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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 10 of 16
Date: 13.11.1904
Physical description: 16
meinetwegen in eine andere große Stadt, wo Ihnen Ge legenheit 'wird, das Leben kennen zu lernen, Ihre Fähig keiten zu entfalten, sich zu prüfen —" „Aber Lorenz —" Und als er ungeduldig ihre Rede abschnitt und sie anspannen zu lassen bat, meinte sie ängstlich: „Mein Gott, und meine Leute, was werden die denken, und Semler —" Lorenz brach in ein schallendes Gelächter aus. „Was Semler denken wird? Große Bestürzung im Rate der Zehn. Lassen Sie doch den alten Knaben zu Hause. Jstvan

wird ohne ihn auf dem Kutscherbock fertig." „Aber Lorenz!" „Aber Frau Baronin, versuchen Sie doch ohne Diener das Leben kennen zu lernen." Sie fuhren nach Nagy-Faludr>. Im Pfarrhause herrschte sprachloses Erstaunen. Lorenz' kurzes, entschiedenes Auftreten verblüffte. JUona war mehr tot als lebendig. Man bat den Stuhlrichter zu einer Tasse Mokka herüber. Es war ein noch junger Mann, der die Baronin kaum kannte. Der frühere war gestorben. Lorenz wirbelte die beiden alten Priester, den Richter, den Gemeindearzt

, der sich noch schnell eingefunden hatte, gehörig durchein ander. Zum Schluß kam noch ein alter Graukops dazu, der Freund des Arztes, der sich für etliche Tage hier in der Gegend aufhielt. Er bemerkte die Revolution, die der junge Mann mit seinem frisch-kühnen Wesen hier er regte, und freute sich heimlich. Nach kurzer Zeit hatte er Lorenz ins Gespräch gezogen, und während die Baronin mit dem alten Pfarrer sich über den Bau ihrer Kapelle unterhielt, verwickelte er Lorenz in allerlei interessante Gespräche

. Die rücksichtslose, mutige Art des „Biblio thekars" gefiel ihm außerordentlich und erinnerte ihn an seine eigene Jugendzeit. „schade," meinte er später, seinen grauen Bart streichend, „daß Sie ein Bücherwurm geworden sind. Sie hätten hinausgehört aus den Kampfplatz des Lebens, mitten unter die Streiter." „Wer sagt Ihnen, daß ich immer der Bücherwurm bleibe," meinte Lorenz, „die Zeit, da ich meine gegen- ivärtige, für mich allerdings höchst angenehme Stellung mit einer anderen, wahrscheinlich weniger angenehmen

vertausche, steht nahe bevor." Der alte Herr, Besitzer eines der bedeutendsten Walz werke in Ungarn, erkundigte sich, ob Lorenz schon feste Zukunftspläne habe. Auf dessen Verneinung erbot er sich, falls Lorenz es einmal benötige, ihm mit Rat und Tat an die Hand zu gehen. „Am liebsten möchte ich Sie für mich selbst kapern," sagte er zum Schluß scherzhaft: „es l egt etwas in Ihrer Art, was mir zusagt. Ich mag die Menschen gern, die ohne festes Programm das Leben erobern wollen. Etwas amerikanisch

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 15 of 20
Date: 08.01.1910
Physical description: 20
ich Euch bis heute angesehen," rief Lorenz, dessen Augen glühten. „Habt Ihr denn wirklich das Herz, in der Gemeindestube vor diesen Männern daran zu rühren?" — Lorenz atmete keuchend, seine Hände öffneten und schlossen sich. „Kniet Ihr mir aufs Leder, für was soll ich Euch schonen? Und so sag' ich, mein Vater mag gewesen sein, was er will, ein Kirchbauer war er wenigstens nicht!" „Was? — Was soll das heißen?" fuhr der Kirchbauer ans; cs war gut, daß der breite Tisch ihn von Lorenz trennte. „Wer

ich mir gefallen, das steck' ich so ruhig ein?" brüllte der Kirch- baucr. Aber Lorenz sagte ge lassen: „Könnt's damit halten, wie's Euch beliebt, aber nehmt Euch in acht! Was ich gesagt, ich vertret's! — Wer weiß, viel leicht bricht Euch das Geißen- schneidershäusle doch noch den Hals! Verklagen wollt Ihr? — Mir recht! Aber denkt dran, daß Ihr vorhin selber sagtet: Endlich Hab' ich die Schneidersgesellschaft, wo ich sie lang' hin gewünscht!" Ter Kirchbauer wollte hinter dem Tisch hervor auf Lorenz los

, aber der Bergjörg warf ihn ziemlich unsanft in die Ecke zurück. „Sitzen bleibt Ihr," ries er und seine Augen blitzten. „Ist das ein Gemeindevorstand. Fürwahr, man muß sich schämen, dem Aus schuß anzugehören! Nur still jetzt! Was der Lorenz sagt, ist die blanke Wahrheit, ich unterschreib' jedes Wort, — auch im Amt, verlaßt Euch daraus. Ueberhaupt, Schulze und Kirchbauer, die Zeit, wo ihr allein Herren im Torfe wäret, ist vorbei; die Gemeinde soll nicht länger das Mäntele für eure Streiche sein; was ihr tun wollt

, eh' der letzte Notgang abgegraben ist!" „Und ich mach' es grade so," rief der Schulze und stand ent rüstet auf. „Der Teufel mag heutigen Tages Schulze sein, — ich lege mein Amt nieder!" „Das mögt Ihr halten, wie Ihr wollt; ein Unglück fürs Dorf ist es nicht, gebt Ihr das Schulzenamt ans," lachte der unverbesser liche Bergbauer. „Aber jetzt seid Ihr eben noch Schulze, drum tut, was Eures Amtes ist. — Wie wird's mit dem Lorenz?" „Wie wird's werden? — Ins Hirtenhaus' muß er, damit Punk tum!" „Das ist leicht

gesagt, aber damit ist nichts geordnet." „Will er was wissen, mag er selber reden, hat er doch ein Maul >vie ein Advokatenschrei ber !" „So macht Euer Anbringens, Lorenz," wendete sich der Berg bauer freundlich an diesen. „Re det, wenn Ihr was auf dem Her zen habt!" „Ich habe daran gedacht, ich wollte den Ausschuß bitten, daß er beim Märt ein gutes Wort für mich einlegte, aber wie die Sachen stehen, laß ich's sein. Ich zieh' ins Hirtenhaus! — Auch mein ganzes Hab und Gut bleibt dem Märt, nur unsere

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 9 of 16
Date: 09.10.1904
Physical description: 16
Beilage rum „Kihtiüheler Vesirlrs-Bote". Redaktion, Druck und Verlag der Kgl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reichel in Aug-bur^ Nr. 41 Ins Leben verirrt. Roman von M a r i a I a n i t s ch e k. I Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) Ob es hier auch einen Schloßgeist, eine Ahnfrau oder Ahnnichte gibt, dachte Lorenz, eine Keule seines Huhnes zerlegend. Wenn es eine gab, mußte es eine unheimlich alte sein, denn in diesem Hause schien alles im Zeichen der ältesten Vergangenheit zu stehen

