt, daß Österreich von keinem andern Fürstentum des Reiches je überflügelt werden konnte, indem er bestimmte, daß alle Privilegien
und Freiheiten, die irgend ein Reichsfürstentum besäße oder in Zukunft erlangen würde, von selbst sich auch auf Österreich erstrecken sollten. So hat Herzog Rudolf ein stolzes Gebäude der Österreichischen Landeshoheit aufgerichtet. Es fehlte dazu nur die Bestätigung des Reiches und diese war vorerst, obwohl der Kaiser Karl IV. Rudolfs Schwiegervater war, nicht zu erlangen. Rudolf hat aber nichts desto weniger die von ihm aufgestellten Grundsätze wenigstens im Innern des Territoriums zur Konzentration
der herzoglichen Gewalt zur Geltung gebracht. Mit dem Satz, daß alle weltliche Gerichtsbarkeit innerhalb des Herzogtums vom Herzog zu Lehen rühren müsse, beseitigt er schmerzlos und mit einem Schlage alle in Österreich eingesprengten reichsunmittelbaren weltlichen Gebiete, indem er die wenigen reichsunmittelbaren weltlichen Herren zwang, ihre Besitzungen von Herzog zu Lehen zu nehmen und sich so seiner Landeshoheit zu unterwerfen. Wir haben schon gehört, daß Rudolf von der unbeschränkten Erwerbsbefugnis
und dem Satz, daß Belehnungen als vollzogen zu gelten haben, wenn der Herzog dreimal schriftlich aber vergeblich darum angesucht hat, bei der Erwerbung Tirols Gebrauch gemacht hat. Und auch sonst hat Rudolf keine sich bietende Gelegenheit verabsäumt, sich auf die unechten Hausprivilegien zu berufen, denen gemäß er den Titel Pfalzerzherzog und Erzherzog führte. Hatte Herzog Rudolf keine Ursache, mit seinem Schwiegervater Kaiser Karl IV. zufrieden zu sein, so sehen wir ihn doch mit dem Kaiser in allen großen
Kulturtaten wetteifern. Karl IV. gründete 1348 in Prag die erste Universität im Deutschen Reiche, Rudolf folgte 1365 mit der Gründung der Wiener Universität. Karl schuf in Prag ein Erzbistum. Rudolf wollte den Passauer Bischofssitz nach Wien verlegen und da das nicht durchführbar war, gründete er in Wien eine unabhängige Propstei mit einem Kollegiatkapitel. Wie Karl 1344 den St. Veitsdom in Prag zu bauen begann, so legte Rudolf 1359 den Grundstein zum gotischen Ausbau der bis dahin romanischen