Sirenengesang. — Ach, nur zu schnell zog das Schiff vorüber, von Delphinen und Möwen begleitet, dem schönsten Golf Italiens entgegen. Napoli. Eine Stunde spater liegt der Lloyddämpfer fest vertaut an der Hafenmauer in Napoli. Mu sik erklingt. Bunte Flaggen wehen im Mor genwind. Unten auf dem Pier Menschen über ànschen. Unter ihnen viel Italienisches Mili tar, Infanteristen mit flachen Stahlhelmen auf den Köpfen, Miliz und Polizei, Zollbeamte und àedereiangestellte. Wafferfugzeugs in der Luft. Davonbrausende
Automobile. Auf den ersten Äick Leben und Lärm in dieser volkreichen Stadt, die ihrer herrlichen Lage uich der Ur wüchsigkeit ihrer Bewohner wegen das verhät schelte Lieblingskind Italiens ist. Napoli, -- àa Polis (Neue Stadt) — wieviel Klang und iwrbo liegt in diesem dreisilbigen Wort. Wer einmal in Napoli war, immer wieder wird er, behext von dieser Stadt, ihren Namen vor sich hinsprechen: Napoli! Napoli! — Goethe emp fand es 1787 schon so: „Napoli ist ein Para dies, jedermann lebt in einer Art
trunkener SelbstvergessenheitI' — Verlockend liegt sie unter dem friedlichen Himmel, an dem glücklichsten Gestade. Mensch liche Leidenschaften hat sie entfacht: Kämpfe und Kriege entfesselt. Wechselnd zogen Glanz und Elend vorüber. Völker kamen und gingen. Griechen, Römer, Goten, Normannen. Araber. Fürstengeschlechter wurden der Stadt zum Se gen oder Fluch. Bourbonenherrschaft, Reich des Sonnenkönigs Murat, endlich Garibaldis küh ner Streich. Napoli ist Süden. So sonnig, so glühend in den Farben
und die Stiefelputzer. Eigen artige Dreigespanne ziehen vorbei. Schwere Pferds vor schweren Wagen mit hohen Rädern. An der Villa Nazionale, wo das berühmte, von deutschen Gelehrten gegründete Aciuarium liegt begegnet man den bunten Trachten der Kin dermädchen. Vornehmer alter Adel wohnt in Prachtpalästen. Bunte Felsendörfer liegen ik den fernen Bergen. Mauleselgespanne mit Kör ben voller Früchte kommen von dorther zur Stadt. Diese Stadt hat es noch jeden angetan, der sie sah. „Ich verzeih es allen, die in Napoli
von Sinnen kommen . . sagt wiederum Goethe. Wer scheidet nicht in Wehmut von ihr, wenn am Abend die Umrisse des Vesuvs in das Dunkel des Himmels versinken? Dann und wann glüht sein rotes Feuer auf. Die Perlen» schnür der Lichter entlang der Drahtseilbahn strebt hinauf in das Gefunkel der Sterne. Der. letzte Gruß von Napoli! Immer brennt dis Sehnsucht nach ihm im Herzen.