. Als Lorenz sich gestärkt hatte, trat er zum Fenster. Ein Gewirr dunkler, üppig be laubter Pappelzweige stieß an das Fensterkreuz, als wollte es herein greifen mit seinen hundertblättrigen' Fingern. Donnerwetter, ist das eine Romantik! Der junge Mann steckte den Kops zum Fenster hinaus, konnte aber vor Bäumen den Wald nicht sehen. Es rauschte und streichelte ihm kühl ins Gesicht. Abscheulich, dachte er, das muß weg, das ist ja höchst ungesund. Ich werde der Schloßsrau den Rheumatismus aus disputieren

Lorenz. Dann streckte er sich aus das lange, schmale L^der- iosa und schloß die Augen. Nichts regte siH 'nW Upd fern. Nur ein leises, wiegendes Rauschen der Blätter in den Bäumen und vom Korridor her ein fliisterndes Streichen — der Wind, der mit der Einsamkeit Menuett tanzte. Lorenz sog mit vollen Zügen diese köstliche Ruhe ein. Eine leise Schläfrigkeit übermannte ihn. Er begann zu träumen von einem grünen Weltmeer, auf dem eine uralte Frau mit einer weißen Mooskrone im nieder wallenden Haar einsam

dahinschwamm. Und er näherte sich ihr und spritzte ihr Wasser ins Gesicht. Da schrie fi* auf mit einer hellen, jugendlichen Stimme. Er hob ein wenig erschreckt den Kopf. Am Fensterbrett, höchst un geniert, trippelte ein Fink und schmetterte seine paar hellen Noten herein. Spitzbube, zürnte Lorenz, eben Hab' ich so schön geträumt. Er zog seine Uhr heraus. Es fehlten an den zwei Stunden noch etliche Minuten. Er erhob sich, trat vor den schmalen, langen Spiegel, der über dem Waschtisch hing, bürstete

seinen Anzug ab, fuhr sich glättend durch den blonden Schopf, machte sich eine Reverenz und trat zum Glocken zug. Ein Heller Ton durchschrillte das Haus. Wie viel Spinnen jetzt wohl erschreckt in ihre Löcher flüchten mochten! Gleich daraus erschien ein älteres, sauber gekleidetes Mädchen unb bat Lorenz, ihr zu folgen. Er schritt die Treppen hinab. Unten öffnete sie eine der beiden Türen, die einander gegen- vismarck f. über im Entree lagen, und bat ihn, einzutreten. V. Er befand sich in einem Saal

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 17 of 18
Date: 15.01.1910
Physical description: 18
, die bisher samt den Schreiners leuten ganz bestürzt Zeuge dieser wunderlichen Unterredung gewesen war, darein. Doch der Bauer ließ sie nicht zu Worte kommen, drückte sie aus den Stuhl nieder und sagte drohend: „Sei still, gleich ganz still, sonst gehst du, eh' du's denkst, denselben Weg wie dein Bruder!" Als der Kirchbauer knirschend und doch unentschlossen, was er beginnen solle, seinen Platz behauptete, sagte Lorenz, der nun auch nicht mehr an sich halten konnte: „Ich meine, Ihr müßtet nun wissen

meine Sache!" „Tu bist und bleibst ein dummer Narr," zürnte der Kirchbauer. „Mit dir, Lorenz, Hab' ich aber nach dem, was heut geschehen ist, noch eine besondere Abrechnung. Du sagtest heut, vielleicht bricht mir noch das Schneiderhäusle den Hals? — Ha.ha! Wart's ab! Vielleicht aber brech' ich vorher dir vollends das Genick, wie ich's deinem Vater und Bruder gebrochen Hab'! Warst du demütig, hätte ich vielleicht in Zukunft von dir gelassen, — nun aber will ich nicht ruhen noch rasten

' er nicht vor der Zeit gestorben, so gewiß zahl' ich dir heim, was du mir heut angetan hast!" „Ich dank' Euch für die Auskunft," sagte Lorenz, der mehr fach die Farbe gewechselt hatte. „Weiß ich doch jetzt, daß uns Heidersleuten Euer Haß keine Schande macht und daß mein Vater rechtschaffeu an den Leinebauers handelte. Eure lächerlichen Droh ungen erschrecken mich nicht, mein Gewissen ist rein und Ihr seid auch nur ein Mensch. Jetzt aber geht, Euer Anblick regt mein Geblüt auf; wenn Ihr nicht macht

. Abermals fuhr die Bäuerin auf, aber auch diesmal ließ sich Märt Tticljt cf)i?6cf'6Tt (Sr preßte ihren Arm, daß Frau O. Gerndt würbe zur stenverrr. sie vor Schmerz aufschrie Armenvorsteherin in Berlin gewählt, und aus den Stuhl zurück sank, dann sagte er: „Nimm Vernunft an, Alte, deine Zeit ist vorbei! Nur ein Wort und ich jag dich aus dem Haus! — Was wolltest du sagen, Lorenz?" Lorenz blickte verlegen zu Boden, rieb sich mehrmals die Hände und begann endlich: „Ich weiß nicht, — es ist am Ende

doch auch vergeblich. — Aber — nun ja, ich kann's ja auch sagen! — Ich meine, Ihr redet eben so mannhaft, es hat das Ansehen, als wolltet Ihr wirklich Ordnung ins Haus schaffen, — drum habe ich gedacht, Ihr solltet Euch auch meine Sache nochmals über legen. — Ach Gott, Märt, wenn Ihr die Schande und das Un- glück von mir nähmet, — ich wüßte nicht, wie ich es Euch danken sollte!" Lorenz konnte nicht weiter reden, das Wasser stand ihm in den Augen; auch Margelies blickte mit gefalteten Händen zu dem Hausherrn

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 9 of 16
Date: 16.10.1904
Physical description: 16
nach Ihrer gefälligen Angabe versuchen." Sie erhob sich. Sie hat die Gestalt einer Juno, nur etwas weniger Fülle wünschte ich ihr, dachte Lorenz, mit einem schnellen Blick über sie hin gleitend. Am Ausgang wandte sie sich noch einmal zurück. „Und sind Sie mit Ihrer Verpflegung zufrieden?" „Gewiß, Frau Baronin, ich danke Ihnen." Sie verschwand unter der Tür. — Lorenz stieß ärgerlich mit dem Fuß einen dicken Folianten beiseite, der ihm im Wege lag. Dann zog er stürmisch die Glocke, daß Semler ganz bestürzt er schien

