— so wird dem Ge nie geradezu die Möglichkeit geraubt, zu existieren. Man sagt wohl, das wahre Genie setzte sich immer und überall durch. Jawohl, in Zeilen, wo es nicht von dem Wohlwollen riva lisierender »Kollegen« abhängig ist, wo seine Stimme unmittelbar dahin gelangen kann, wohin sie gerichtet ist: an die Allgemeinheit, an das Volk. Zu Zeiten, wo dessen Urteil entscheidend ist, Wo das Wort »Vol kes Stimme, Gottes Stimme«, gilt. Denn Genie und Volk — und nun wird der tiefere. Sinn von Sachsens Appell
an die Meister erst ganz klar — sind zwei Komponenten, die zusam mengehören. Sie sind aufeinander angewiesen. Naturgenie und Volk in ihrer lebendigen Wechselwirkung, bilden erst die ganze Wirklichkeit der Kunst, jenseits des Schattendaseins aller sogenannten Kunstbetriebe. Aber freilich »Volk« in einem be stimmten Sinn verstanden. Nicht »herab aus hoher Meister-Wolk«, wie Wagner-Sachs so charakteristisch sagt, sollen sich die Künstler an. das Volk wenden, um es gnädig an ihrer Kunst teilnehmen zu lassen
. Auch davon, dass die Kunst herabgezogen, »popularisiert« werden müsse, um dem »ungebildeten« Volk schmack- ( haft zu werden, ist in den Meistersin gern nicht die Rede. Vielmehr ist ge rade die »Unbildung« das, was Sachs dem Volke als Aktivposten anrechnel. »Und ob ihr der Natur auch seid auf rechter Spur, das sagt euch nur, der nichts weiss von der Tabulatur«, oder: »Der Frauen Sinn, gar unbe- lehrt, dünkt mir dem Sinn des Volks, gleich wert« ... Das Entscheidende für Sachs ist, dass das Volk
ihren Sinn und ihre Notwendigkeit. Den noch: die Ehrenrettung der Meister geschieht erst am Schluss des Wer kes, nachdem das eigentliche Drama bereits vorbei ist. Dieses Drama — von unserem Blickpunkt aus das Zueinanderkommen von Genie und Volk — wäre ohne Sachsens Dazwi- schenlrcten zur Tragödie geworden. Machen wir uns das klar. Die Wirk lichkeit der »Meistersinger« — das Werk eines wahrhaften Dichters — ist die Wirklichkeit schlechthin; — Tragödien des Volkes, das nicht zu seinen Genies, und Tragödien