. „Kisten, Kisten, mein lieber Herr Verwalter, und dann: führen Sie mich sofort ins zweite Stockwerk hinauf, damit ich die künftigenBibliotheksräume sehe." Der Alte bat ihn, gleich mitzukommen. Sie gingen hinaus. Vier große Räume standen zur Aufnahme der Bücher bereit. Lorenz hatte sich nicht geirrt. Die Höhe hier war viel geringer als unten. „Wir müssen einen Schreiner haben, der die Regale um ein Stück abkürzt," meinte er, „sie gehen hier nicht herein." emamrcl Sewel. (Zu fernem so. Geburtstage Semler

überlegte einen Augenblick, dann sagte er: „Dazu brauchen wir keinen Schreiner, das mache ich selbst. Einfache Schreinerarbeiten besorge ich immer." „Um so besser," entgegnete Lorenz, innerlich belustigt über die Vielseitigkeit des Alten. „Wird das Heraufschaffen viel Lärm machen?" be merkte der Verwalter nach einer Weile bekümmert. „Das hängt ja von Ihnen ab, wenn Sie's ruhig veranstalten lassen." „O, was mich betrifft, will ich's schon so still als möglich bewerkstelligen. Nur das Ab sägen

, na —" „Haben Sie denn einen Kranken im Hause?" fragte Lorenz etwas ungeduldig. „Kranken? Nein, aber die Frau Baronin liebt die Ruhe so." ich glaube, daran Frau Baronin doch nicht. Hier ist's ja so still, man seine Pulse schlagen hört." „Ja, so liebt sie's. Seit der Herr tot ist, will sie nichts mehr als ihre liebe, stille Ein samkeit." „Wieviel sind Sie denn eigentlich hier aus diesem Geister schloß?" „Mit der Frau Baronin sind wir sechs Köpfe." „Donnerwetter, man sollte meinen, hier wohnt der Herr Niemand, so kirchenstill ist's

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 9 of 16
Date: 30.10.1904
Physical description: 16
Beilage jum „Kihtiüheler Desirlrs-Vote". Rcdciktion. Druck und Verluxi der Kgl. Bayer. Hofbuchdruckerei von Gebrüder Reichel im Ins Leben verirrt. Roman von Maria Janttschek. («. Fortsetzung.) (Nachdruck verboten.) X. Mehrere Tage vergingen. Die Baronin blieb unsichtbar. Lorenz arbeitete fleißig. Einmal, in einer etwas bummelwitzigen Stimmung, setzte er sich hin und schrieb an mehrere Bekannte. Er schilderte in übertriebenen Far ben die Romantik sei ner Lage und machte allerlei Witze

wollte und ihn beinahe zu einem schwatz hasten Weibe gemacht hätte. An einem schönen Morgen, als durch die offenen Fenster der Bibliothek Ströme von Dust und grünlichem Goldlicht hereindrangen, öffnete sich behutsam die Tür des Bibliotheksaales und Semler trat ein. Er sagte zu 1m vallon über äie Alpen: fülluna des Ballons des luftfdnffcrs Spelterim erst gar nichts, sondern sah Lorenz mit einem langen, fast kummervollen Blick an- dann seufzte er. „Nun, Semler," meinte Lorenz verwundert, „was ist, was gibt's? Wünschen

Sie etwas von mir?" Der Alte schluckte mehrere Male, als wollten die Worte nicht heraus, dann sagte er: „Die Frau Baronin läßt fragen, ob Sie mit ihr zu Mittag essen möchten?" Lorenz hätte sich eine Ohrfeige versetzen mögen vor Ak»raer über itrfi selbst. (Sh* süblte nämlich heißes Rot seine Wangen färben und schämte sich dessen vor dem Diener. „Gewiß, wenn die Frau Baronin es wünscht," entgegnete er in so gleichgültigem Ton, als ihm mög lich war. „Ich lasse für ihre freundliche Einladung danken." Semler streifte Lorenz

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 10 of 16
Date: 11.12.1904
Physical description: 16
Ihre Augen füllten sich mit Tränen. „Ich Halls nicht so bös gemeint," entschuldigte er sich. „Du siehst nur so überaus komisch aus in deiner Verwandlung." „Ich glaube, die Frau Baronin kann anziehen, was sie mag, sie wird niemals in den Nahmen der hiesigen Umgebung passen- ihre ganze Erscheinung protestiert dagegen," meinte Frau Camilla. JUona sah sie vorwurssvoll an, und Lorenz runzelte die Brauen. Beständig schwebte ein Unbehagen über diesen drei Menschen. Selbst ihr Schweigen

war eine verhaltene Ablehnung. Einrnal, als Jllona traurig sich zwei Tage in ihr immer eingeschlossen hatte, kam Frau Zöllner auf Lorenz-' eranlnssung zu ihr. Sie lachte etwas gezwungen. „Nun, 'was ist los mit Ihnen? Was tun und treiben Sie immer? Langweilen Sie sich nicht? Ich Hab' eine Ueberraschung für Sie ausgedncht. Wollen Sie mit mir in die Küche kommen? Das Kochen ist Ihnen gewiß eine fremde Kunst." Jllona konnte dies nicht leugnen. Sie dankte Frau Camilla für ihre Freundlichkeit und folgte

ihr in die Küche. Aber als sie einmal Zeuge wurde, mit welcher Gelassenheit ihre Lehrerin einem zappelnden uhn den Kops abschititt und die Blutstropfen in ihrem uppennaps auffing, blieb sie wieder aus. Eines Abends, als sie zufällig mit Lorenz allein war, sagte sie zu ihm: „Glaubst du, daß es notwendig sei, daß die Frau Fertigkeit in nützlichen Arbeiten besitze? Kann sie nicht durch ihr bloßes Dasein dem Manne Freude und Schönheit geben? Zum Beispiel, wenn ich mich schmücke, daß dein Auge Gefallen

sein Glück den anderen Kindern. Seit diesem Tage folgte Jllona auf Schritt und Tritt eine Schar kleiner Bettler. Manchmal streute sie eine Handvoll Münzen unter sie. Dann gab's ein Gejohle einen Jubel, daß die blasse Frau lächeln mußte. Sie erzählte es Lorenz. Er wurde sehr ernst. „Du begehst damit ein Unrecht," sagte er. „Kindern gibt man kein Geld) sie vernaschen es, und das ist der Beginn späterer Laster. Tu wirst das nicht mehr tun, hörst du?" „Atem, nein," entgegnete sie bestürzt: „Böses

getriebene Flammen davon) plötzlich wurde es ganz Nacht in ihrem Kopfe, sie konnte sich auf sich selbst nicht besinnen und versank in einen Zustand gefühlloser Apathie. Und diese quälende Erscheinung wurde verstärkt durch den Zwang, den sie ihrer Natur auferlegte. Der Wunsch, neb n Lorenz zu sein, ließ sie das Natürliche in sich mit dem Erkünstelten verwechseln. Indes sie so grübelte und dazwischen betete, legte sich eine Hand auf ihre Schulter. „Nun aber! Was haben Sie denn? Was ist Ihnen?" Frau Camilla

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 9 of 16
Date: 11.12.1904
Physical description: 16
, sich Verhältnissen anzupassen, die der ganzen Richtung ihres Wesens entgegengesetzt waren. Um seinetwillen. Ihm zuliebe! Vorerst ließ sie sich etliche Kisten Kleider vom Hause kommen, um Gnade vor Frau Camillas Augen zu finden. Die Sendung kam) aber Jllona mußte abermals er fahren, daß sie sich einer Täuschung hingegeben hatte. Frau Zöllner äußerte sich nichts weniger als billi gend über die Toiletten. „Wozu dieser Aufwand an Pracht und Luxus?" meinte sie kopfschüttelnd, „für wen?" „Für Lorenz," erwiderte Jllona

sie verständnislos anblickte, versetzte sie: „Schneiden Sie alles überflüssige Zeug herunter) hier in Kis-Szibet sind Schleppen schlecht angebracht." Lorenz mußte seiner Mutter recht geben. Was ihn in Somogyi an Jllona entzückt hatte, taugte nicht für die hiesigen Verhältnisse. Auch ihre schweren, alten Spangen und die köstlichen Perlen waren nicht recht am Platze hier. „Ich wollte mich für dich schön machen," sagte sie klein laut zu ihm. Er nickte gutmütig. „Aber, du siehst, hier rvirkt der Luxus nicht anmutig

, eher komisch." Eines Tages erschien Frau Zöllner mit einer Schneiderin bei Jllona. Die Baronin widersetzte sich anfangs den Zumutungen, die Lorenz' Mutter an ihren Geschmack stellte. Die alte Frau wurde gereizt. Die Frau Baronin wünschte doch Beschäftigung. Auch hätte sie versprochen, sich der Sitte hier zu fügen. Und sie hätte ja etwas Nütz liches zu tun begehrt. Die Veränderung ihrer Kleider sei augenblicklich das Nützlichste, das sie vornehmen könne. Sollte an solchen Gering fügigkeiten Jllonas

Wunsch, Lorenz näher zu kommen, scheitern? Sie überwand ihren in München. Widerwillen gegen diese Frau und ihre trivialen Ansichten und winkle der Schneiderin, frisch an die Arbeit zu gehen. Als diese später die Schere ergriff, erhob sich Jllona und sah zum Fenster hinaus. Lorenz brach in ein schallendes Lachen aus, als er sie zum ersten Male in einer dieser veränderten Roben sah.

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 10 of 16
Date: 30.10.1904
Physical description: 16
Alleinsein mir ihm und verbarg sich deshalb hinter der Gegenwart ihres Dieners?" „Bitte!" Sie deutete auf den Platz ihr gegenüber. Semler rückte ihm den Stuhl zurecht. Seine Frau brachte das Essen herein, das er gewandt herumreichte. Dann stand er stumm hinter Jllonas Stuhl. Lorenz fühlte, daß seine Blicke mit jenem schweren Ernst wie vorhin auf ihm ruhten. „Ich habe mich entschlossen, Herr Zöllner," sagte Frau von Somogyi, „meine Bibliothek bis auf den einen, Ihnen bekannten Teil

nicht wegzugeben. Sie wissen ja, ich hänge an der Vergangenheit" — Lorenz schien es, als bewege sich das alte Haupt ihm gegenüber leise nickend — „und an manches dieser Bücher knüpft sich eine liebe Erinnerung für mich." „Das hängt ja ganz von Ihnen ab, Frau Baronin." Der junge Mann aß hastig seine Suppe- Semlers starre Gestalt war ihm unerträglich. Dann blickte er auf die lange Reihe Ahnenbilder, die die ledersarbenen Wände bedeckten, und verglich die einzelnen Köpfe mit Jllona. Es herrschte

und machte einige launige Bemer kungen. Sie lachte wiederholt, schüchtern, fast erschrocken über sich, und gleich darauf legte sich ihr Gesicht immer wieder in ernste Falten. Es war ein rührendes Schauspiel für ihn. Wenn nur — dieser Mensch mit seinen anklagen den Augen da drüben .... Endlich kamen sie wieder auf ihr Hauptthema, die Bibliothek, zurück. „Wissen Sie auch, Frau Baronin," sagte Lorenz, „daß man nie ernsthafte Dinge beim Essen besprechen soll? Das hindert die Verdauung." „Ach was," entgegnete

sie in einem Ton, der ihm neu an ihr war, „vergessen wir dieser Regeln und seien wir leichtsinnig." Er sah entzückt in ihr leuchtendes Gesicht und wandte sich dann erschreckt zur Seite. Semler war Lorenz' Wein glas, das er eben füllen wollte, aus der Hand gefallen und in Scherben zersprungen. „Lassen Sie das mich machen, bitte," rief Zellner in leisem, herrischem Ton dem Alten zu und griff nach einem andern Glas. „Ich werde die Frau Baronin und mich versorgen." Jllona zog ihren silbernen Becher zurück. „Nein

, ich trinke nie mehr als ein Glas voll. Semler reichte das Dessert umher. Bald darauf erhob sich Jllona. Lorenz folgte ihrem Beispiele. „Sie nehmen es mir nicht übel, wenn ich mich zurückziehe." „Wie sollte ich, Frau Baronin," gab er zurück. „Ich hasse ebenfalls das lange bei Tische sitzen." Sie trennten sich grüßend. Er ging zu den Rosen an der Grenze des Parks, legte sich hin, kreuzte die Arme unter dem Kopf und blinzelte in die Sonne. Und dabei lauschte etwas in ihm mit angestrengter Aufmerksamkeit

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Page 11 of 16
Date: 09.10.1904
Physical description: 16
„Im Saal, immer im Saal, nicht wahr?" Das Wort „immer" ärgerte Lorenz. „Einstweilen," bemerkte er mit Betonung. „Und dann, Herr Doktor, dies schickt Ihnen die Frau Baronin mit einer Empfehlung, und sie lügt Ihnen gute Nacht wünschen." Der Alte überreichte Lorenz ein Couvert. Dieser ließ es achtlos in die Westentasche gleiten und sprang hinauf, sich die Hände zu waschen. Als er wieder herab kam, stand sein Abendessen auf dem Tische bereit, kaltes Geflügel, Wein, Bier, Brot. Donnerwetter

- das waren die Zweige der Pappel draußen. Lorenz schwur innerlich dieser neugierigen Alten Rache- dann lauschte er. auf noch irgend ein wunderbares Geräusch. Aber es wollte sich nichts rühren. Keine Ahnnichte schleifte vorüber- keiner Ahnsrnu Seufzer ließ sich vernehmen. Eine unglaubliche Stille breitete sich über das Haus und seine Umgebung aus. Wo waren alle die Leute, die hier wohnten- gingen sie auf Filzsohlen, bangte ihnen, diese Ruhe zu stören? Ueber der Frage begann Lorenz einzudämmern . . . VI. Am nächsten

hinter dem hochlehnigen Stuhl, auf dem Jllona von Somogyi mit der Miene einer Königin thronte und die schwere silberne Gabel zum Munde führte. Lorenz' Wangen färbten sich rot- schnell trat er vom sFenster weg. Wenn sie ihn gesehen hatte und sie . hatte sicher sein Gesicht am Fenster erblickt — mußte ste ihn für einen sehr albernen Burschen halten. Er suchte Mich die schattige Allee auf. Also allein aß sie. Keine vornehme Verwandtschaft umgab sie. Und Semler, der alte, getreue Diener des Hauses, das Mädchen

für alles, Verwalter, Tafeldecker, Gesandter, vielleicht auch Koch, bediente sie. Es wurde immer romantischer. Lorenz verfehlte den Weg von gestern, gelangte in die dunkelsten Partien des Waldparks, fühlte sich frösteln und kehrte auf Umlvegen wieder zurück. Er wollte an seine Mutter schreiben. Er würde jedem ins Gesicht gelacht haben, der ihm gesagt hätte: Du beginnst dich hier einsam zu fühlen, und doch ivar es so. Der junge, rege Mensch litt unbewußt uilter dieser vornehmen Stille, die andern ein Labsal

ge wesen wäre. Er schrieb einen langen, drolligen Brief an seine Mutter, in dem er ihr alle seine Reiseerlebnisse schil derte. Der Rest des Nachmittags spielte sich ivie gestern ab. Am dritten Tage ließ er durch den Verwalter die Frau Baronin um einige Worte bitten. Sie erschien wie neulich in tiefer Trauer mit langen, schleppenden Gewändern. Sie ließ sich langsam und würdevoll aus einen der Sessel in der Bibliothek nieder und sah Lorenz erwartungs voll an. Er zeigte ihr die geordneten Bücher

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Page 10 of 16
Date: 16.10.1904
Physical description: 16
Der Alte lachte. „Wenn Sie sich Jstvan anver trauen wollen —" ^Wer ist das?" „Das ist unser Kutscher und Gärtner, der noch allerlei Künste treibt, er rasiert auch mich." „Gut, dann schicken Sie mir, bitte, Jstvan." Der Alte grüßte höflich. „Wollen der Herr Doktor noch hier oben bleiben? Ich muß hinab." „Nein, nein, ich gehe auch hinab." Er scheint mir die Zumutung, mich zu rasieren, etwas übel genommen zu haben, dachte Lorenz. Um ihn versöhnlich zu stimmen, redete er beim Herabgehen

." Am nächsten Morgen erwartete Lorenz eine große Ueberraschung. Semler brachte ihm einen Brief seiner Mutter. „Der Briefträger war da," sagte er wichtig. „Der kommt wohl selten?" „Jawohl." „Man liest hier auch keine Zeitungen?" „Zeitungen? Nein, die liest niemand hier." VII. „Lieber Lorenz," schrieb die Mutter, „ich hoffe, daß dich dieser Brief noch in derselben guten Stimmung an trifft, in der der deine abgefaßt war. Daß du Bibliothekar auf einem vornehmen Schlosse geworden bist, freut

wieder, damit ich nicht Unruhe deinetwegen habe. — Bon mir kann ich dir wenig berichten. Ich erhielt eine Mieterin für das Zimmer,' das du früher bewohntest. Es war eine alte Jungfrau, die den ganzen Tag zu Hause saß und seufzte. Das träge Leben konnte ich nicht ansehen und kündete ihr wieder. Ich nehme keinen Mieter mehr, sondern werde mich nach einer einzelnen Stube und Küche für mich umsehen. Sei umarmt von deiner treuen Mutter." Lorenz steckte den Brief zu sich. Sie war doch eine köstliche Frau. Einfach, urwüchsig

und belustigte sich an dem Phrasengeklingel der „großen Weltschelle". Ob er hier früher oder später fertig wurde, war ja einerlei. Diese Leute schienen überhaupt den Begriff „Zeit" nicht zu kennen. Der Schluß des Tages verging wie sonst auch. Nur daß Lorenz auf sein Ansuchen statt der kalten Getränke heißen Tee zu seinem Nachtessen erhielt. Am nächsten Tage brachte der Himmel selbst Ab wechslung. Es regnete ununterbrochen, erst abends klärte sich das Firmament auf. Lorenz ließ sich von dem köstlichen

Frau, das ein same Grab hier unter den wehenden Zweigen übte eine starke Wirkung auf Lorenz aus. Auch er vergaß fiir einen Augenblick — es gab deren nur wenige in seinem Leben — seine kühle Selbstüberlegenheit und Ironie. „Sterben Sie denn nicht halb vor Melancholie in dieser Einsamkeit? Ich bin ein Mann, aber mich würde hier eine dämonische Sehnsucht nach dem Tode ergreifen." „Ich rufe ihn nicht, aber er wird mir nicht unwill kommen sein, wenn der Herr ihn schickt." Lorenz blickte

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Page 10 of 16
Date: 23.10.1904
Physical description: 16
„Ich freue mich, bis wir erst eine wirkliche Kapelle unten haben, dann kann auch dann und wann eine Predigt gehalten werden," sagte sie zu Lorenz. Der Gedanke, aus dem Bibliotheksraum einen Bet saal zu schassen, war erst unlängst in ihr erwacht. Lorenz meinte, sie solle auch eine kleine Orgel hineinstellen und dieses Instrument spielen lernen- es würde ihr viel Freude machen. Der Rat gefiel ihr. Sie nahm sich vor, ihm zu folgen. „Aber wird es denn auch gehen?" meinte sie, „muß man nicht jung

sein, um Musik zu lernen?" Lorenz zuckte die Schultern. „Was ist jung? Wenn wir von der äußerlichen Erscheinung absehen, ist jeder jung, der noch etwas erstrebt." „Erstrebt, ja- aber kann er es auch dann noch erreichen?" „Aber ich bitte Sie! Gibt es nicht Staatsmänner, die erst ein halbes Jahrhundert gelebt haben mußten, um ihre größten Taten zu vollbringen? Künstler, die das Leben erst gebrochen haben mußte, damit die Flamme voll und ganz aus ihnen herausschlug? Wir diktieren uns unser Alter

mich an der Universität, und heute witzelt kein Mensch mehr über den Doktorgrad, den ich "erwarb. Im Gegenteil. Meine Klienten vermehren sich von Tag zu Tage!" Jllona lächelte und erwiderte nichts. — Lorenz arbeitete jetzt mit wirklicher Lust. Viel tat er für sich selbst. Er studierte Werke, deren Bekanntschaft er wo anders als hier wohl kaum gemacht hätte. Er bereicherte täglich sein Wissen und machte sich ganze Bücher voll Notizen- manche Nacht verbrachte er, statt oben in seinem Bett, hier unten in dem immer

den Adel voni Bürgertum trennte. Jllona war »licht hochmütig- die Menschen, die der anderen Klaffe angehörten, erschienen ihr nicht gering oder tief unter ihr stehend, nur anders, ganz anders. Man konnte sich mit ihnen verständigen, verstehen niemals. Einmal, als sie vor Lorenz dieses Thema berührte, leugnete er heftig den Unterschied der Stände. „Und wenn's wirklich einen gäbe, müßte er verwischt werden, denn er gehört zu den Utensilien einer verschollenen Epoche. Unsere Zeit versteht unter „Adel

vielleicht die Schafe hütete und sich nur alle Sonnabende wusch." „Das glaube ich nicht," sagte Lorenz - „dieser Mensch wird, vorausgesetzt, daß er hier oben Helle ist" - er deutete aus seine Stirn — „mit hungrigen Augen ins Leben Hinausblicken und alles ausnehmen, was gut und nützlich und von Fortschritt ist - auch das Neue, das die andern mit ihren alten Traditionen und dem Respekt vor der Unfehlbarkeit ihrer Vorfahren gar nicht wahrnehmen. Und er wird wachsen mit der Ueberzeugung seiner Fähig keiten

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 10 of 16
Date: 09.10.1904
Physical description: 16
Seidenschleppe hinter sich herziehend. Lorenz' Brauen schoben sich leicht zusammen. Das war doch eine seltsame Art der Behandlung. Er hatte noch nie mit vornehmen Leuten verkehrt, aber diese Steif heit hätte er doch nicht erwartet. Er zuckte die Schultern. Ach lvas, auch noch ärgern! War er hier denn kontraktlich gebunden? Gefiel's ihm nicht, nun, so würde er geben. Das Betragen dieser Dame konnte ihm höchst gleich gültig sein. Bald war seine gute Laune wieder hergestellt. Er vertiefte sich in das Studium

der Bücher. Nach einiger Zeit, etwa anderthalb Stunden, kam Semler herein. Ob der Herr Doktor geruhten, zu Mittag zu speisen? Ob hier oder auf seinem Zimmer oben? „Dann lieber hier," entschied sich Lorenz. Innerlich vunderte er sich, von der Baronin nicht zu Tisch gezogen zu werden. Vielleicht hatte sic einige hochfreiherrliche Tanten oder Nichten bei sich, die sie durch die Nähe des Bürgerlichen zu verletzen fürchtete. Der Kutscher, der seinen Koffer hinaufgebracht hatte und anscheinend

auch Lakaiendienste verrichtete, stellte einen Tisch in eine Ecke des Saales. Hierauf erschien das ältere Mädchen, deckte und bat höflich zum Essen. In rascher Reihenfolge wurden die Speisen hereingebracht. Nach dem Diuer wanderte Lorenz einige Male im Saale auf und nieder, ärgerte sich wieder ein wellig und ging dann hinaus, den Park zu besehen. Es begegnete ihm niemand in den breiten, schattigen Alleen. Nur zahllose Vögel zwitscherten auf und wurden lebhaft, als der Fremde über den knirschenden Kies schritt

. Und den Boden bedeckte ein schimmernder, dichtgewebter Teppich abgefallcncr Blättchen, die süßen Sterbeduft aus atmeten. Legionen Bienen befanden sich, gleichsam still in der Llift hängend, über dem blühenden roten Felde. Und weit und breit kein menschliches Wesen zu sehen, zu hören. Nur das Gesumme der Insekten und das fragende Zwitschern eines oder des andern neugierigen Vogels, der das Köpflein aus den Tannen hüben und drüben hervorreckte. Lorenz war überwältigt von diesem Anblick. Das war ja ein Traum

. Eine große, stille Verschlvendung schien darüber ausgegossen. — Lorenz kam an einigen alten, halb verwitterten Steinbänken vorüber. Manche waren schon zusammen- esunken, aber an keiner einzigen fehlte das großange rachte freihcrrliche Wappen: der Adler, der in seinen Fängen einen Helm mit drei Federbüscheln trug. Schließ lich hörte die Blumenkultur auf und der Wald begann wieder in seine Rechte zu treten. Von Zeit zu Zeit stand noch eine Moosbank oder eine Sandsteinurne am Wege. Kiraly

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Kitzbüheler Bezirks-Bote
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Page 11 of 16
Date: 02.10.1904
Physical description: 16
schwang sich Lorenz, seinen kleinen Koffer am Griff packend, aus dem Coups. Er stieg in einen Omnibus, der ihn in ein Hotel zweiten Ranges brachte. Schon lange vorher hatte er dieses Hotel aus dem Bädeker, den ihm die Mutter nagelneu geschenkt, zu seinem Absteigequartier gewählt. Es hieß „Zum Anker", was ihm eine gute Vorbedeutung zu Haben schien. Er fuhr durch etliche lange Straßen, in denen fick eine geräuschvolle Menschenmenge dahindrängte, uno landete endlich in einem dunklen Hofzimmer

, dessen geöffnete Fenster warme Düfte von zwiebelreichem Gulasch herein- ließen. Aber es war sauber und reinlich in dem Stübchen und Lorenz streifte mit einem Seufzer der Erleichterung seinen Ranzen ab. Eine halbe Stunde später saß er in dem langen, schmalen, durch Gasflammen erhellten Restaurationslokale zu ebener Erde und ließ seine Augen suchend über die Speisekarte gleiten. Die Speisenbezeichnung im öster reichischen Dialekt machte ihm einiges Kopfzerbrechen. Indessen trat Gast aus Gast ein. Es schienen

meist Reisende größerer Kaufhäuser zu sein) aber auch kleinere Beamte, sogar etliche Offiziere in Zivil, deren elegante Haltung den Stand verriet, fanden sich ein. Die Küche im „Anker" erfreute sich eines guten Rufes, auch herrschten mäßige Preise da. Nach kurzer Zeit hatte sich der nicht besonders große Raum vollständig mit Gästen gefüllt. Lorenz aß) später zog er seinen Bädeker heraus und studierte die Karten. Aber bald begannen die seinen Linien vor seinen Augen zu verschwimmen, er fühlte

und auf dem Haupte weiche Mützchen. Lorenz spähte vergebens nach einem Charakterkops. Auch bei den ihm begegnenden Frauen. Die meisten waren hübsch, aber ohne Merkmale irgend welches inneren, geisügen Lebens. Glatte Gesichter, enggeschnürte Taillen und gut sitzende Toiletten, mehr sah er nicht. Kaltes, hartnäckiges Festhalten eines Zieles, Sterben dafür, wenn's nicht anders ging, schien nicht die Sache dieser behaglichen, sich in etwas theatralischer Pose ge fallenden Leutchen zu sein. — Abends besuchte Lorenz

wollen ihre Gehaltsansprüche und einige Personalia an die Verwaltung des Gutes, Viktor Semler, Kiraly-Somogyi, übermitteln. Lorenz' Wangen färbten sich rot. War das ein seltsamer Zufall! Das kam ja wie gerufen. Potztausend! Er ließ sich Papier und Schreibzeug geben und schrieb sofort an den Wohlgebornen Herrn Semler auf Schloß Kiraly-Somogyi. Seine „Personalia" faßte er kurz zusammen. Ma turitätsexamen, Einjährig-Freiwilligenjahr, schon die Ab sicht gehabt, sich als Amanuensis an der Bibliothek seiner Vaterstadt

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Tiroler Land-Zeitung
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Page 16 of 20
Date: 08.01.1910
Physical description: 20
und gequält mit Schimpfreden und Schlägen. Ich verlang', das; das abgestellt lvird. Geschieht noch einmal dergleichen, geh' ich weiter!" „So ist's recht, Lorenz, bleibt dabei," rief der Bergbaner. „Herr mein Gott, mit unserm Dorf ist's weit kommen! Aber das muß ein End' haben, heut noch red' ich darüber mit dem Pfarrer und Schullehrer, verlaßt Euch drauf! — Euer Sepp, Kirch- bauer, soll mir überhaupt aus dem Weg gehen, fagt's ihm; läuft er mir in die Hände, kriegt er eine Tracht aus dem Salz

, — er soll Meine Taubeil in Ruh' lassen!" „Risnert's und vergreift Euch au ihm!" „Das riskier' ich auch, verlaßt Euch drauf!" „Aber wie wird's weiter!" fiel Lorenz ungeduldig ein. „Ist für uns im Hirtenhaus Platz geschafft?" „Meinst, dir wird ein extra Herrenstüble hergerichtet?" höhnte der Schulze. „Oha! —- Sieh zu, wie du zurecht kommst." „Ich mache keine unbilligen Forderungen, ich und meine Margelies wollen uns einrichten, mie's geht; aber einen Platz zum Schlafen für uns allein, der muß geschafft werden, davon

geh' ich Nicht ab!" „Ist nichts, das Haus ist voll!" „So schafft Raum; darin geb' ich nicht nach!" „Recht so, Lorenz, und es geht auch, das Hirtenhaus ist ge räumig!" - „So macht's doch, macht's doch," knirschte der Schulze. „Schafft selber Platz, wenn Ihr so überklug seid!" „Das ist Ellre Sache," war die gleichmütige Entgegnung. „Kommt, Lorenz, bei denen ist jedes gute Wort verloren. Rüstet Euch zum Einzug; ist bis zum Abelld nicht ein verschließbarer Raum für Euch bereit, kommt zu mir, ich mache

dann dem Schulzen Beine." Noch immer heulte der Sturm durch die Gassen und zerzauste Lorenz' Haar. Er selber merkte nichts von Wind und Kälte, in ihm brannte ein heißer Schmerz. Bor seiner Tür rang er die Hände und stöhnte: „So ist's entschieden! Gott, mein Gott, kein Ausweg, nirgends Hilfe! - - Ins Hirtenhaus — heute noch ins Hirtenhaus!" (Fortsetzung folgt.) Elcktromotorwagen der schweizerischen Seetalbahn. Für den Bahn betrieb bezieht die Seetalbahn die elektrische Energie vom Elektri zitätswerk Beznau

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Page 11 of 16
Date: 27.11.1904
Physical description: 16
-Szibet ankommen. Wie würde er sein, wie würde er sein? Würde er nicht sagen: Aber liebe Frau, weshalb erregst du dich und mich? Weshalb wirfst du dich nicht auf einen Beruf, der deine Zeit aussüllt, dich auf andere Gedanken bringt? Sie würde seine Hände in die ihren nehmen und ihm antworten: Sieh', Lorenz, ich bemühe mich ja, aber ohne deinen ermunternden Zuspruch kann ich mit mir und dem Neuen nicht fertig werden. Dulde mich neben dir, ich bitte dich. Sie malte sich seine und ihre Worte

an einen Bahnhofbediensteten wenden wollte, trat ihr eine Frau entgegen. „Um Entschuldigung, Baronin von Somogyi?" „Die bin ich," antwortete Jllona der schlanken, älteren Frau. „Und ich bin Frau Zellner, Lorenz' Mutter." „Ah!" Jllona starrte sie halb freudig, halb betroffen an. „Er sandte mich Ihnen entgegen, da er selbst viel zu tun hat." Sie sah mit ihren durchdringenden Augen auf die zitternde Frau, deren Geschichte ihr Lorenz mitgeteilt hatte. „Bitte, kommen Sie, wir haben nicht weit zu gehen." Der Regen floß

hinter sich und raffte achtlos ihre Schleppe zusammen. „Nun, hier sind wir," bemerkte Frau Zellner. Es war ein Chaos von roten Ziegelbauten, deren einige die Wohnungen der Beamten, andere de Fabrik- rüume enthielten. Das Haus, in das sie traten, war hoch und schmal wie ein aus der Erde emporgeschossener Pilz. „Bitte, hier." „Wie geht's eigentlich Lorenz?" fragte Jllona, die Treppe emporsteigend, um das wahnsinnige Klopfen ihres Herzens zu beruhigen. „O, meinem Sohne geht es immer gut." Mit diesen Worten stieß Frau

sie unausgesetzt. Lorenz schien sehr ruhig zu sein. „Wie geht's dir? Was machen die Rosen und Semler und vor allem: die Kapelle? Hast du den Um bau schon beginnen lassen?" Er stützte die Arme auf den Schreibtisch und sah ihr lieb und gutmütig ins Gesicht. Jllona rang nach Fassung. „Es geht ganz gut. Den Umbau habe ich noch nicht begonnen. Es ist wohl zu spät dazu." „Wieso?" fragte er mit leichtem Stirnrunzeln. „Ich meine, die Jahreszeit sei zu weit vorgerückt/' „Ah so) nun dann laß es bis zum Frühling

." „Ja, bis zum Frühling, das wird das beste sein," sagte sie mit immer schwächer werdender Stimme. „Wollen Sie nicht ablegen?" fragte Frau Zellner, Jllona das Täschchen, das sie krampfhaft festhielt, aus der Hand nehmend. Lorenz warf seiner Mutter einen Blick zu. „Wir gehen ja gleich hinüber. Und wie gefällt's dir hier bei mir?" Sie schaute unsicher umher. „Hast du schöne Aussicht?" „Nun, für meine Bedürfnisse ist sie schön genug," meinte er heiter. Sie trat zum Fenster) ein weiter, von hohen, roten Backsteinwänden

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Page 12 of 16
Date: 02.10.1904
Physical description: 16
Kalesche von vorsintflut- lichen Dimensionen, die neben dem Bahnhofsgebäude hielt, zu diesem Zweck bereit? „Ich soll einen Herrn Doktor aus Wien abholen," sagte ein älterer Mann, auf Lorenz zutretend, in gutem Deutsch- „sind Sie etwa der Herr Doktor?" „Ein Herr Doktor bin ich zwar nicht, wohl aber der Mann, der die Bibliothek ordnen soll. Und ich wollte wetten, Sie sind Herr Semler, der Verwalter. Irre ich mich?" Der Alte, von dem freund lichen Ton des fremden Herrn neigte

sich. „Ja, ich bin der Verwalter- dürste ich bitten, einzusteigen?" Der Kutscher, ebenfalls kein jun ger Mann mehr, lüftete höflich den Hut. Semler setzte sich mit einem höflichen: „Mit Ihrer Erlaubnis" Lorenz gegenüber in die geräumige Karosse. Dann zogen die beiden Gäule an, und fort ging's auf schma lem Wege zwischen Feldern und Wie sen hin. Zellner begann ein Gespräch mit dem Alten und „I bewahre, der Herr war ja gelähmt." „Er war gelähmt, ist er genesen?" Der Verwalter schüttelte den Kops. „( zehn Jahren tot." ist seit

Zur Verladung des veutlHeu Kronprinzen: vegrilKung des Brautpaares durch Kinder ans Selbeutaude. berührt, ver- >enes über seine Herrschaft aus. Der Graukopf antwortete ziem lich einsilbig und sprach nur von der Frau „Baronin" - seines Herrn er wähnterer nicht. „Hat Frau BaroninSomogyi Familie?" fragte Lorenz im Laufe des Gesprächs „Nein, sie steht ganz allein." „Auch keine Kinder?" Zur Verlobung äes venilHen Kronprinzen: /lnsfahrt des Brautpaares im Jigdmagcn. (Neben dem Kutscher die ältere Schwester

, über dem ein altes Steinwappen angebracht war. Lorenz schwang sich leicht aus dem Wagen. Eine be jahrte Frau in dunklen Kleidern kam ihm entgegen und verbeugte sich. „Der Herr Doktor aus Wien? Bitte, kommen Sie." Sie führte ihn durch ein riesi ges Entree über eine breite, mit Teppichen belegte Treppe. Oben nahm sie ein ge räumiger Korri dor aus, dessen Wände alte Stiche und Radierungen schmückten. Vor einer der Türen hielt die Frau an und öffnete sie. „Hier, bitte, Herr Doktor, ist Ihr Zimmer

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Page 10 of 16
Date: 06.11.1904
Physical description: 16
, das können wir nicht, wir müssen hinaus." XII. Wenn Augen die Wirkung von Speeren haben könnten, dann wäre Lorenz tit dieser Zeit sicher durchbohrt worden. Seniler verkehrte wortkarg mit ihm- kaum das Allernotwendigste teilte man einander mit; von einem wechselseitigen Gruß war längst keine Rede mehr. Es wütete ein stummer, aber desto tiefer gehender Haß zwischen den beiden Männern. Semlers Blicke folgten Zellner mit heißer Verwünschung, wo er ihn traf. Lorenz tat, als bemerke er es nicht- aber heimlich beobachtete er scharf

Sie mir die Wege, die ich gehen soll, um ein tüchtiger Mensch zu werden. Ich sehe ein, daß ich bisher nur ein Larvenleben geführt habe." Wie er sich freute über sie! „Zuerst hinaus. Nur ein lvenig' den Kopf durch Ihr Laubgitter ins Leben stecken, dann immer mehr, die eine Hand und die andere und dann ganz den Sprung wagen." Lorenz besaß den Instinkt einer Mutter, die ihrem Liebling vorsichtig am Gängelband das Gehen beibringt. Er war unendlich geduldig mit ihr. Er durfte sie nicht erschrecken, sonst blieb

gedränge in der Kärntnerstraße faßte sie ängstlich Lorenz' Arm. „Mich schwindelt, bitte nehmen Sie einen Wagen? „Nein, gehen wir nur, es ist ja so schönes Wetter." „Aber die vielen Leute. Sie drängen, stoßen mich." — „Sv stoßen und drängen Sie wieder." „Das kann ich nicht." „Ei freilich." „Ich fühle ihre Hände mein Kleid berühren." „Das tut doch nichts," lachte er, „wir berühren ja auch die andern, wenn wir an ihnen vorbeieilen." „Aber mir ist schlecht." Er mußte einen Wagen herbeiwinken

, durch keinen Menschenhauch getrübter Lust sie überflutete, trat das erste Lächeln in Jttonas Gesicht. „Ah, ist das schön!" „Das Nachhausefahren?" Sie nickte. Er sah sie traurig an. Er gedachte der verwunderten Blicke der Vorübergehenden in Wien, die der schwarzgekleideten, furchtsam und ängstlich dahin- schreitenden Frau nachgefolgt waren. Sie taugte wirklich wenig in dies Leben hinaus. Am andern Tage erschien sie in einem dünnen, blaß blauen Kleide, das ihr in langen Falten vom Hals bis zu den Füßen niederfiel. Lorenz

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Page 16 of 18
Date: 15.01.1910
Physical description: 18
Lorenz ruhig. „Läßt sich's der Märt gefallen, daß Ihr ihm im eigenen Haus schandbar übers Maul fahrt, — das geht mich nichts an, aber ich habe mit Euch nichts zu schassen und lasse Euch nicht in meinen Kram reden." „Hoho, nur nicht patzig getan," fuhr der Kirchbauer erregt auf. „Wirst bald klein beigeben, wenn du siehst, tvir machen Ernst!" „Das seh' ich lang'," lachte Lorenz verächtlich. „Jetzt will ich Euch zeigen, daß auch ich Ernst machen kann. Noch bin ich Herr in der Stube, und wer

mir nicht gefällt, dem weis' ich die Tür. Merkt Euch das, so Ihr noch ein Wort in meine Sachen redet, setz' ich Euch an die Luft." Der Kirchbauer schlug ein Gelächter auf, die Bäuerin schimpfte und Märt ballte die Fäuste. Ohne sich um den Lärm zu kümmern, wandte sich Lorenz an den Hausherrn: „Märt, mein Hab und Gut Hab' ich dir verpfändet, von dem Zugebrachten meiner Margelies steht nichts im Pfand brief, das .bleibt uns. Ferner muß ich Tisch und Stühle Habens'meiste Liegen, mein Futter, meine Erdäpfel

ich aus dem Ge meindevorstand und sorg' dafür, daß es alle Leute erfahren, meine Finger sind rein! — Ich seh', ich war lang' dein Narr, aber die Geschichte mit dem Lorenz ist der letzte Fall, daß ich mich von dir ins Feuer treiben lasse, — von heute an bin ich selber Herr meines Tuns! Dort ist die Tür, Kirchbauer, geh' gutwillig, mache den Leuten die Freude nicht, daß ich dich

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